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Ausgabe:

1882

Spalte:

152-154

Autor/Hrsg.:

Dillmann, August

Titel/Untertitel:

Ueber Baal mit dem weiblichen Artikel 1882

Rezensent:

Kittel, Rudolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1882. Nr, 7.

152

pien ift, ohne jeden näheren Zufatz eine afiat. Landschaft
bezeichnen und hier follte Gichon jenes Zufatzes
bedürfen, obwohl ihm fchon eine vollftändig ausreichende
Beftimmung hinzugefügt ift? Man erhebe doch an die
Beweisführung anderer keine höheren Anfprüche als an
die eigene! Allerdings hat bisher ein dem Gichon ent-
fprechender Name des weifsen Nils nicht nachgewiefen
werden können und wir ftimmen Del. bei, dafs Gichon
ebenfo wie Pifchon neben Euphrat, Tigris, Kufch, Cha-
wila, Affur kaum frei erfunden find, höchftens nach dem
Geift der hebr. Sprache aus einheimifchen umgeftaltet
worden find (pp. 20. 74). Aber diefes Schickfal theilt
unfere Auffaffung mit jeder anderen, auch mit der von
Del. Del. hat felbft nicht den Muth, feine Identificirun- j
gen des Pifchon und Gichon mit den entfprechenden 1
einheimifchen babylon. Namen für ficher auszugeben.
Meines Erachtens gehören diefe Ausführungen pp. 73 — 77
zu den fchwächften Partien des Buches. In einer Flufs-
lifte findet fich in Verbindung mit Tigris und Euphrat
ein Ka-ga-an-de. Ka foll auch Gu gelefen werden können
, ohne dafs die Lefung belegt wird. Des läftigen de
entledigt er fich durch Hinweis auf ein kleines Fragment
, welches vielleicht eben diefen Namen in der
Schreibung ka-g'a-an-na darbietet, alfo ohne de, dafür
mit der Vocalverlängerung na. So erhalten wir glücklich
ein Gugäna, Guhäna, ,das fich mit dem bibl. Gihön lautlich
genau deckt'. Und nun gar der Nachweis für das |
babyl. Aequivalent des Pifchon! Das Affyr. befitzt ein
Wort pisanu, das Krug, Urne, aber auch Rinne, Graben,
Baffin , Flufsbett, Wafferleitung, Kanal (?) bedeuten foll. I
So fei nun wohl der Pallakopas genannt, als der Kanal I
v.ax iS.ny^y. Das glaube wer's glauben kann.

Wenn aber die Paradiefeserzählung dem Tigris und
Euphrat einen einheitlichen Urfprung beilegt, fo kann
es nicht auffallen, Wenn fie aus derfelben Quelle auch
den Nil und vielleicht Indus, falls Pifchon = Indus, was
mir allerdings höchft zweifelhaft ift, entfpringen läfst, zumal
die Vorftellung des afiatifchen Urfprungs des Nils
bekanntlich auch fonft im Alterthum nachweisbar ift !
(f. Del. pp. 22. 23. in).

3) Auch Del.'s BeflimmungChawila's fcheint mir ganz
unhaltbar. Damit ift das an erfter Stelle genannte Product i
diefes Landes nicht zu vereinigen. Das ganze Alterthum
weifs nichts davon, dafs in Südbabylonien an den Münd- j
ungen des Tigris und Euphrat Gold gewonnen wurde
und nun gar befonders reichliches und gutes! Del. ver- I
weift uns allerdings auf II R. 67 Obv., wo uns berichtet j
wird, dafs Merodachbaladan dem affyr. König Gold, den
Staub feines Landes, dargebracht habe (f. p. 60). Aber i
entweder ift diefer Zufatz als hyperbolifche Bezeichnung !
des Reichthums Merodachb. zu verftehen, der Gold wie j
Staub feines Landes befafs — die Weglaffung des ver- j
gleichenden ,wie' wäre ganz der femit. Darftellungsweife
entsprechend — oder wir haben anzunehmen, dafs Me- ;
rodachb. auch über goldfpendende Gegenden Arabiens
herrfchte, fo auch Halevy in feiner Recenfion Delitzfch's
in Revue critiq. Nr. 50. 51, p. 478, die mir erft zu Ge- j
fichte kam, nachdem meine Kritik fchon fertig geftellt
war, auf die ich hier aber noch befonders aufmerkfam
gemacht haben will. Wenn übrigens unter dem kufchit.
Chawila Gen. 10, 7 ein afrikan. Stamm refp. eine afrikan.
Landfchaft zweifellos zu verftehen ift, fo dürfte unfer
Chawila, das auch hier im engen Zufammenhange mit
Kufch genannt wird, mit Wetzftcin gleichfalls in Afrika
zu fuchen und dann Pifchon wohl als Bezeichnung des
blauen Nils vielleicht zufammen mit der Strecke des
Nils etwa von Chartüm bis Aswän zu faffen fein. Doch
mufs ich auf eine nähere Begründung diefer Anficht hier |
verzichten. Auch auf weitere Einzelheiten einzugehen, verbietet
mir leider der Raum. Findet fich in dem Buche
zerftreut manche beachtenswertheBemerkunginsbefondere
aus dem Gebiet der Affyriologie, fo doch auch noch gar
Manches, was entfehiedenen Widerspruch herausfordert.

Hierzu rechne ich feine meines Erachtens ganz mifsglück-
te Erklärung des babyl. Urfprungs von mrr, auf die
ich mir vorbehalte, an anderer Stelle zurückzukommen,
fowie was er über hs und die Ableitung von nü aus
dem Pron. bmh vorbringt (f. p. 158 flg.).

Schliefslich ergreife ich gern diefe Gelegenheit, um,
da der Schlufs meiner Recenfion Hommel's in diefer Z.
Nr. 25. 1881 Anlafs zu Mifsverftändnifsen gegeben hat,
ausdrücklich zu erklären, dafs mir jener Geift der Ueber-
hebung, der in den Schriften jüngerer Gelehrten, die
fleh mit Vorliebe als Schüler Friedr. Del.'s bezeichnen,
gelegentlich fein Wefen treibt, in den früheren Schriften
wie der vorliegenden des Lehrers nicht entgegengetreten
ift und ich daher Fr. Del. zum Urheber jener metho-
difchen madness, von der ich dort fprach, weder habe
ftempeln können noch wollen.

Roftock. Fr. Philippi.

Dillmann, Prof. D., Ueber Baal mit dem weiblichen Artikel

(/) Baal). Separatabdruck aus dem Monatsbericht
der Königl. Akademie der Wiffenfchaften zu Berlin
1881. (20 S. gr. 8.)

Ein Blick auf jeden befferen Commentar zum Römerbrief
beweift, dafs das m Baal in Rom. 11, 4 längft
eine Crux der Exegeten bildete. Die Frage: woher der
weibliche Artikel bei Baal hier wie an vielen Stellen
der LXX flamme, ift in der vorliegenden Schrift des
hochgefchätzten Berliner Gelehrten zum Gegenftand einer
ungemein forgfamen und fcharflinnigen Erörterung gemacht
. Wir bringen diefelbe um fo lieber in diefen
Blättern zur Anzeige, als fle — wenn auch in den Sitzungsberichten
der Berliner Akademie der Wiffenfchaften
gedruckt und im Separatabdruck an die Mitglieder des
Berliner Orientaliften-Congreffes vom October 1881 vertheilt
— doch als Einzelfchrift nicht im Buchhandel erschienen
und Somit auch Manchem, der fich für ihren
Gegenftand intereffiren kann, Schwerer zugänglich ift.

Dillmann will in feiner Schrift eine neue Erklärung
für das rj Baal geben und zugleich feine Verwendung
,für eine gewiffe mythologische Theorie, wie fie neuerdings
mehrfach beliebt wurde, befeitigen helfen'. Es
werden demgemäfs die früheren Erklärungen, foweit fle
Beachtung verdienen, aufgezählt und verworfen (die ältere
, dafs ein weibliches Appellativum, etwa el/Mv, zu
fuppliren fei; die von Gefenius und Ewald, die in der
Verweiblichung des Namens die Abfleht, den Gott verächtlich
zu machen, erkennen; die von Reiche und
FritzSehe, wornach die Helleniften den Namen Baal Sowohl
für den männlichen Gott als für feine weibliche
Syzygic gebraucht, alfo das Wort ,Baal' für doppelgeschlechtlich
gehalten hätten), worauf die neuefte Erklärung
, wie fle befonders Schlottmann vorgetragen hat:
die Alten haben die Gottheit Baal als männlich und
weiblich zugleich, d. h. als androgyn gedacht, einer eingehenden
Prüfung unterzogen wird. Es mufs für Jeden,
der für die Entzifferung und mythologische Verwerthung
der althebräifchen InSchriften einiges Verftändnifs hat,
von höchstem Intereffe fein, eine Reihe derfelben hier
von fo kundiger, bewährter Hand an einem der wich-
tigften Punkte neu unterfucht zu finden. In der Wortverbindung
Asehtor-Kembseh der Mefchainfchrift, die
Schlottmann als ein Verhältnifs der Coordination dar-
ftellend auffafst (,der Afchtor, welcher Kemofch ift'),
erkennt Dillmann mit Ed. Meyer u. A. zwei im Verhältnifs
der Subordination Stehende Begriffe (,Die Afchtor
des Kemofch', als deffen Tochter oder Weib).
Die Göttin Afchtor bleibt eben damit weiblich und hat
keinen androgynen Charakter. Wir finden die von Dillmann
gegebene Beweisführung durchaus einleuchtend.
Ebenfo können wir feinem Rcfultat über die Sarkophag-
infehrift des Efchmunazar und die Einleitungswortc der