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Ausgabe:

1883 Nr. 16

Spalte:

379-382

Autor/Hrsg.:

Schütze, Fr. W.

Titel/Untertitel:

Praktische Katechetik für evangelische Seminare und lehrer. 2., verb. Aufl 1883

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

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Theologifche Literaturzeitung. 1883. Nr. 16

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es anerkennt, nur der Katholicismus habe es zu einer
,fittlichen Macht' gebracht. Allerdings kann Hartmann
den Proteftanten nicht verleugnen, nicht nur durch den
Geift ,freier Forfchung', fondern dadurch, dafs er die
grofsen Probleme religiöfen Lebens, Sünde, Verformung
u. a. innerlich erfafst. Dem katholifch erzogenen Philo-
fophen imponirt die äufsere Macht feiner Kirche, während
er für die Heilsfragen des Proteftantismus kein Organ be-
fitzt und darum den letzteren für noch gröfseren Unfinn
hält. Der ernfte Denker aus proteftantifcher Schule
dagegen kommt, fo fern er auch der Religion feiner
Kirche getreten ift, von der fittlichen Macht ihrer Wahrheit
fchwer ganz los und wird darum feiten fo radical
fein, wie jener. Es haben ja zu den Bekämpfern der ge-
meinfamen chriftlichen Weltanfchauung beide Kirchen
ihr Contingent geftellt, doch hat die katholifche Kirche
wahrlich kein Recht, fich der ihren uns gegenüber zu
rühmen. — Der Ton der Polemik ift faft durchweg an-
ftändig, aber um fo felbftbewufster. Es ift jene fieges-
gewiffe Art, die wir fchon aus der befferen katholifchen
Literatur, wie aus den Parlamenten kennen, die von oben
herab eine gewiffe anerkennende Milde gegenüber den
pofitiven Geftaltungen des Proteftantismus zeigt, um ihn
dann um fo gründlicher zu verkennen und ihn die volle
eigne Ueberlegenheit fühlen zu laffen. In diefem Sinn
ift auch das vorliegende Buch ein Zeichen der Zeit.

Leipzig. Härtung.

Schütze, Schuir. Sem.-Dir. Dr. Fr. W., Praktische Kate-

chetik für evangelifche Seminare und Lehrer. 2., verb.
Aufl. Leipzig, Teubner, 1883. (XV, 335 S. gr. 8.)
M. 5. -

Dies Buch ift eine werthvolle Gabe, welche von einem
Schulmanne Schulleuten, durch fie und aufser ihnen der
evang. Kirche und ihren Dienern geboten wird. Der
Herr Verfaffer fleht feft auf dem Boden des kirchlichen
Bekenntnifses, und es ift felbftverftändlich, dafs in ent-
fchieden kirchlichem Geifte das Buch gehalten ift. In
bekenntnifstreuem und kirchenfreundlichem Sinne redet
ein Mann zu uns, welcher durch feine literarifchen
und praktifchen Leiftungen einen mit Recht hochgeachteten
Namen im Königreich Sachfen und über deffen Grenzen
weit hinaus längft fleh erworben hat. Dafs er Gediegenes
und Gereiftes uns geben werde, läfst fleh fomit erwarten
, und diefe Erwartung wird nicht getäufcht. Wir
wünfehen fein Buch in den Händen vieler evangelifchen
Geiftlichen; fie werden es nicht bereuen, bei folchem
Schulmanne in die Schule gegangen zu fein.

v. Zezfchwitz, deffen Meifterhand man, gewifs nicht
zum Schaden unferes Buches, überall verfpürt, theilt fein
grofses Werk: Syftem der chriitlich kirchlichen Kate-
chetik in die drei Theile: Katechumenat, Katechismus,
Katechefe; fo auch der Herr Verf. unferes Buches, nachdem
er in einer Einleitung über den Begriff und die
Eintheilung der Katechetik fleh verbreitet hat. Wir
wollen nicht darüber' rechten, dafs er die Katechetik als
Disciplin ganz für die Volksfchule in Befchlag nimmt;
es fei genug, dafs er wenigftens beiläufig (S. 3) fie nach
Urfprung und Zweck als eine rein kirchliche (foll wohl
heifsen: theologifche) Disciplin anerkennt. Auch dürfte
die enge Definition der Katechetik als die Wiffenfchaft,
welche lehrt, wie der kirchliche Katechismus auf eine
für Verftand und Herz der Kinder fruchtbare Weife
unterrichtlich zu behandeln fei, um fo weniger durch die
nachträgliche Bemerkung, man habe zwifchen Katechetik
im weiteren uud engeren Sinne zu unterfcheiden, gerechtfertigt
fein, als der Herr Verf. S. 199 ff. 227 ff. die
trefflichften Dispofitionen und Entwürfe über Sprüche
und Gleichnifse ohne eine Bemerkung bietet, dafs
dergleichen durch feine eigene Definition von Katechetik
doch ausgefchloffen fei.

Der erfte Theih Der Katechumenat (S. 7. 48) giebt

in Anfchlufs an v. Zezfchwitz Band I eine gefchicht-
liche Ueberficht des Katechumenats von der Apoftel
Zeiten an bis auf die Gegenwart. Nur ,das Wichtigfte'
verfpricht der Herr Verf., das Ganze giebt er, allerdings
nur in gedrängter Kürze. Aber es befremdet, dafs der
Herr Verf. von dem unwiderleglichen Nachweife v.
Zezfchwitz', dafs unter den .Geboten' im ganzen Mittelalter
bis tief ins 14. und 15.Jah.rh. hinein nicht die zehn
Gebote, fondern das Doppelgebot der Liebe Mt. 22 zu
verftehen fei, keine Notiz nimmt. Auch wird unge-

I fchichtlicher Weife behauptet, dafs Luther fein Enchi-

I ridion in der Ordnung verfafst habe, wie fie das chrift-
liche Bewufstfein feit Jahrhunderten feftgeftellt und bewährt
gefunden habe; fchon die kleine Ueberficht, die
S. 55 lieht, widerfpricht der Behauptung. In Betreff des
Zieles des Katechumenats dürfte die Darftellung
wenigftens mifsverftändlich fein, dafs der Herr Mt.
28 als Ziel ,den Glauben an das chriftliche Dogma
vom dreieinigen Gott' hingeftellt habe. Sollte vielleicht
der Grund von der Zurücksetzung der Gefchichte gegen-

j über der Lehre, der Heil. Schrift gegenüber dem Katechismus
in jenem melanthonifchen Offenbarungsbegriff zu

1 fuchen fein, der fich auch in dem .Glauben an das Dogma'
ausfpricht? Zu beanftanden ift die Verficherung, dafs
das Ziel des mittelalterlichen Kinderkatcchumenats die
.Firmelung', das der evangelifchen Kirche von der
Reformation an die Confirmation gewefen fei, ohne
dafs zwifchen dem Zeitalter der Reformation, dem Pietismus
u. f. w. unterfchieden wäre.

Der zweite Theil (S. 48 — 81) handelt vom kate-
chetifchen Stoff oder vom Katechismus. Auch hier
haben wir eine gute Ueberficht der gefchichtlichen Entwicklung
des Katechismus. Doch möchte ich mir die
Bemerkung erlauben, dafs es in einer Praktifchen Katechetik
für Seminare und Lehrer eigenthümlich berührt
, nicht nur von der apoftolifchen Hypotypofis
(erft einige Seiten fpäter folgt die Ueberfetzung) reden
zu hören, fondern auch — und das geht durch das
ganze Buch hin — griechifche und lateinifche Citate,
zuweilen auch z. B. S. 3Zufatz: ,katechein=herumtönen'
mit unrichtiger Erklärung, in nicht geringer Menge zu
finden; es würde beffer fein, wenn die Grenzen, die der
Zweck des Buches bezeichnet, innegehalten wären.

In fein felbftändiges Gebiet tritt der Herr Verf. ein
mit dem dritten Theile: ,Die Katechefe oder die
Theorie der katechetifchen Lehrart'; hier finden wir den
bewährten Meifter, der aus dem Schatze feines Willens
und feiner Erfahrung reiche Mittheilung und gediegene
Belehrung fpendet; und Referent fteht nicht an, dem
Herrn Verf. ausdrücklich zu danken für die Anregung
und Unterweifung, die er auch ihm gegeben hat. Im
Intereffe des Werkes möchten wir jedoch einige Anftöfse
nicht unerwähnt laffen. Die .Katechefe' nennt der Herr
Verf. .die Theorie' der katechetifchen Lehrart. Allein
Katechefe ift überhaupt keine Theorie; und als Theorie
der katechet. Lehrart kann fie um fo weniger definirt
werden, als der Herr Verf. diefe als die vierte der Formen
katechetifchen Unterrichts aufführt neben der akroama-
tifchen, der memorativen und der erotematifchen Lehrweife
. Gegen die zweite, die memorative, Lehrweife
hat fchon Kraufsold in der 2. Aufl. feiner Katechetik
für Schule und Haus 1877 proteftirt, und wir halten dafür,
dafs fein Widerfpruch berechtigt ift. Freilich nicht,
weil das Memoriren, wie Kraufsold fagt, eine Sache
des Schülers fei, — das ift bei dem axoodöf>at bekanntlich
auch der Fall; aber wohl, weil das Memoriren die Vorbereitung
des Lehrens ift; das Lehren felbft befteht
im Abfragen des Memorirten, ift alfo erotematifche
Lehrweife, allerdings in ihrer elementarften Form. Deshalb
, weil der Lehrer die Aufgabe zum Memoriren
{teilt, wie Schütze einwendet, kann man feine Lehrweife
doch nicht die memorative nennen. Auch die
Definition von Katechefe (S. 82) dürfte zu beanftanden