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Ausgabe:

1883 Nr. 15

Spalte:

344

Autor/Hrsg.:

Körber, Gust.

Titel/Untertitel:

Luthers Leben, dem deutschen Volk erzählt 1883

Rezensent:

Enders, Ernst Ludwig

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343

Theologifche Literaturzeitung. 1883. Nr. 15.

344

rath D. Heffe fafste, ,eine Commiffion zu beauftragen,
die für Herftellung eines einheitlichen, correcten und den
Forderungen der Gegenwart entfprechenden Textes des
kleinen lutherifchen Katechismus erforderlichen Vorarbeiten
fortzufetzen und über das Ergebnifs jener Arbeit
der nächften Conferenz Bericht zu erftatten'. Calinich
ward Mitglied diefer Commiffion und ward innerhalb der-
felben zum Referenten ernannt. Er machte fich alfo-
bald mit grofsem Eifer an die ihm damit auferlegte
Arbeit, deren Ergebnifs er hernach mit feinen Collegen
in Hamburg, Herrn D. Carl Mönckeberg und dem Unterzeichneten
, in wöchentlichen Sitzungen noch weiter
eingehend zu befprechen pflegte, ehe er feine eigene Anficht
abfchlofs (vgl. Vorrede S. VI). So konnte er nach
monatelangen Arbeiten der Commiffion nicht nur einen
eingehenden Bericht über den vorliegenden Thatbeftand
abweichender Lesarten in mehr als 50 im Gebrauch befindlichen
Ausgaben des kleinen lutherifchen Katechismus
und über das Verhältnifs der verfchiedenen Ausgaben
Luther's zu diefen Lesarten, fondern auch einen
bis ins einzelne genau ausgearbeiteten Vorfchlag eines
jetzt (von der Kirchenconferenz) zu allgemeiner Annahme
zu empfehlenden Katechismustextes gedruckt
vorlegen. Diefes zunächft als Manufcript gedruckte Referat
für die Commiffion, das hernach auf Befchlufs der
letzteren auch den Mitgliedern der Conferenz zugeftellt
wurde, ift die Grundlage des vorliegenden Werkes. Die
Commiffion änderte den Calinich'fchen Entwurf, der fich
thunlichft an die letzte Ausgabe Luther's felbft vom J.
1542 gehalten hatte, an einer Anzahl Stellen zu Gunften
heutiger Lesarten im Katechismus, theilweife auch nach
dem Texte der preufsifchen Agende um. In der Sitzung
der Conferenz felbft dann, die fich in den Tagen vom
9. bis 12. Juni 1882 mit der Vorlage der Commiffion
befchäftigte, wurde diefe faft ganz angenommen; nur an
fechs Stellen änderte die Conferenz den Vorfchlag der
Commiffion. Herr Dr. Calinich übernahm es auf Wunfeh
der Commiffion, fein fchon gedrucktes Referat nun als
feine Privatarbeit im Buchhandel erfcheinen zu laffen,
jedoch dabei an den einzelnen Stellen die von feinem
Vorfchlage abweichenden Befchlüffe der Conferenz unter
Angabe der Gründe, welche die Conferenz jedesmal zu
ihrem Befchlüffe bewogen haben, hinzuzufügen. Und fo
entftand denn das uns jetzt vorliegende Werk. Dasfelbe
ift auch ganz abgefehen von feinem Zufammenhange mit
den Arbeiten der Eifenacher Conferenz eine werthvolle
Arbeit, die in der Literatur über den kleinen Katechismus
Luther's genannt werden wird, mögen die fchliefs-
lichen, imj. 1884 bevorftehenden Befchlüffe der Eifenacher
Conferenz auf die Textgeftaltung des Katechismus in
den einzelnen deutfehen evangelifchen Landeskirchen
einen Einflufs gewinnen oder nicht. Schon als Text-
gefchichte des kleinen Katechismus ift die Calinich'fche
Arbeit werthvoll; fodann aber auch als Beitrag zur Erklärung
des urfprünglichen Katechismustextes, wofür
wir z. B. auf die Mittheilungen über den I. Artikel
(S. 26 ff.) und die 4. Bitte (S. 55 ff.) verweifen. Dem
Werke find als Anhang beigegeben: 1. ein genauer Abdruck
des lutherfchen Katechismus nach dem Druck von
1542, 2. der Calinich'fche Textentwurf und 3. der Vorfchlag
der Conferenz (mit anmerkungsweifer Angabc
der Abweichungen diefes Vorfchlags von dem der Commiffion
). Der Vorfchlag der Conferenz ift natürlich auch in
den Protokollen derfelbenund zwar als Beilage G. (S. 76 bis
83) abgedruckt; diefe lagen Calinich bei feiner Arbeit
noch nicht gedruckt vor (vgl. Vorrede S. V unten); daher
ift es entfchuldbar, dafs, wie eine genaue Vergleichung
ergiebt, in dem Calinich'fchen Abdruck des Textvor-
fchlages der Conferenz fich zwei Druckfehler befinden,
auf die wir hier um fo mehr hinweifen, als die gedruckten
Protokolle der Conferenz fich nicht leicht erhalten laffen.
Es mufs bei Calinich S. 144 Z. 9 ,uns' geftrichen und Z.
20 ftatt ,noch' ,und' gefetzt werden.

Es würde die diefer Anzeige geftellte Aufgabe über-
fchreiten heifsen, wenn wir uns an diefer Stelle eine
Kritik des Katechismustextes, den die evangelifche
Kirchenconferenz zu allgemeiner Annahme empfiehlt,
erlauben wollten; an Kritiken desfelben wird es hoffentlich
, wenn die Conferenz im J. 1884 wieder zufammen-
tritt, nicht fehlen; nur das mag uns zu fagen geftattet
fein, dafs wir im Grofsen und Ganzen den Calinich'fchen
Entwurf dem der Conferenz weit vorziehen würden als
den fich an den urfprünglichen Text mehr (und dabei
nicht mehr als überall verträglich) anfchliefsenden und
nach feften Principien gearbeiteten. Verfammlungen, wie
die evangelifche Kirchenconferenz und ähnliche follten
unferes Erachtens nicht Punkt für Punkt über zu wählende
Lesarten, fondern über etwaige Vorlagen en bloc
abftimmen; fonft wird das Refultat doch oft ein zufälliges
und kein nach ficher durchgeführten Grundfätzen
: gefundenes werden. Wir können aber diefe Anzeige
< nicht fchliefsen, ohne daran zu erinnern, dafs die vorliegende
Arbeit die letzte ihres Verfaffers ift. Er hatte
fie kaum für den Druck vollendet, als er für ein fchweres
Leiden in einem Kurort Ileilung fliehen mufste; aus Da-
vos, wo er fie zu finden hoffte, kam er dann nur nach
Wiesbaden zurück, wo er im Januar diefes Jahres ftarb.
Eine fchöne theologifche Arbeitskraft und ein trefflicher
Prediger ift uns in ihm im beften Mannesalter entriffen
worden.

Hamburg. Carl Bertheau.

____

Körber, Pfr. Guft., Luthers Leben, dem deutfehen Volk
erzählt. Jubiläumsfchrift zur 400jährigen Gedenkfeier
des Geburtstags Luthers. Mit 4 Illuftr. von Guft.
König. Karlsruhe, Reuther, 1883. (VI, 160 S. 8.)
M. — 80.

,Eine volksthümliche Darftcllung des Lebens und
1 Wirkens Dr. Martin Luthers ift ein fchon länglt und auf
I den verfchiedenften Seiten empfundenes Bedürfnifs'. Mit
j diefen Worten beginnt der Verf. feine Vorrede; man
kann ihm aber nicht bezeugen, dafs er diefem Bedürf-
I nifs Genüge leifte. Kann man auch mit der Auswahl
I und dem Mafs des vorgebrachten Stoffes fich im Ganzen
einverftanden erklären, fo wird man hingegen in feiner
j Diction jenes gewiffe Etwas, jenes Knappe, Körnige, An-
I fchauliche vermiffen, was einer populären Schrift eignen
mufs, wenn fie ihren Namen in Wahrheit verdienen will.
Ja, nicht einmal für eine ,gemeinfafsliche Darltellung',
worauf der Verf. im Vorwort hofft Anfpruch erheben
zu dürfen, kann ich fie halten; Sätze wie der: ,er konnte
lieh das Gefühl der Unzulänglichkeit feines bisherigen
Strebens nicht anders deuten, als dahin, dafs er nach
dem feflftehenden vorzeitlichen Rathfchlufs Gottes verworfen
fei' (S. 8, vergl. S. 15 abermals: ,die fchweren
Bedenken Luthers wegen des vorzeitlichen göttlichen
Rathfchluffes') — und ähnliche Beifpiele könnten noch
mehr aufgeführt werden — feheinen mir keineswegs ,ge-
meinfafslich', dem Verftändnifs des fog. gemeinen Mannes
angemeffen. Sachliche Verftöfse geringerer Art, fo:
das Erfcheinen der Flauspoftille fchon um das Jahr 1534
(S. 134), unberückfichtigt laffend, mufs ich mich jedoch
entfehieden dagegen ausfprechen, dafs der Doppelehe
Philipp's von Heffen und Luther's Verhältnifs zu ihr mit
keinem Worte Erwähnung gefchieht, obgleich S. 152 bei
der Krankheit Melanchthon's in Weimar die Gelegenheit
vorlag, die Sache, wenn auch noch fo zart, zu berühren.
Solche Dinge laffen fich eben nicht todtfehweigen, man
giebt vielmehr bei dem Verfuche dazu dem Gegner erfl
recht Veranlaffung, fie und dann leicht in ungebührlicher,
übertreibender Weife hervorzuheben.

Oberrad. Enders.