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Ausgabe:

1883 Nr. 1

Spalte:

14-16

Autor/Hrsg.:

Comba, Emilio

Titel/Untertitel:

Storia della Riforma in Itala 1883

Rezensent:

Benrath, Karl

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Theologifche Literaturzeitung. 1883. Nr. 1.

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zelnen Hinrichtungen von Ketzern im 10. Jahrhundert , fcheinlichkeit den neuen, dominikanifchen Bifchof von

und a. 1034 in Italien feit dem zweiten Drittel des ir. Brescia, Guala verantwortlich. Noch zu Anfang des

Jahrhunderts eine faft 150jährige vollkommene Duldung. [Jahres 1231 beginnt dann das Eingreifen Gregor's IX.

Aber fchon feit 1119 macht die Kirche befonders in und fein unermüdliches Wirken in der Richtung, die

Südfrankreich alle Anftrengung zur Durchfetzung des I Todesftrafe für den ganzen Umfang der Kirche durch-

Grundfatzes, dafs die Härefie ein Verbrechen fei, auf zufetzen, die früheren Gefetze in diefem neuen Sinn zu

welchem Gefängnifs, Güterconfiscation und Exil flehe, j deuten.

d. h. fie fucht, wie Ficker des Näheren nachweift, den ! In De utfchland, wo bis .dahin Verbrennung von
kirchlichen Bann dem weltlichen gleichzusehen. Epoche- i Ketzern zu den Seltenheiten gehört hatte, wird durch eine
machend ift hier der Erfolg, den Lucius III. 1184 in päpflliche Conftitution von 1231 die felbftändige, vom biVerona
erringt, indem er von Kaifer Friedrich I. die j fchöflichen Gericht abgelöfte Inquifition der Bettelorden
Mitwirkung der weltlichen Gewalt durch die Verhängung : (Ficker fpricht unrichtig nur von den Dominikanern) einge-
des Reichsbannes über die Ketzer herausfchlägt. Wie • führt. Ein kaiferliches Gefetz von 1232 tritt jener Bulle zur
Ficker in feiner gen. Recenfion Havet's (feine frühere Seite, umden Widerftand, den fie findet, zu brechen: durch
Annahme corrigirend) nachweift, geht diefe kaiferliche j diefes Gefetz wird die Inquifition nicht wie in Sicilien Saat-
Verfügung fofort in einige italienifche Stadtrechte über. liches Inftitut, fondern bleibt durchaus vom Staat unab

Aber wirklich dringt diefer Grundfatz der gefetzlichen
Beltrafung der Härefie feitens der weltlichen Obrigkeit
durch beltändigen Bann crft unter Innocenz III. durch:
diefer Papft erläfst keine neuen Gefetze; aber er fetzt

hängig, von ihm nur gefchützt, rein kirchlich. Hier genehmigt
der Kaifer auch die Einführung jener verruchten
Bcftimmungen über die Führung des Inquifitionsproceffes
alles im engften Anfchlufs an päpflliche Bullen. In

feine ganze päpftliche Autorität daran, die bisher nur j diefem Gefetz, für welches wiederum der Einflufs des
theilweife beftehenden und fchlecht angewandten Ver- | Guala nachweisbar ift, liegt die erfte reichsgefetz-
ordnungen diefer Art in jedem Sinn allgemein durch- | liehe Fixirung der Todesftrafe für Deutfchland
zuführen. Am Anfang des 13. Jahrhunderts ift diefes Ziel ; vor: der Feuertod ift nicht ausdrücklich genannt, aber
in der ganzen füdlichen Zone erreicht. Sofort aber be- j offenbar vorausgefetzt. Er wurde dann in einer der
ginnt ein neues Stadium. I fpäteren Wiederholungen früherer Gefetze Friedrich's II.

3. Die beiden Zonen taufchen nämlich in einem merk- 1238 ausdrücklich feftgefetzt. — Die weiteren Schickfale
würdigen, in den verfchiedenen Ländern verfchiedenen | der Gefetzgebung und Praxis, die unabläffigen Bemüh-
Procefs ihre bisherigen Befonderheiten gegeneinander aus. ungen der Päpfte, um die Praxis, die fich in Italien wie
Am einfachften ift die Sache nach Havet in Cata- Deutfchland ziemlich früh von diefer Gefetzgebung ab-
lonien und Arragonien, wo feit a. 1197 die feitherige wandte, wieder an diefe zu binden, find bekannt. Es
völlige Toleranz unvermittelt und ohne Zwifchenglied ab- j genüge zum Schlufs darauf hinzuweifen, wie unter der
gelöft wird von der gefetzlichen Todesftrafe für Aegide der Kirche auch in diefen beiden Ländern fich
Ketzer. ^ . jene Ausgleichung vollzieht, die wir zwifchen dem Norden

In Südfrankreich nimmt die Sache mit demKreuz- j und Süden Frankreichs wahrgenommen. Der Einflufs
zug von 1209 eine neue Wendung. Diefer, mit all feinen j eines Hierarchen deutfeher Abkunft bringt die Todes-
mafslofen Greueln von der Kirche über das Land ge- j ftrafe zum erften Mal in die italienifche Gefetzgebung;
führt, hat bekanntlich diefe bisher felbfländigen, ganz I ein i talie ni fcher Fanatiker verfchafft Deutfchland
eigenartig organifirten und entwickelten Länder unter den Segen der Umwandlung der bisherigen Praxis der
das nordfranzöfifche Joch gebeugt und mit nordfranzö- Verbrennung in einen reichsgefetzlichen Zuftand.
fifchem Wefen überfchwemmt. In Folge deffen dringt Doch bei diefem Ausgleich, in welchem jedes Gebiet
auch die Praxis des Nordens gegenüber der Ketzerei, [ dem andern fein Schrecklichftes übermittelt, wird die Uni-
der Feuertod, allmählich und nach längerem Kampfe j formität der Kirche auch in diefem Punkte hergeftellt.
durch. Während er aber im Norden nur Praxis gewefen | Diefe ganze Entwicklung ift eine deutliche Illuftration
war, wird er nun hier im Süden — im Anfchlufs an die ; zu dem Vorgang, der in derfelben Epoche auf einer
Entwicklung der letzten Jahrzehnte, welche die Ketzerei , ganzen Reihe von Punkten der kirchlichen Politik wahr-
zum weltlichen Verbrechen erhoben hatten — gefetzlich, zunehmen ift. Was die Kirche früher als Heidenthum
und verdrängt die bisherige gefetzliche Strafe des ; oder unchriftliche Sitte im Volk auszurotten beftrebt
weltlichen Bannes. Havet verfolgt diefe Entwicklung gewefen, das nimmt fie jetzt aus den Schichten des
forgfältig und weift dann des Näheren nach, wie jetzt j Volks, in denen es fich erhalten hatte, officiell auf und
andererfeits auch im Norden Frankreichs, offenbar drängt es mit all ihrer Macht und Gewalt denjenigen
unter Anlehnung an die Zuftändc des Südens, der Feuer- Schichten auf, die bis dahin fich davon frei gehalten
tod feinen Charakter als blofser Praxis und Sitte ver- hatten. Ich brauche in diefer Beziehung als Parallelen
liert und gefetzlich wird. Diefer Proccfs ift in ganz | nur noch die Gcfchichte des Verhältnifses der Kirche
Frankreich am Ende des 13. Jahrhunderts nach allen ; zum Aberglauben des Hexenwefens, der Teufelsbündnifse
Richtungen beendigt. u. f. w. zu nennen.

Ein ähnlicher Austaufch findet ftatt zwifchen Deutfch- | [Fortfetzune fol it 1

land und Italien. Ihn im einzelnen nachgewiefen zu haben, 8

ift Ficker's Verdienft. In Italien wie im füdlichen Frank- Berlin. Karl Müller,

reich ift zuletzt durch Innocenz' III. Bemühung als ge- j

fetzliche Strafe für Härefie der beftändige Reichsbann Comba, Prof. Emilio, Storia della Riforma in Italia, narrata
durchgedrungen. So auch Conc. Later. von 1215. An I col sussidio di nuovi documenti. Vol. I. Introduzione
diefes Concil fügt fich nun die berüchtigte Ge fetz- Firenze, 1881. (Leipzig, Hinrichs.) (XV, 588 S. gr. 8.)
gebung Friedrich's II. an, deren inneren Portfchntt M ' v r ' y 'D ö ;

Ficker in ausgezeichneter Weife entwickelt. Zuerft j *■ °-

a. 1224 tritt in einem der Lombardei geltenden Gefetz
die Todesftrafe wenigftens als facultative ein: Picker ver-
muthet mit Grund den durchfchlagenden Einflufs der

Ein italienifcher proteftantifcher Kirchenhiftoriker,
den Lefcrn diefer Zeitlchrift fchon vortheilhaft bekannt
durch feine Bemühungen um die Aufhellung der Ge-

deutfehen Praxis in der Perfon des päpftlichen Le- j fchichte der Waldenfer (vgl. Jahrg. 1881, Sp. 549L) und
gaten in der Lombardei, Erzb. Albrecht's von Magdeburg, j der Reformation in Italien (vgl. Jahrg. 1878, Sp. 225 ff.),
Für die definitive Feftfetzung der Todesftrafe in dem 1 unternimmt es, auf breitefter Grundlage eine Gefammt-
ftädtifchen Statut von Brescia 1230 und dem ficilifchen ; darftellung derGefchichte diefer letzteren zu geben. Dafs
Gefetz Friedrich's (1231) macht Ficker mit gröfster Wahr-I dies ein bedeutfames und verdienftliches Unternehmen