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Ausgabe:

1883 Nr. 13

Spalte:

296-298

Autor/Hrsg.:

Schanz, Paul.

Titel/Untertitel:

Commentar über das Evangelium des heiligen Lucas 1883

Rezensent:

Holtzmann, Heinrich Julius

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295 Theologifche Literaturzeitung. 1883. Nr. 13. 296

die, nicht eben wahrfcheinliche, Annahme, dafs ihm eine
andere Ausgabe vorgelegen, würde dergleichen nicht
entfchuldigen. Andere Fehler darf man als Druckfehler
gelten laffen, fo S. 418, Anm. 6, Z. 1 qui, lies quin;
S. 34, Anm. 3, Z. 4 Maria (das zweite Mal), lies Eva;

Abfchnitt, wo übrigens fchon Simons (Hat der dritte
Evangelift den kanonifchen Matthäus benutzt? S. 36 f.
41 f. 106) den Fortfehritt an der Hand des Matthäus
erwiefen hat, und als dritte Entlehnung gilt natürlich
hier, wo die Frage nach einer dem erften und dem

S. 213, Anm. 3, Z. 7 laseivae, lies laseiviae; S. 342, j dritten Evangeliften über Marcus hinaus zu Gebote ge-
Anm. 1, Z. 1 cp., lies ep.; S. 31, Anm. 1, Z. 20 virepserat, ftandenen Quelle in den Hintergrund gefchoben wird,
lies irrepserat. — Durch folche Beobachtungen an einem ' die grofse Einfchaltung. Die Ausführung ift durchweg
Theile der angeführten Stellen kann wohl nur das Ge- j fo, dafs fie dem Fachkundigen Anregung zu weiteren
fühl gröfsefter Unficherheit erzeugt werden, das es un- ' Gedankengängen bietet. Den nur oberflächlich mit dem
möglich macht, diefelben unverglichen anzunehmen oder j Problem Vertrauten dagegen dürften die oft beweislos,
zu verwenden. Wiffenfchaftlich vermag Ref. das Ver- ! dafür aber in fchroff pointirtem Ausdruck hingeftellten
fahren des Verf.'s auch hier nicht zu nennen. Urtheile des Verf.'s eher abftofsen, und von dem letzten

Auf Grund des dargelegten Thatbeftandes werden wir
dem Werke den Namen eines wiffenfehaftlichen Buches
folange nicht zugeftehen können, als nicht ausdrücklich
betont wird — was der Verf. fchwerlich zugeben wird

Theile, den ,Unterfuchungen über das Marcusevangelium'
(S. 57—80) kann fich auch Unterzeichneter nur wenig
angesprochen finden. Da mehrfach erklärt wird, dafs
unfer kanonifcher Marcus fchon dem Matthäus und Lucas

dafs katholifche und proteftantifche Wiffenfchaft ver- ' zu Grunde liegt (S. 25. 35. 80), ift es auch als aufserhalb
fchiedene Begriffe find. des eigentlichen Zweckes der Schrift gelegen zu bezeich-

ßonn_ Budde nen> wenn nunmehr, um die Grundlage für ein Leben

Jefu zu gewinnen, der kanonifche Marcus noch auf einen,

Jacobsen, Aug., Untersuchungen über die synoptischen etwa um die Hälfte kürzeren, Urmarcus zurückgeführt
Evangelien. Berlin, G. Reimer, 1883. (IV, 81 S. er. 8.) I wird ~ natürlich ohne jedweden, im Text der Seiten-

M. 2. —

I referenten gelegenen Anhaltspunkt. Die bei diefen ftar-
j ken Strichen geübte Art von Kritik erinnert überdies
Vorliegende Schrift liefert eine werthvolle und ! unliebfamft an die Correctur eines mangelhaften Schul-
felbftändige Unterfuchung der fynoptifchen Frage auf I heftes durch die Hand des Lehrers. Und doch wäre
kürzeltem Raum — ohne jedwede Auseinandersetzung 1 man zuweilen verfucht, felbft wieder den rothen Stift
mit Vorgängern und Mitarbeitern. Die ,Unterfuchungen zu ergreifen und z. B. die vielen Stellen anzuftreichen,

wo fich die Ausdrücke ,verrätherifch', .verräth fich' u. f. w.
häufen.

Strafsburg i. E. H. Holtzmann.

über das Matthäusevangelium' (S. 4—34) waren in ihrer
erften, den Parallelen mit Marcus gewidmeten, Hälfte
fchon 1881 im Programm des Friedrich-Werder'fchen
Gymnafiums erfchienen. Um nicht zu wiederholen, was
ich zum Lobe derfelben im erften ,Theologifchen Jah- Schanz, Prof. Dr. Paul, Commentar über das Evangelium
resbericht' (S. 52), gefegt habe, befchränke ich mich auf des hei|. Lucas Tübi F l88 (Vm ,J2 s_

gr. 8.) M. 7. 60.

Auch diefer Commentar hält fich auf der Höhe der
Brauchbarkeit feiner beiden Vorgänger (vgl. Jahrgang
1880, S. 108 f. 1881, S. 276 f.). Die Einleitung ift zwar
nicht befonders klar und durchfichtig, aber mit mufter-
hafter Sorgfalt gearbeitet und legtZeugnifs von achtungs-
werthefter Vertrautheit mit der neueren Literatur und

die Bemerkung, dafs was S. 4—20 über das Gefetz der
Abweichung in der Ordnung der Perikopen, über den
Urfprung der wefentlichften Differenzen und über das
ganze fchriftftellerifche Verfahren des Matthäus zu lefen
ift, faft ausnahmslos auf Beobachtungen ruht, für deren
Richtigkeit Brief und Siegel gegeben und deren Anerkennung
nachgerade von jedwedem gefordert werden
kann, dem es wirklich darum zu thun ift, die Synoptiker

rein aus fich felbft heraus und nicht aus eigenen Ein- 1 dem dermali^en Stande des kritifchen Proceffcs ab.

bildungen über das, was fie enthalten müfsten, zu ver- ■■ Die eigene Stellungnahme erhellt aus S. 15: ,Die Ge-
ftehen. Die zweite Hälfte des Abfchnittes behandelt ,die j fchichte der fynoptifchen Frage hat meines Erachtens

Spruchfammlung', welcher, wofern ihre Exiftenz überhaupt
zugegeben werden foll, nur ein geringer Umfang
beigelegt wird, und ,die Compofition der befonderen

nothwendig zu der Alternative Urmarcus oder Benutzung
der Logia durch Marcus gedrängt, weil es unleugbar ift,
dafs der kanonifche Marcus nach den Grundfätzen der

Beftandtheile des Matthäusevangeliums', wobei das Ab- : kritifchen Schule nicht in allen Theilen originell ift.
fehen durchweg darauf gerichtet ift, wo immer möglich t Diefes nachgewiefen zu haben bleibt jedenfalls das Ver-
der fchriftftellerifchen Freiheit, womit Matthäus feine j dienft der Weifs'fchen Arbeiten. Hat feine Beftimmung
Marcusvorlage verarbeitet, auf die Rechnung zu fchrei- i der Logia und deren Benutzung durch Marcus der Mar-
ben, was Andere aus der Benutzung weiterer Quellen, 1 cushypothefe den Todesftofs gegeben, fo kann diefer

namentlich der Spruchfammlung, ableiten möchten. We-
nigftens in der Mehrzahl der befprochenen Fälle kann
ich, ohne von meiner Auffaffung etwas preis zu geben,
dem Verfaffer beitreten; Anderes ift erneuter Prüfung

nicht paralyfirt werden durch Rückkehr zum durchaus
originellen Marcusevangelium. Man vereinfacht dadurch
zwar die Rechnung etwas, indem man einen unbekannten
Factor eliminirt, aber macht die Hypothefe um nichts

werth. j wahrfcheinlicher'. Den Beweis dafür habe ich zwar im

Die ,Unterfuchungen über das Lucasevangelium' (S. Commentar durchweg vergeblich gefacht, begreife aber
34 — 56) kennzeichnen fich durch das analoge Beftreben, vollkommen die Notwendigkeit eines derartigen Urtheils,
das dritte Evangelium ganz aus abwechfelnder Benutzung j auch für den Fall, dafs man, wie Verf. thut, die Abhängigkeit
des Lucas von Matthäus ftatuirt, aus dem
ein für allemal feftftehenden traditionellen Vorurtheil für
die Priorität des Letzteren. Da der Verfaffer felbft auf

der beiden erften zu erklären und Alles, was bei diefer
Verarbeitung feiner einzigen fchriftlichen Quellen etwa
den Eindruck des Originellen macht und auf weiteres

Quellenmaterial hinzuweifen fcheint, auf zufällige Urfachen | die das literarifche Verhältnifs betreffende Seite von

und fubjective Motive zurückzuführen. Auch hier ift
der Grundgedanke richtig, dafs nämlich Lucas fich anfänglich
an den ausführlicheren Matthäus hält, deffen
xaTalmcjv ti)v NaCagä 4, 13 die Antecipation Luc. 4,
16—30 ermöglicht, worauf er 4, 31 zu Mc. 1, 21 übergeht
. Die zweite Entlehnung aus Matthäus fällt zufam-
men mit dem fonft als ,kleine Einfchaltung' bezeichneten

der Sache geringen Werth legt, erfpare ich mir hier
weitereAuseinanderfetzungen darüber. Um fo beifälligere
Erwähnung verdient die Thatfache, dafs, wie allerdings
auch andere feiner katholifchen Fachgenoffen gethan
haben, unfer Erklärer der Traditionshypothefe wenig-
ftens bezüglich des dritten F.vangeliums den Abfchied
giebt. ,Bei Lucas fordert der Prolog die Benutzungs-