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Ausgabe:

1882 Nr. 7

Spalte:

154-157

Autor/Hrsg.:

Burrows, Montagu

Titel/Untertitel:

Wiclif‘s place in history. Three lectures delivered before the University of Oxford in 1881 1882

Rezensent:

Lechler, Gotthard Victor

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Theologifche Literaturzeitung. 1882. Nr. 7.

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bekannten punifchen Steine nur beipflichten. In der
erfteren fcheint uns jedenfalls foviel klargeftellt zu fein,
dafs die Worte: ,ein Haus dem Baal von Sidon und ein
Haus der Afchtoret bsp 013- zwei Häufer und damit
auch zwei Götter vorausfetzen. Man mag alfo die
fchwierigen Worte bya DiO erklären wie man will, fo werden
fchon aus diefem Grunde Baal und Aftarte nicht das-
felbe Wefen fein können. Jene Worte nun glaubt Dillmann
r;ja $gj (= rrpd) lefen zu follen; er nimmt dann
die Worte ö«J nirna» eng zufammen, fo dafs Vs'3 nicht zu
Ott allein, fondern zu beiden gehören würde, woraus
fich die Erklärung ergiebt: ,die Himmelsaftarte Baals',
alfo wohl = die Himmelsbewohnerin, die Frau des Baal.
Es fcheint uns, man könnte die noch fo vielfach vorgetragene
Ucberfetzung: ,Der Aftarte, dem Namen Baals'
neben den Gründen Dillmann's aufserdem auch mit dem
einfachen Hinweis auf die Grammatik widerlegen, die in
diefem Falle den Dativ '3 BH'b forderte. Derfelbe Grund
ift mir auch für die Erklärung der bekannten Anfangsformel
der punifchen Steine mafsgebend. In der Zu-
fammenftellung y:r, bfisb iTKbi bso ib rrrrvb rvaib können
die Worte '3 is kein Dativ fein. Hatte man im ganzen
Satze vier b gefchrieben, fo konnte man auch noch ein
fünftes fchreiben, wenn '3 33 Appoütion fein follte. Damit
ftimmt Dillmann's Ueberfetzung: ,Tanit des Gefich-
tes Baals', fo dafs derfelbe mit Recht fagen kann: .aus
allen diefen angeblichen Beweifen erhellt nicht, dafs es
eine Aftarte-Tanit gab, die man für Baal felbft fetzen
oder 1) Bauk nennen könnte' (S. 10).

Ift fonach ein weiblicher Baal überhaupt nicht nach-
zuweifen, fo ift ein anderer Grund für jene Schreibart
der LXX zu fuchen. Als Wegweifer dienen die mit
Baal zufammengefetzten Namen der Chronik Efchbaal,
Meribaal etc. und Jerubbaal Jud. 6, der Ausfpruch Ho-
fea's 2, 18 f. und die Aenderung jener Namen in den
Büchern Samuelis in Ifchbofchet, Mephibofchet, Jerub-
bofchet etc. Die Aenderung ift Ausflufs des von Ho-
fea ausgefprochenen Abfcheus vor dem Baalnamen,
den der ängftlich fromme Sinn der fpäteren Gemeinde
immer weiter ausdehnte. Doch kam man bald ,von dem
Beftreben, den Baalnamen auch aus der Schrift zu vertilgen
, .....das in den B. B. Sam. ziemlich durchgeführt
wurde, glücklicherweife und aus Refpect vor dem
gefchriebenen Buchftaben wieder ab, und befchränkte
fich darauf, denfelben nur im Lefen zu vermeiden'.
Dies zeigen die Ueberfetzungen. Die LXX hat in 1 Reg.
18, 19. 25 für b~a~ /) alo%uvr), die Ueberfetzung von rvjja,
fonft aber in diefem Capitel n Baak. ,In diefem Wider-
ftreit zweier Grundfätze war ein Ausweg, der aber nur
im Griechifchen, nicht im Hebräifchen, möglich war,
nämlich zwar Baak in der Schrift zu belaffen, be-
ziehungsweife wiederherzuftellen, aber ihm den Artikel
von aloyvvrj, was die Scrupulöferen dafür fprachcn, beizugeben
'. Diefer Auskunft gemäfs verfährt die xoivi]
der LXX vielfach, am confequenteften im Buch Jeremia;
auf ihr beruht die Verbindung rj Baak.

Wir zweifeln nicht, dafs damit der Grund für diefe
höchft merkwürdige Redensart endgiltig gefunden ift.
Ref. fpricht dies um fo unverhohlener aus, als ihm ganz
kürzlich, während der Abfafiung diefer Zeilen, auf dem
Wege der zufälligen Privatvermittlung eine eigens gegen
diefe Aufftellungen Dillmann's gerichtete Gegenfchrift zu
Geficht gekommen ift. Diefelbe fcheint ein Separatabdruck
aus einer gröfseren dem Ref. nicht zugänglichen
Zeitfchrift zu fein, ift bei J. Windolff in Berlin 1881 ge- i
druckt unter dem Titel: ,Baal im neuen Teftament.
'H Ik'tak', und führt die halbanonyme Unterfchnft P. C. I
(Prof. Paulus Gaffel?). Da diefelbe jedenfalls einen Mann
von Kenntnifsen zum Verfaffer hat, fo fei hier noch |
etwas auf fie eingegangen. Herr P.C. tritt den Nach-
weis an, dafs die Verfion Baal durch alayvitj ,nicht fowohl
erfetzen als überfetzen wollte'(434). Allein wie kann denn
aiayvvr, als Ueberfetzung, als wörtliche Wiedergabe

für Baal gelten follen? alayort] ift und bleibt Ueberfetzung
von ns?a und es kann fich für Herrn C. nur um
eine andere Erklärung diefes Wortes handeln, worauf er
auch fpäterhin abzielt. Wie aber ftimmt der vorhin angeführte
Satz zu dem nachherigen Refultat, dafs aloyj ' r
die Ueberfetzung von Baal fein foll? Derfelbe lagt
dann 435; ,Der weibliche Artikel an fich konnte dem
Volke nicht fagen, dafs man das gefprochene Baal nicht
ausfprechen folle, denn auch die edelften Dinge des
geiftlichen Lebens waren weiblich'. Damit ift jedoch
Dillmann's Meinung gar nicht getroffen. Denn nicht der
weibliche Artikel an fich, fondern der von aioyj'vi.
das zur Zeit der Entftehung jenes Brauches noch für
Baal geläufig ift, kommt in Betracht. Weiterhin können
wir in dem sub 2 Erörterten Herrn C. nicht ganz von dem
Vorwurfe freifprechen, dafs er ein genügendes Eingehen
auf die Ausführungen Dillmann's vermiffen läfst. Er beftrei-
tetdienachunfererMeinung zweifellos erwiefeneThatfache,
dafs niü3 zur Vermeidung und Umgehung des verhafsten
Namens Baal gebraucht wird, wobei aber feine Ausführungen
auf S. 436 unten und 437 oben einfach igno-

| riren, was fein Gegner S. 15 zur Erklärung des auffallenden
Verhältnifses zwifchen Samuel und Chronik anführt
. Auch die überflüffige Frage: warum 1 Kön. 16, 31
der Vater der Ifebel Etbaal und nicht Ifchbofchet heifse
(437), müffen wir hierunter befaffen, da ja Etbaal nicht
nur Heide ift, fondern da das Königsbuch überhaupt in
feiner jetzigen Geftalt faft immer Baal belaffen hat. Die
1 Erziehung der Stellen Hof. 9, 10 und Jer. 11, 13 für
die Verfchiedenheit von Baal und Bofchet beweift nichts,
da ja der Parallelismus der Glieder ganz wohl die Wiederholung
desfelben Begriffes mit anderen Worten zu-
läfst, wogegen Jer. 3, 24 überhaupt nichts befagt.

Wird nun sub 3 die Hypothefe aufgeteilt, dafs Bo-

I fchet vielmehr eine eigene Gottheit bedeute und die
hebraifirte Baft fei, fo kann ja immerhin zugegeben werden
, dafs in einzelnen Stellen mit n23 möglicherweife
dem Schreiber der Anklang an Baft zum Be-
wufstfein kam ; obwohl folche Möglichkeiten immer etwas
äufserft Vages haben. Allein was ift damit für
zj Baak gewonnen? Denn nach wie vor ift in jenen
Namen der Samuels- und Chronikbücher Bofchet und
Baal identifch. Oder follte etwa überall, wo die LXX
Z> Baak haben, factifch trotz des im Urtext flehenden

I byan gar nicht Baal, fondern Baft gemeint fein?! Sollte

j das ganze Buch Jeremia oder deffen Ueberfetzer gar
nichts von Baal, fondern nur von Baft wiffen? Oder

j aber ift es die Meinung des Herrn C, dafs nur Bofchet
= Baft fei, nicht aber rj Baak, fo fleht er für die Erklärung
des letzteren auf dem alten Fleck, — er kann
es weder bei Paulus noch bei den LXX irgendwie befriedigend
erklären, wie befonders die höchft ungenügenden
Bemerkungen über die LXX auf S. 443 beweifen.
Stuttgart. Dr. Rud. Kittel.

Burrows, Montagu, Wiclif's place in history. Three lec-
tures delivered before the University of Oxford in
1881. London 1882, Wm. Isbifter. (VI, 129 S. 8.)

Diefes Büchlein verdient alle Beachtung von Seiten
deutfeher Freunde der Gefchichte, insbefondere kirchen-
gefchichtlicher Forfchung. Dasfelbe läfst fich zu denjenigen
Leiftungen rechnen, welche man mit dem Namen
,Rettungen' bezeichnet hat. Nicht für Deutfche bedarf
die Perfon und das Werk Wiclif's einer .Rettung' d. h.
der Rechtfertigung angefichts im Schwange gehender Verkennung
. Wohl aber bedurfte und bedarf Wiclif einer
Rechtfertigung mittels gründlicher Beleuchtung und echt
gefchichtlicher Auffchlüffe über ihn, angefichts des bei
Engländern heute noch weit verbreiteten Mangels an
Kenntnifs des Mannes, ja der vielfach vorhandenen
Verkennung feines Werthes. Diefem Mangel abzuhelfen
ift aber nicht der einzige Zweck des Verfaffers. Er

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