Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1883

Spalte:

217-218

Autor/Hrsg.:

Müller, Karl

Titel/Untertitel:

Göttliches Wissen und göttliche Macht des Johanneischen Christus 1883

Rezensent:

Weiß, Bernhard

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack und D. E. Schürer, Proff. zu Giefsen.

Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

N°- 10. l9- Mai 1883. 8. Jahrgang.

Müller, Göttliches WilTen und göttliche Macht hrsg. unter Leitung von v. Döllinger. III.

des Johanneifchen Chriftus (Weifs). (Brieger).

Shearman, Loca Patriciana (Loofs). j neyrchlag, der Altkatholicismus (Kattenbufch).

Glock, Die Predigtweife Luthers (Kawerau). ' . f ° •

Beiträge zur politiffhen, kirchlichen und Cultur- Gatzenmeyer Chnftkathohfches Gebetbuch

Gefchichte der fechs letzten' Jahrhunderte. (Kattenbufch).

Rieks, Der Altkatholicismus in Baden (Kattenbufch
).

Bassin, The modern Hebrew and the Hebrew

Christian (Kautzfeh).
Fr icke, Gottesgrlifse. Predigten. 1. Band

(Achelis).

Müller. Gymn.-Oberlehr. Dr. Karl, Göttliches Wissen und
göttliche Macht des Johanneischen Christus. Ein Beitrag
zur Löfung der Johanneifchen Frage. Freiburg i/Br.,
Herder, 1882. (III, 143 S. gr. 8.) M. 2. 50.
Der offenbar katholifche Verfaffer beginnt einleitend
mit einer wenig durchfichtigen Aufzählung und Beurthcil-
ung der Gegner und Vertheidiger der Gefchichtlichkeit
des johanneifchen Evangeliums, ohne dafs die fehr allgemeinen
Erörterungen, welche er gegen jene richtet,
etwas wefentlich Neues zur Vertheidigung des Evangeliums
beibringen. Der erfte Abfchnitt fucht dann aus
demfelben ein göttliches VViffen Jefu im eigentlichften

fche Auffaffung der joh. Wunderberichte bekämpft. Der
letzte der faft die Hälfte der Schrift umfafst, geht
endlich die Wunder im Einzelnen durch, fucht theils die
dagegen erhobenen gcfchichtlichen Bedenken (oft durch
fehr ausführliche und weitgreifende harmoniftifche Un-
terfuchungen) zu entkräften, theils bekämpft er bis ins
Detail ihre Erklärung als freie Dichtung, wobei er namentlich
auf Thoma's Verbuche, diefelben aus lauter
ATlichen Parallelen zu erklären, fehr viel ausführlicher,
als es diefe Spielereien verdienen, eingeht. Namentlich
bei den Heilungen wird fehr ausfuhrlich auf die angeblichen
Widerfprüche zwifchen ihnen und den fynopti-
fchen eingegangen, welche Schölten entdeckt haben will.

Sinne nachzuweifen und richtet fich befonders gegen j Bei der Speifung und dem Meerwandeln wird ausführ-
Luthardt. Das Selbftzeugnifs Jefu ift dem Verf. nur lieh die aus Johannes fich ergebende gefchichtliche

dann ,in formeller und materieller Hinficht unanfechtbar,
wenn es das Selbftzeugnifs des menfehgewordenen
Gottes ift'. Befonders eingehend behandelt ilt die Scene
am Grabe des Lazarus. Der ,allwiffendejefus' kann natürlich
nicht erft nach dem Grabe fragen; nur um feine

Situation erörtert, natürlich ift auch bei letzterem
durchaus kein Widerfpruch mit der fynoptifchen Erzählung
. In der Lazarusgefchichte wird ftreng darauf gehalten
, dafs das %3n o'Cti eine Thatfache ausdrückt, da
,nach logifchem Gefetz das Futurum zur Wahrfcheinlich-

ThYänen vor den gaffenden Juden zu verbergen und die 1 keitsbezeichnung dient'.

Trauer des Schwefterpaars möglichft abzukürzen, wünfeht | Die Schrift enthält ja manche gute Bemerkung

er eine Ortsveränderung und, um alle Anwefenden in
gleicher Weife für diefe Ortsveränderung zu intereffiren,
fpricht er: ,Wo habt ihr ihn hingelegt?'. Joh. 9, 35 fagt

gegen die kritifchen Auffaffungen des joh. Evangeliums
und zeigt eine anerkennenswerthe Belefenheit in der
Literatur der johanneifchen Frage, auch in der dem

,nach Wortlaut und Zufamenhang' nicht, dafs Jefus , Verf. ganz antipathifchen. Aber fie bewegt fich doch
erft durch Hörenfagen von der Excommunication des im Ganzen auf einem fo durchaus dogmatiftifchen Boden,
Blindgeborenen Kenntnifs erhalten, und die Frage Joh. dafs für eine eigentlich wiffenfehaftliche Auseinander-
18, 34 hat, wie 11, 34, nur die Abficht, auf die gefragte j fetzung mit ihr faft jeder Anknüpfungspunkt fehlt.
Perfon in lebhafter Form einzuwirken. Im 2. Abfchnitt i Berlin. )r Weif

werden zuerft die Zeugnifse für Jefu gottgleiche Wirk-
famkeit aufgeführt. Die Worte Joh. 5, 17 gehen auf
feine Allmacht und der Beweis, den Beyfchlag dagegen
aus 5, 19 fuhrt, beruht lediglich auf der Verkennung
davon, wie Jefus die Gegner allmählich von der rein meta-
phyfifchen Höhe durch die gottmenfehliche Region nach
dem rein heilsgefchichtlichen realen Boden zu führt, um
in all diefen Entwicklungsftadien allfeitig zu beweifen,
dafs fich in ihm die göttliche Macht offenbare. Wenn
Jefus hier alfo fcheinbar feiner Allmacht Widerfprechen-
des fagt, um den Stimmungsgrad der Gegner herabzumindern
, fo thut er es 14, 10 ff., um die gläubige
Gefinnung zu befefligen und zu fteigern. Da ,nur die
iibfolute Stellung der Perfon Jefu im metaphyfifchen
Sinne der hinreichende Grund für die Abhängigkeit aller
Menfchen von leiner Perfon ift', fo mufs das navxa 3,
35. 13, 3 im abfoluten Sinn gefafst werden. Alle Stellen,
aus denen Beyfchlag gegen eine göttliche Natur des im
Fleifche Wandelnden argumentirt, darf er nicht dafür
verwerthen, ,weil fie offenbar die menfehliche Natur behandeln
'.

Sodann handelt der Verf. von den joh. Wunderberichten
im Allgemeinen, wobei er Baur's Gefammt-
auffaffung des Evangeliums und insbefondere feine Erklärung
des Prologs, gelegentlich aber auch die Beyfchlag'-

Shearman, Rev. John Francis, Loca Patriciana: an identi-
fication of localities, chiefly in Leinster, visited by
Saint Patrick and his assistant missionaries and of
some contemporary kings and chieftains. With an
essay on the three Patricks, Palladius. Sen Patrick,
and Patrick Mac Calphurn, apostles of Ireland in the
fifth Century. New edition. Dublin, Gill & Son, 1882.
[London, Bums & üates.j (XVI, 495 S. gr. 8.) Cloth.
7 s. 6 d.*)

Wohl jedem deutfehen Referenten wurde es gegenüber
den mühfamen Forfchungen, deren Refultate Rev.
John Francis Shearman in diefem Buche feinenirifchen
Landsleuten vorlegt, etwa fo zu Muthe fein, wie unfere
Phantafie es einem Zwerge anfinnen müfste, der auf eine
Höhe geftcllt zu der Erkenntnifs käme, dafs er auch die
Riefen im Uiale überrage. Stiegen wir nämlich von der
Höhe unferer hiftorifchen Methode hinab zu dem Verfaffer
in die Ebene mittelalterlicher Hiltoriographie, fo

*) Die Redaction hat den Herrn Recenfenten erfucht diefes Werk
ausführlicher zu hefprechen, da die irifchen kirchenhiltorifchen Arbeiten
in Deutfchland unbekannt find.

2I7 218