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Ausgabe:

1883

Spalte:

322-323

Autor/Hrsg.:

Smith, William

Titel/Untertitel:

A Dictionary of Christian Biography, Litterature, Sects and Doctrines during the first eight centuries being a continuation of ‘The dictionary of the Bible’. Vol. III 1883

Rezensent:

Harnack, Adolf

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Tneologifche Literaturzeitung. 1883. Nr. 14.

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wirklich und nicht sb zu lefen? Ift nicht die ganze
Infchrift durch die Abfägung fo verftümmelt, dafs
die Lefung überhaupt precär ift? Und was foll denn
Tafel A 6 der Punkt über 3 in N"0, wenn es gar nicht
Abkürzung fein foll? Wenn fich Ref. trotz alledem zu
einem definitiven Verwerfungsurtheil nicht entfchliefsen
mag, fo fällt dabei für ihn befonders in's Gewicht, dafs
der Nachweis eines frühzeitigen Vorkommens derEulogien
(S.431 ff.), der Abkürzungen (S.451 ff.) und derSchöpfungs-
äre (S. 475 ff.) von Chw. auf eine überzeugende Weife
geleiftet zu fein fcheint. Die von daher entlehnten Gründe
gegen das höhere Alter einiger Grabfchriften würden fomit
ohnedies hinfällig.

Andercrfeits mufs nun aber Ref. betonen, dafs ihm
gegenüber den Infchriften, die Firk. unter den Händen
gehabt hat oder auch nur gehabt haben kann, eine weit
ftärkere Skepfis am Platze fcheint, als fie Chw. noch
immer üben möchte. Chw. räumt felbft ein, dafs Firk.
ein über alle Begriffe raffinirter Fälfcher war (vgl. S. 45.
225. 237. 315. 321), der auch vor dem ruchlofeften Meineid
nicht zurückfchreckte (S. 243); in fehr zahlreichen Fällen
conftatirt Chw. felbft die Fälfchungen oder fpricht doch
ehrlich feinen Verdacht aus. Genügt es nun unter folchen
Umftänden zu fagen, man müffe die Fälfchung in jedem
einzelnen Falle nachweifen, und nicht umgekehrt, man
müffe zunächft immer eine Fälfchung vorausfetzen und
nur bei dem gänzlichen Mangel an Verdachtgründen die
Echtheit anerkennen? So find dem Referenten alle die

5. 243 f. behandelten Infchriften aus dem 2. oder 3. bis

6. Jahrh. höchft verdächtig, desgleichen S. 287 die Infchrift
von 443, S. 290 die von 456, S. 294 die von 430 und S.
297 die von 243 (hier fchwankt Chw. fchliefslich felbft).
Doch es nützt nichts, in's Allgemeine einen Verdacht
zu äufsern, ohne ihn an der Hand des Facfimile's begründen
zu können. Dagegen möchte ich wenigftens
an einem Beifpiel zeigen, warum ich der von Chw. auf
das ftärkfte betonten paläographifchen Beweisführung
kein befonderes Gewicht einräumen kann. Nicht als ob
ich die hierher gehörigen Partien des Werks für nutzlos
hielte; vielmehr findet fich S. 49 h 405 ff. u. a. vieles gute
und brauchbare Material. Andercrfeits aber wird Chw.
nicht leugnen können, dafs es fich mit den Wandlungen
der Quadratfchrift doch etwas anders verhält, als z. B.
mit denen des phönizifchen Alphabets, infofern nämlich,
als in den Formen der Quadratfchrift fchon frühzeitig
eine gewiffe Erftarrung eingetreten ift; gewitfe Abweichungen
können fomit hier eher zufällig fein oder
auf Ungefchick beruhen. In Betreff der Handfchriften
beftätigt Chw. felbft (S. 377), dafs fich feit Anfang des
9. Jahrhunderts die Quadratfchrift nicht fehr wefentlich
verändert habe. Und dafs er auch bei den Steinfchriften
weiten Spielraum läfst, zeigen die nicht wenigen Bei- j
fpiele, wo er um Jahrhunderte fchwankt (z. B. S. 350
zwifchen 764 und 1364; vgl. auch S. 351 und 365). Das |
concreto Beifpiel aber, das wir im Sinne haben, findet
fich S. 299 ff. Hier werden 12 Infchriften vorgeführt, die
paläographifch verwandt und aus den Jahren 301—662
datirt find. Laffen wir bei Seite, dafs Chw. bei Nr. 147
felbft für möglich hält, man habe ftatt 456 das Jahr
856 n. Chr. anzunehmen, und dafs er bei einer Infchrift
von 431 (S. 306) einen Ritz mit PVnfterkitt verklebt fand; j
wie er aber bei der älteften diefer Infchriften (Nr. 42)
die handgreifliche Fälfchung in Abrede Hellen kann, das
verliehe ich um fo weniger, als diefe felbe Fälfchung !
(Verwandlung des linken Striches des fl in ein kleines S)
bei Nr. 41 (S. 298; von ihm anerkannt wird. Wenn
darnach diefe Infchrift nicht von 301, fondern fruheftens
von 1301 (lammt, fo kann die von Chw. mit Recht geltend
gemachte paläographifche Verwandtfchaft der 11 anderen
Infchriften nur dazu führen, dafs man fie fämmtlich erft
dem 14—iy_ Jahrhundert zuweift — trotz den paläographifchen
Gründen, die nun einmal durch die thatfachliche |
P'älfchung von Nr. 41 illuforifch gemacht find.

Was die übrigen Thefen Chwolfon's anbelangt, fo
haben wir bereits oben erklärt, dafs uns Chw. bezüglich
der Eulogien, der Abkürzungen und der Schöpfungsära
bewiefen zu haben fcheint, dafs ihr Vorkommen im
7. Jahrhundert nicht mehr für unmöglich erklärt werden
kann. Nicht minder icheinen uns die Behauptungen
Harkavy's über die Verbreitung der Juden im Norden
und über die Möglichkeit türkifch-tatarifcher Namen bei
denfelben nach dem, was Chw. S. 452 ff. und 488 ff. darlegt
, Harken Reftrictionen zu unterliegen. Dagegen ift
Ref. in keiner Weife durch die Ausführungen Chw.'s
(S. 276 ff. und 486 ff.) von der Echtheit der Datirungen
nach dem Exil und der befonderen Krim'fchen Schöpfungsära
überzeugt worden. Eine nähere Erörterung diefer
complicirten Streitfrage ift mir natürlich hier unmöglich;
es mag die Bemerkung genügen, dafs Chw. felbft fchwankt,
ob das famaritanifche oder babylonifche Exil gemeint
fei. — Von Einzelheiten wollen wir abfehen, auch davon,
dafs es mit der Correctur des Buches (befonders auch
der griechifchen Wörter! vgl. S. 445. 446 u. a.) etwas
fehr eilig gegangen fein mufs. Dagegen können wir zum
Schlufs einen andern Punkt nicht übergehen. Im eignen
Intereffe Chw.'s müffen wir es aufs tieflle beklagen, dafs
er fich im Eingange zu fo unwürdigen Schmähungen
gegen Strack hat hinreifsen laffen. Diefelben find um
fo auffälliger, als Chw. im Uebrigen faft durchweg einen
würdigen Ton anzufchlagen gewufst hat, wie er einem
Manne wohl anfleht, der feine ehrliche Ueberzeugung
mit guten Gründen verficht. Dafs er gegen Harkavy
ftark erbittert ift, kann uns nach dem, was er an zahl-
lofen Stellen des Buches über die Citirungsmethode und
die Wahrhaftigkeit desfelben mittheilt, nicht Wunder
nehmen (vgl. bef. VIII ff. 192. 447. 493, Nr. 1. 521 f.).
Wenn er aber Strack (S. VII des Vorworts) gleich mit
den Worten einführt ,der, weifs Gott, wie fo, unter die
Orientaliften gerathen ift' und ihm anderwärts etwas bei
den Rabbinen zufammengebettelte Gelehrfamkeit zu-
fchreibt u. f. w., fo ift dies eine Mafslofigkeit, durch die
fich Chw. angefichts der zweifellofen Verdienfte Strack's
um die maforetifche Textkritik nur felbft fchadet. Und
was den Satz auf S. VII anbelangt: ,der .... als gottesfurchtiger
Mann fromme Warnungen gegen die Unter-
ftützung der gottlofen Zeitfchrift des Prof. Stade an die
Mitglieder der Orientaliften-Verfammlung ergehen liefs',
fo hat fich hier Chw. durch den blinden Zorn zu pofitiv
unrichtigen Behauptungen hinreifsen laffen. Ref. war
felbft zugegen, als Strack in der Sitzung der deutfehen
morgenländifchen Gefellfchaft jene Interpellation Hellte.
Von der Richtung der Zeitfchrift war dabei mit keinem
Worte die Rede, fondern lediglich davon, ob fich die
ZDMG durch die Unterftutzung der Stade'fchen Zeitfchrift
nicht felbft Concurrenz mache; das Recht zu
diefer Interpellation ift hinterher von dem Vorfitzenden
der Verfammlung ausdrücklich anerkannt worden. Solche
Beifpiele zeigen, dafs die Einmifchung von Perfönlich-
keiten auf bedauerliche Abwege führt und Ref. möchte
daher zum Schlufs den dringenden Wunfeh ausfprechen,
dafs der Streit fortan nur auf fachlichem Boden gefuhrt
werde.

Tubingen, d. 31. März 1883. E. Kautzfeh.

A Dictionary of Christian Biography, Litterature, Sects and
Doctrines during the first eight centuries being a
continuation of ,The dictionary of the Bible', edited
by William Smith and Henry Wace. Vol. III.
Hermogenes - Myensis. London, John Murray, 1882.
(XII, 1004 pp. Lex.-8.)

Auf die beiden erden Bände diefcs einzigartigen und
ausgezeichneten Lexikons haben wir in dem 6. Jahrgang
diefer Zeitung (1881 col. 261 f.) aufmerkfam gemacht.
Unfer Wunfeh, dafs die folgenden Bände an Vollftändig-