Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1882 Nr. 6

Spalte:

132-134

Autor/Hrsg.:

Hauréau, B.

Titel/Untertitel:

Bernard Délicieux et l‘inquisition albigeoise, 1300 - 1320 1882

Rezensent:

Mueller, Karl

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

i3i

Theologifche Literaturzeitung. 1882. Nr. 6.

132

die Vorausfetzung des paffiven unov.., elg nur das Ziel j
ebendesfelben, nicht eines durch nichts angedeuteten
Fortfehritts des Glaubens fein. Wenn da der.,Verf. erklärt
: ,mit dem Wachsthum des Glaubens als der bedingenden
Vorausfetzung (ex) hält das ujioyialvnxeairaL gleichen
Schritt und treibt den Glauben, immer weiter zu
wachfen', fo verdoppelt er das e/. und verfährt als hiefse
es: unter Vorausfetzung (ex) eines Wachsthums von (ex)
Glauben zu Glauben. Von diefer grammat. Unklarheit
aus kommt der Verf. zu einer an Michelfen fich an-
fchliefsenden Erklärung von t, 18, wonach fich das Ev.
im Glaubenden als (von Gott gewirkte) fittliche Be-
fchaffenheit(l) offenbart, und zu der Behauptung, 1, 19
fei eine fubjective Enthüllung, für den Glaubenden als
erfte Wirkung des Ev. gemeint, wogegen der objective
Charakter der folgenden Darfteilung ebenfo entfeheidet
wie das an ovgavov V. 19. Denn wenn der Verf. die
allein naturgemäfse Conftruction des letzteren mit anov..
mit der Forderung abwehrt, die himmlifchen Phänomene
aufzuzeigen, welche beweifen, dafs Gott aller Gottlofig-
keit zürne, indem er fie ftraft, fo ift zu bemerken, dafs
es nicht heifst am Himmel, fondern gefagt wird, der
zunächft als innergöttlicher Affect im Himmel verborgene
Zorn Gottes werde von dorther auch auf Erden
offenbart. — Die Auslegung von 2, 14—18 in Nr. 4 beruht
auf Verwirrung des klaren Grundgedankens von
Cap. 2, dafs der Befitz des Gefetzes den Juden keinen
Vorzug vor den Heiden und keine Exemtion von dem
Gericht nach dem Thun verleiht, weil auch die Heiden
in ihrem fordernden, verurtheilenden und billigenden
fittlichen Bewufstfein einen Erfatz des Gefetzes haben
können, die Juden aber kein dem Befitz von Gefetz und
Befchneidung entfprechendes Thun, daher auch keinen
innerlichen Befitz von Judenthum und Befchneidung zeigen
. Befonders verkehrt der Verf. den hier deutlich
vorliegenden Hauptgegenfatz von Befitz und Thun des
Gefetzes in den anderen von äufserlicher buchftäblicher
Erfüllung des Gefetzes (die auch in 2, 21—23 befchrie-
ben fein foll!) und innerlicher, geiftlicher, um die letztere
auch in V. 14 hineinzulegen und im Anfchlufs an Michelfen
die hier genannten Heiden als Heidenchriften zu
denken, deren durch die Wiedergeburt hervorgerufener
fittlicher Takt vom jüdifchen Standpunkt aus mit cpvoei
bezeichnet fein foll. — In Nr. 5 glaubt der Verf., 3, 24
befonders durch Aufweifung der altteft. Grundlagen für
den Begriff cmolizgioaig neu beleuchten zu können. Der-
felbe bedeute nicht Erlöfung , redemptio , fondern Frei-
laffung gegen Löfegeld oder unter Bedingungen, deren
Erfüllung als Aequivalent eines Löfegeldes angefehen
werden kann, und fei von P. fixirt im Anfchlufs an die
altteft. Gefetze über Freilaffung geknechteter Schuldner,
fpecieller an die Verordnungen des Jobeljahrs. Beweis
und Refultat find aber unrichtig. Es genügt hier dagegen
zu bemerken, dafs rbroL, wie an der einen Stelle,
an der es aufserhalb des n. T. vorkommt, fo auch in
letzterem immer nur Loskauf, Befreiung bedeutet, auch
Hebr. 11, 35, wo auf 2 Macc. 6, 30 {dnoliOnvai zov
thodzor) Bezug genommen ift, dafs es ebenfowenig wie
ein anderes Wort desfelben Stammes in der LXX jemals
in Beziehung auf dasjobeljahr gebraucht wird, und dafs
nach Stellen wie Pf. 74, 2. Jef. 63, 9. 44, 22. Luc. 1, 68.
2, 38. 24, 21. Eph. 1, 14 der Loskauf Ifraels aus der Gewalt
Aegyptens durch Gott für fich zum Eigenthum eine
altteft. Grundlage des chrifU. Begriffs Xvzgioaig, unol.
bildet. — In 4, 1. 2 ftreicht der Verf. nach Cod. B
svgrjy.evai und erklärt: was werden wir danach fagen ?
werden wir Abr. unteren Urvater nach dem Fleifch —
aber nicht im Verhältnifs zu Gott zu nennen? Allein
während die Auslaffung von evgrjyevai in B fich fchon
als Folge der fonftigen fchwankenden Stellung des
Wortes erklären läfst, hat auch der Verf. eine fpätere
Einfchiebung desfelben nicht begreiflich zu machen
gewufst, weder aus ,dem leichten Irrthum eines Ab-

fchreibers, dafs er in der erften Silbe von ngonuzoga
das zunächft hinter Idßg. gewohnte naztga, gefchrieben
lUBi, erkannte und den Reft nazoget rhucöv als "Liwv
tvgrjytvai entzifferte, noch als ,erklärende Erweiterung
von tl ovv egoviiev1, was beides recht unwahrscheinlich
ift. Auch müfste man bei der Erklärung des
Verf.'s zov tdßg. ngoicäzoga fjptcöv erwarten, da bei P.
undeclinirbare Eigennamen ohne Appofition als erftes
und zweites Object ausnahmslos den Artikel haben
(Rom. 7, 9. 13. 9, 13. 11, 4. 25. 1 Kor. 10, 18. Gal. 3, 16.
18), als Prädicate dagegen ir,axr]g und yreatget Rom. 4
immer ohne Artikel flehen (V. 11. 12. 16. 18). Auch
in der früher fchon befonders veröffentlichten und in
diefer Zeitfchr. 1881 Col. 543 befprochenen fiebenten Abhandlung
über 5, 1 —11 beruht die Erklärung auf einer
ungenügend bezeugten Lesart. In Nr. 8 fafst der Verf.

7, 25b. 8, 1 als Fragen eines aus dem Vorang. falfche
Schlüffe ziehenden Anderen: ,demnach foll alfo ich felbft
meinerfeits mir den Grundfatz bilden, auf der einen
Seite mit dem verftändigen Bewufstfein göttlichem Ge-
fetze zu gehorchen, auf der anderen aber mit dem
Fleifche unbekümmert um alles göttliche Gefetz die
Wege zu gehen, welche eine Lebensordnung der Sünde
vorzufchreiben fcheint? Es giebt alfo keinerlei Verur-
theilung mehr für die Chriften?' Aber in 7, 25b hat der
Verf. einen von 7, 14—23 abweichenden unpaulinifchen
Gedanken nur dadurch herausbekommen, dafs er einer-
feits das von P. im Vor. dem vovg zugefchriebene Wollen
des Guten in aller Weife abfehwächt, z. B. durch die
unrichtige Behauptung S. 189, P. fageV. 21 ausdrücklich,
dafs ftatt des Guten von ihm ,das Böfe als das allezeit
Näherliegende gewollt wird', andererfeits verkennt, wie
P. 7, 25b die beiden widerffreitenden Richtungen mög-
lichft fcharf bezeichnen will, ohne hier zu berückfich-
tigen, inwieweit fie fich gegenfeitig befchränken. Und

8, 1 kann unmöglich bedeuten: ,die Chriften haben für
nichts, was fie auch thun, ein verurtheilendes göttliches
Votum zu beforgen', ,es ift ihnen alles geftattet zu
thun'. Denn yazcr/.gipa ift nach 5, 16 Verdammungs-
urtheil und 01 Iv Xgiazgi find nicht, wie der Verf. es
darftellt, ,die Chriften' mit Einfchlufs derer, welche ihre
in Chrifto wiedergewonnene Freiheit mifsbrauchen und
verloren haben, fondern nach V. 2 die in der Lebens-
gemeinfehaft mit Chriftus feinem Geifte Unterworfenen.

Die mit den falfchen Ausgangspunkten meift enge
zufammenhängenden Einzelheiten der Auslegung können
hier nicht näher erörtert werden, erweifen fich aber faft
fämmtlich als ebenfo unhaltbar. Es ift auch nicht wahr-
fcheinlich, dafs diefe ,Korrekturen' viele Aufnahme finden
werden. Das wird fchon ihr Mangel an Natürlichkeit
verhindern. Und dadurch wird freilich die fonft gefährliche
Bedeutung der Einleitung mit ihrer Herabfetzung
der wiffenfehaftlichen Exegefe zu Gunften der griechi-
fchen ,Laienlectüre', deren Vorzüge durch das Folgende
exemplificirt werden follten, erheblich vermindert.

Erlangen. Sieffert.

Haureau, B., Bernard Delicieux et l'inquisition albigeoise,
1300—1320. Paris 1877, Hachette & Co. (223 p. gr.
in 18.) Fr. 3. 50.

Vorliegende Schrift — die erweiterte und mit bisher
unedirten Picces justificatives verfehene Wiedergabe
eines Auffatzes in der Revue des deux mondes — ift mei-
1 nes Wiffens in Deutfchland fo gut wie unbeachtet ge-
! blieben. Mir ift wenigftens, foviel ich mich erinnere,
nur eine Befprechung in einem wiffenfehaftlichen Organ
| zu Geficht gekommen. Ich habe von ihr zum erftenmal
| Kenntnifs bekommen durch ein franzöfifches Gemälde
auf der Münchener Ausheilung von 1879, welches eine
i Scene aus derfelben, die Befreiung der Inquifitionsge-
1 fangenen darftellte. Es war daher fchon lange mein