Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1883 Nr. 17

Spalte:

390

Autor/Hrsg.:

Doulcet, Henry

Titel/Untertitel:

Essai sur les rapports de l‘église chrétienne avec l‘état romain pendant les trois pereiers les trois premiers siècles 1883

Rezensent:

Harnack, Adolf

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

389 Theologifche Literaturzeitung. 1883. Nr. 17. 390

Krementz, Bifchof Ph., Die Offenbarung des hl. Johannes

im Lichte des Evangeliums nach Johannes. Eine
Skizze der königlichen Herrfchaft Jefu Chrifti. Freiburg
i. Br., Herder, 1883. (196 S. gr. 8.) M. 2.40.

Eine heutzutage nicht feltene Verirrung der neu-
teftamentlichen Wiffenfchaft, die fchon viel unnütz ver-
fchwendeten Witz und Scharffinn gekoftet hat, ift die
Sucht, Beziehungen zwifchen einzelnen neuteftamentlichen
Schriften aufzufpüren. In letzter Zeit hat man befonders
zu allerlei kritifchen Experimenten diefe Kunft getrieben;
das vorliegende Buch zeigt, dafs man diefelbe auch zu
ganz anderen Zwecken verwenden kann. Unter der Vor-
ausfetzung, dafs die Apokalypfe die Gefchichte der
Kirche darfteilt, und dafs die Gefchichte Jefu ein durchgängiger
Typus für die Gefchichte feiner Kirche ift, hat
der Bifchof von Ermland einen Parallelismus zwifchen
dem Evangelium und der Offenbarung Johannis entdeckt,
den er hier im Anfchlufs an eine kurze Erklärung des
deutfchen Textes der letzteren nachweift. Wo das Evang.
Johannis nicht ausreicht, werden auch Momente der anderen
Evangelien herangezogen, ja felbft Details über
Thaten und Leiden der Maria (S. 117 ff.) und über die
Hüllenfahrt Chrifti (S. 160), von denen in ihnen nichts
fteht; wo der Text der Apokalypfe nicht ausreicht, muffen
eben die Ausmalungen und Ausdeutungen des Ver-
faffers aushelfen, deffen von den Schreckbildern der
focialen Revolution und der Verfolgung der Kirche erfüllte
Phantafie mit einer ftaunenswerthen Beftimmtheit
die Gefchichte der letzten antichriftlichen Bedrängnifs
der Kirche aus der Apokalypfe herauszudeuten verlieht.
Die Deutung derfelben ift alfo wefentlich eine endge-
fchichtliche, nur die heben Briefe ftellen die verfchiede-
nen gelchichtlichen Kirchenzeiten dar, die apoftolifche, die
Zeit der Märtyrer, der Glaubenskämpfe, der herrfchcn-
den Kirche, der durch den religiöfen Abfall gefpaltenen,
der durch den politifchen Abfall bedrängten und der
durch den focialen Abfall innerlich gefährdeten Kirche.

Nachdem alfo der Parallelismus von Ap. 1,1—9 mit
Ev. I, 1—34 nachgewiefen, bildet die Erfcheinung des
verklärten Menfchenfohnes 1, 9—18 das Gegenbild zu
der Erfcheinung des Meifters in Knechtsgeftalt Ev. 13,
I—33- Wer hch davon überzeugen will, braucht nur S.
29—33 nachzulefen, wo in fynoptifcher Weife die beiden
Abfchnitte parallel gedruckt find. Die heben Send-
fchreiben entfprechen dem Abfchnitt 13,34—16, 33, indem
jeder Gemeinde etliche Verfe zugetheilt werden und
Laodicea den Löwenantheil (15, 18—16, 33) davon trägt.
Apoc. 4 und 5 entfpricht dem hohenpriefterlichen Gebet,
die vier apokalyptifchen Reiter dem Gang zum Oelberg
und den drei Gebetsarten dafelbft, die Löfung der 3 letzten
Siegel oder die Hingabe der Kirche in den äufseren
Vollzug der feindlichen Pläne (6, 9—8, 5) der äufseren
Hingabe des Herrn in die Gewalt feiner Feinde. Wie
genau hier alles ftimmt, erhellt daraus, dafs felbft die
Behegelung der 144000 in dem Schutz, den Jefus durch
das Wort Joh. 18, 8 und die Heilung des Ohres feinen
Jüngern angedeihen liefs, vorangedeutet ift. Die fechs
Pofaunen entfprechen der Forderung der Kreuzigung,
der Geifselung, der Dornenkronung, der Verurtheilung,
der Hinausführung zur Richtftätte, dem Beginn der Kreuzigung
, indem he jedesmal die Strafe für die parallele
Mifshandlung der Kirche darfteilen. Der Tod der beiden
Propheten Ap. 11 entfpricht der Kreuzigung Chrifti, die
Verhöhnung ihrer Leichname feiner Verhöhnung, die
Bekehrung der Majorität der grofsen Stadt der Bekehrung
des Schachers. Ap. 12 Hellt die Maria unter dem
Kreuze dar, wie he die höchfte Prüfung erduldet, den
Sohn in vollftem Gehorfam zum Opfer hingiebt und der
Schlange den Kopf zertritt. Wie Ap. 13 und 14 im
gegenfätzlichen Parallelismus den einzelnen Stadien der
Leiden Chrifti am Kreuze entfprechen, mufs ich den
Lefern felbft nachzulefen überlaffen, da hch das fo

einfach nicht darfteilen läfst. Für Ap. 15, 16 hndet hch
eigentlich erft am Schlufs ein Parallelismus zwifchen dem
Triumphruf Jefu (Ev. 19, 30) und 16, 17, zwifchen dem
Erdbeben und Ap. 16, 18, dem Felfenfpalten und 16, 19,
der Gräberöffnung und 16, 19—21; der Reff diefes Ab-
fchnittes (Ap. 17, 1 —19, 10) geht wieder leer aus. Dagegen
entfpricht 19, II—16 dem Zerreifsen des Vorhangs,
19, 17—20, 3 der Höllenfahrt Jefu, 20, 4—6 feiner Aufer-
ftehung und dem 40tägigen friedebringenden Verweilen
auf PJrden, 20, 7—IO der Himmelfahrt und dem Herrfchen
zur Rechten des Vaters. Für den Schlufs tritt an die
Stelle des Evangeliums die Darfteilung der Gründung der
Kirche in der Apoftelgefchichte.

Ueber folche Spiele der Combinationskunft läfst hch
hier fo wenig ftreiten, wie bei ähnlichen Uebungen des
Scharfhnns. Zur Erklärung der Apokalypfe tragen he
nichts bei, da he eine beftimmte Deutung derfelben be-
[ reits vorausfetzen. Zur Erbauung dienen he nach meinem
Gefühle nicht; aber darin fühlt eben der Bifchof von
Ermland anders als unfereins.

Berlin. Dr. Weifs.

Doulcet, Henry, Essai sur les rapports de l'eglise chretienne
avec l'etat romain pendant les trois premiers siecles, suivi
d'un memoire relatif ä la date du martyre de Sainte
Felicite et ses sept hls et d'un appendice epigraphique.
Paris, E. Plön & Cie., 1883. (XIX, 241 S. Lex.-8.
Fr. 7. 50.

Der Verfaffer, der im J. 1880 mit der Hypothefe
debütirt hat, dafs der Diognetbrief ein Werk des chrift-
lichen Philofophen Ariftides fei, hat hier eine gröfsere
Unterfuchung vorgelegt, die hauptfächlich durch die

j Arbeiten Aube's hervorgerufen zu fein fcheint, aber
auch die einfchlagenden Forfchungen deutfeher Gelehrten
ziemlich vollftändig berückhehtigt. Der Verf. fucht, fo-
weit es irgend noch möglich, die alte Tradition zu retten.
Diefes Intereffe ift vor allem in dem erften Capitel {Rapports
des Juifs et de /'Eplise chretienne avec l'etat romain

jtisqu'en 96) erhchtlich. Indeffen er ftreitet überall mit
Gründen und macht, namentlich gegen Aube, eine Reihe

| zutreffender Einwürfe. Der Charakter des ,Essai' bringt
es mit hch, dafs Einiges recht ausführlich, Anderes —
und Wichtiges — gar nicht befprochen wird. Sehr frag-
mentarifch werden die Ausführungen für die Zeit nach
Marc Aurel. Auf 58 Seiten ift der ganze Zeitraum von
180—313 behandelt; die diocletianifche Epoche wird
lediglich geftreift. Unter Berufung auf meine Ausführungen
in diefer Zeitung (1877 Co1- 168) heht der

[ Verf. in dem Edict Maximin's v. J. 235 die entfeheidende

j Wendung in der Politik des Staates gegen die Kirche
und hat daher auch die Periodeneintheilung 180—235,
235—313 feiner Darftellung zu Grunde gelegt. Angehängt
ift eine gelehrte Unterfuchung über das Datum
(162, und die Glaubwürdigkeit des Martyriums der h.

| Felicitas und ihrer heben Söhne. Auch wer hch vom
Verf. nicht überzeugen läfst, wird das gelehrte Material,
welches er beigebracht hat, dankbar aufnehmen. Die
Beigabe ,Epitaphcs des papes des cinq premiers siecles'
(p. 219—235) hätte wohl fehlen können. Ein paar fchöne
Heliogravüren fchmücken das Buch.

Giefsen. A. Harnack.

Bonn et, Max, Acta Thomae, graece partim cum novis codi-
eibus contulit, partim primus edidit, latine recensuit,
praefatus est, indices adiecit M. B. [Supplementum
codicis apoeryphi I.] Leipzig, Mendclsfohn, 1883. (XXX,
220 S. gr. 8.) M. 5. —

Zum erften Male liegen hier die Thomasacten vollftändig
in griechifcher Sprache vor. Beigegeben find
; die lateinifchen Bearbeitungen ,de viiraculis b. Thomae