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Ausgabe:

1883 Nr. 9

Spalte:

201-203

Autor/Hrsg.:

Glock, W.

Titel/Untertitel:

Notburga, ein Bild aus Badens Sagenwelt 1883

Rezensent:

Loofs, Friedrich

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Theologifche Literaturzeitung. 1883. Nr. 9.

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hat. Die Bemerkung, dafs man ,den Heidenchriften diefe j Badifches Sagenbuch (1846) S. 587 not.), es ift alfo nicht
Rückfichtnahme nicht als vofiog. oder xgccxrilog (Act. 15, ! des Verf.'s Verdienft, die Sage ,der Vergeffenheit ent-
10) auflegte' (S. 296), weifs ich durch keine Conjectur i riffen' zu haben. In dem IV. Abfchnitt des Büchleins (,Die
zurecht zu Hellen. Da fo völlig unmögliche Sätze vor- i Notburgafage') ift deshalb nur die hiftorifche Würdigung
kommen, wie S. 343, Z. 14 v. u., weifs man zuletzt j der Erzählung des Verfaffers eigenfte Arbeit. Abfchnitt
nicht, ob Sätzen, wie S. 354, Z. 14 ff., S. 371, Z. 21 v. ! I. und II. (I. ,Die Neckarthalbahn'. II. .Mosbach') S. 1—18
u., S. 389, Z. 12 v.u., noch durch Annahme eines Druck- geben eine Art geographifcher Einleitung; fie find im
fehlers zu helfen ift. Eehlt es doch auch fonft nicht an Reifehandbuchftil gefchrieben und haben für den Hiftoriker
Spuren von Flüchtigkeit. So wandert Paulus nach kein Intereffe. Wichtig dagegen ift der III. Abfchnitt
S. 373 zu Fufs, um auf dem Wege noch von den j ,Die Notburgakirche'. Der Verf., Pfarrverwefer in
Chriften Abfchied zu nehmen, während er es S. 375 aus Hochhaufen, befchreibt die Kirche aus eigner Anfchauung.
Gefundheitsrückfichten thut; fo war nach S. 221 der i Das Grabmal der Notburga und der bei einer Reftauration
vierte Tag von Cornelius als Faftentag begangen worden, im Anfang unfres Jahrhunderts leider theilweife zerftörte
während S. 220 mit Recht das vrjoxevtov xui geftrichen Notburgaaltar find für die Kritik der Sage wichtig,
ift- fo wird S. 253 TtQOXtjfrVTTtlv, weil es nur noch Act. I Notburga foll eine Tochter des Frankenkönigs
3, 20 vorkommt, als Zeichen für die lucanifche Faffung Dagobert I (622—638) gewefen fein. Um nicht, wie
angegeben, obwohl dies Wort S. 119 mit Recht an der Vater wollte, dem heidnifchen Wendcnfürften Samo
jener Stelle verworfen. Daher allein begreift ftch die 't vermählt zu werden, entfloh fie von dem Schlöffe ihres
häufige Ungenauigkeit in den Angaben über andere An- 1 Vaters, der damals in Mosbach oder Hornberg Hof hielt,
lichten, cregen welche polemifirt wird. Ich wenigftens Doch ihr Verfteck ward durch die Hirfchkuh, die von

des Königs Tafel der Jungfrau Nahrung zutrug, dem
König verrathen, er wollte fie am Arme aus der Höhle
herausziehen, behielt aber nur den Arm in der Hand,
und die Jungfrau lebte, wunderbar geheilt, noch lange
Zeit in ihrer Höhle zum Segen für die umwohnende
Bevölkerung.

Ein Wendenfürft Samo — übrigens von Nation ein
Franke — hat nach PVedegar's Chronik Capp. 48, 68, 74, 75
mit Dagobert in Fehde gelebt. Es könnte einmal Frieden
rf.aoaouv.nrxu 7, 30 mit den idi xtxQaxöoia 7, 6 confun- gefchloffen fein zwifchen beiden, und der Kaufpreis in

glaube mich deutlich genug ausgedrückt zu haben, um
die verkehrte Angabe, dafs ich Act. 12 für ein Stück
der von Papias bezeugten Aufzeichnungen des Johannes
Marcus halte (S. 26), nicht zu vcrfchulden, oder die, dafs
ich, wie jeder Lefer es verftehen mufs,' AhpaLov gleicherweife
auf Matthaeus, Thomas und Jacobus beziehe (S. 81);
und auch über die Anflehten von Meyer-Wendt finde ich
S. 75. 91. 109. 370 falfche Angaben. Nur folcher Flüchtigkeit
kann es zugefchrieben werden, wenn die Äij

dirt werden (S. 163, Z. 4 v. u.). Man empfängt hieraus,
wie aus vielem Anderen den Eindruck, dafs der Verf.
noch ungleich Tüchtigeres hätte leiften können, wenn er
(ich für die gründliche Durcharbeitung feines Commen-

diefem Frieden könnte eine Tochter Dagobert's gewefen
fein, — fo argumentirt der Verf. Ja, was könnte nicht
alles paffirt fein, wenn man das alles, was in den Legenden
nicht fofort durch den Wunderputz fich als erdichtet er-

tars etwas mehr Zeit genommen hätte. weift, als ,gefchichtlichen Kern' gelten liefse! Dadurch

Die Zeitungen berichten, dafs der Verf. an Philippi's
Stelle nach Roftock berufen fei. Wir können ihm dazu
nur von Herzen Glück wünfehen und hoffen, dafs fein

dafs ,der Kern der Notburgafage' ,ohne unlösbare
Schwierigkeiten mit den gefchichtlichen Ueberlieferungen
fich in Einklang bringen' läfst, ift ein ,factifcher Hinter-

energifches wiffenfchaftlich.es Streben noch manche rei- j grund' für die Sage noch nicht erwiefen. Aufserdem
fere Früchte zeitigen wird, wenn ihm die neue Stellung find die Schwierigkeiten, die der Verf. z. Th. felbft berührt,
mehr Zeit zu umfaffenderen und allfeitigeren Studien j doch wohl gröfser, als er glaubt. Schon im Jahre 632

wird. Er wird fich dann auch vielleicht überzeugen
, dafs eindringendere Schriftforfchung mit manchen
hergebrachten Vorftellungen zu brechen nöthigt,
die er heute noch hartnäckig vertheidigt, und dafs dies
dem Glauben keinerlei Abbruch thut.

Berlin. Weifs.

wurde den Raubzügen der Wenden ein Ziel gefetzt
(Fredeg. c. 75 cf. Bonneil, Die Anfänge des karoling.
Haufes p. 102), auch Glock fetzt den Friedensfchlufs, den
er annimmt, fpäteftens ins Jahr 633. Dafs nun — von
anderem abgefehen—Dagobert damals eine heirathsfähige
Tochter gehabt habe, ift, wie mir fcheint, viel unwahr-
fcheinlicher, als Glock zugiebt. Denn, als Chlotar IL 622

Glock, Pfarrverwefer W., Notburga, ein Bild aus Badens g™». Soto« Dagobert die felbftändige Verwaltung
,. ' , Tr , , ' .rr „' c ol „ f. Aultrahens ubergab, war Dagobertgewifsnochnicht i8Jahr
Sagenwelt. Karlsruhe, Reiff, 1883.(62 S. 8.) M. -.60. ! alt> wk Qlock annimmt. Arnulf von Mctz und Pippin

Es würde nicht nöthig fein, dies kleine Büchlein, von Landen ,überwachtcn die Jugend des Königs und

das nach Inhalt und Ausftattung mehr der belletriftifchen regierten das Land in feinem Namen' (Bonnell). Dagobert's

als der wiffenfehaftlichen Literatur angehört, hier zur An- erftgeborner Sohn Sigbert ift—allerdings von feiner dritten

zeige zu bringen, wenn nicht der Verfaffer aufscr feinem Gemahlin — erft 629 geboren.

Hauptzweck, ein Stück der badifchen Sagengefchichte Immerhin ift es auffällig, dafs die Volksfage den

feinen Landsleuten zur Unterhaltung vorzuführen, auch
den Nebenzweck verfolgt hätte, die Notburgafage dem
,unbefangenen Gefchichtsforfcher' anzupreifen als ,ein
getreues Spiegelbild jener Zeit', in der fie fpielt.

Die Notburga, von der das Büchlein handelt, ift nicht
die den Tyroler Reifenden bekannte Heilige von Rottenburg
in Tyrol (7 angeblich 13. Sept. 1313), die einft, als

Namen des Wendenfürftcn Samo noch heute kennt, und
in diefer Thatfache liegt die Aufforderung zu einer
hiftorifchen Unterfuchung der Notburgafage. Glock hat
diefe Unterfuchung nicht gegeben. Viel zu fchnell fchon
wird er mit den verfchiedenen Verfionen der Legende
fertig. Die Abweichungen derfelben von einander find bedeutender
, als man nach Glock's Mittheilungen erwartet.

fie nach der Vesperglocke des Sonnabends noch arbeiten Eine eigentlich hiftorifche Würdigung ift kaum verfucht.
füllte, ihre Sichel mit folcher Glaubenskraft in die Luft j Diefelbe mufste zunächft feftftellen, wie alt die Verwarf
, dafs fie dort hangen blieb, fondern eine Heilige ehrung der Notburga im Neckarthale ift. Läfst fich aus
des Neckarthales, die noch von keinem Papft canonifirt, literarifchen Quellen darübernichtsentnehmen, fo wird man
noch von keinem Hagiographen gefeiert ift, aber fchon ; auf eine kunitgefchichtliche Unterfuchung des Altars und
vor der Reformation in Hochhaufen am Neckar ihre des Grabmals angewiefen fein. Was Glock in diefer
Kirche hatte. Was der Volksmund fich von diefer Not- Hinficht bemerkt, macht nicht den Anfpruch, eine kunft-
burga erzählt, ift, wie der Verf. wohl weifs, fchon oft J gefchichtliche Unterfuchung zu fein. Dafs der Altar im
gedruckt worden (vgl. die Literaturangaben bei Gebr. j Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts in den Niederlanden
Grimm, Deutfchc Sagen (1816) S. 450 und bei Schnezler, | gemalt fei, ift trotzdem ganz wahrfcheinlich (ein eignes