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Ausgabe:

1882 Nr. 6

Spalte:

124-127

Autor/Hrsg.:

Nebe, August

Titel/Untertitel:

Die Leidensgeschichte unseres Herrn Jesu Christi, nach den vier Evangelien ausgelegt. 1. Bd 1882

Rezensent:

Weiffenbach, Wilhelm

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123 Theologifche Literaturzeitung. 1882. Nr. 6. 124

feien, aber gelegentlich nachgezählt und faft überall
Fehler gefunden. S. II, Sp. 2, L. 2 v. u. ftehen z. B.
3 falfche Zahlen neben einander; oder wenn zu Pag. cod.
108 col. 1. /. 23 bemerkt wird ,apparet e superp. in membr.
male muletata', in der ganzen Zeile aber kein £ fich
findet, und auch in den vorhergehenden oder folgenden
kein Wort fich findet, wo ein e hätte übergefchrieben
werden follen, fo ift das doch ärgerlich. Da find 2) unendlich
viel Druckfehler in der Bezeichnung der ver-
fchiedenen Hände, welche an der Handfchrift unter-
fchieden werden können. Mit B2 bezeichnen die Herausgeber
alle, die nach dem erflen Schreiber vor Anfang
des 15. Jahrh. etwas geändert haben, mit B3 einen Mönch
Clemens, der zur angeführten Zeit die Buchftaben mit
neuer Tinte überfahren, die fehlenden Stücke {Gen. Psalm.
Apocal.) ergänzt hat (wo? fchon in Rom?, woher? aus
vatican. Handfchriften?), mit B4 noch fpätere Correc-
toren. Da fteht nun fehr häufig B2 für B3 ode B' und
umgekehrt. An vielen Stellen kann man den Fehler
mit Sicherheit als Druckfehler erkennen, an andern auch
nicht, und das ift wieder fchlimm. Da find 3) Druckfehler
in den citirten Textlcsarten. Z. B. Pag. cod. 53
col. 2 /. 44 (d. h. Ex. 7, 21 und das ift ein weiterer
Fehler, dafs nicht unten oder oben auf der Seite angegeben
ift, welchen Textesftellen die angeführten Seiten
der Handfchrift entfprechen) fteht iooccciq, genau wie die
editio Sixtina an diefer Stelle bietet. Der krit. Apparat
7. c. 23 bemerkt dazu: Yaaao absque ulla adnotatione.
Wer hat nun recht? Natürlich der Text, denn die Anmerkung
will offenbar befagen, dafs es i'ooaetQ und nicht
't'aaayaQ heifse; aber da fteht es nicht. Und fo oft. Da
find weiter 4) Stellen, wo die Lefung erfter Hand in
den Textesbänden offenbar falfch angegeben ift; z. B.
Pag. cod. 155 col. 2 /. 39 (= Nu. Ii, 16) aoioidsa; dazu
der Apparat B1 goieiöw, B2 obclis improb. 0, et 1 conversum
est in v; deindc converso prhno e in o et altero t improb.
snperadä. a, et fecit avoidcto'; hier hat der Apparat recht,
aber dafs im Textband ein Fehler fei, wird verfchwie-
gen und fo in vielen Fällen, wo im Text Druckfehler
fich finden. Endlich fehlen 5) auch nicht Stellen, wo
weder im Text noch Apparat ein Druckfehler, fondern
ein offenbares Mifsverftändnifs der Herausgeber vorliegt,
die den Sinn der erften Hand oder einer nachherigen
Correctur nicht erfafsten : wenn fie z. B. gleich auf der
dritten Seite des alten Theils von B p. 43 col. 3, /. 33
(= Gen. 48, 17) drucken t^oyeiQoocaoc/icuqoö und im
Commentar dazu bemerken Heic Bl improbato a per obe-
liuu suprascripsit % quod tantum instauratur a PP Fortasse
ytiQoaavTov scribenaum 7>3 sibi videbatur. Gewifs nicht,
B3 will ganz richtig tov.

Dies alfo lauter Fehler, die bei gröfserer Sorgfalt
vermieden werden konnten. Ein Uebelftand aber, der
bei diefer ganzen Art der Edirung nicht zu vermeiden
war, mufs noch befonders hervorgehoben werden. Wo
ein Buchftabe oder Wort erfter Hand vom Corrector
durch übergefetzte Punkte getilgt worden war, hatten
dies die Herausgeber in den Textesbänden leicht andeuten
können und angedeutet; hatte er es aber durch
,obeP getilgt, d. h. einfach durchftrichen, fo konnten fie
das im Text nicht nachmachen; noch fchlimmer war es,
wenn bei der Correctur theils Punkte theils Striche, oder
theils übergefchriebene Buchftaben, theils geänderte
Buchftaben fich fanden: da war man die 10 Jahre lang
über die einen Correcturen unterrichtet, über die andern
nicht, oder über die eine Hälfte, aber nicht über die
andere. Wer follte z. B. aus ayLoQc(oaa erkennen, dafs i
B2 ayiaauc will? [An andern Orten haben fie fich fogar
anders zu drucken erlaubt, als die Handfchrift bietet:
z. B. 115, i, 27,8 [Lev. 13, 39) haben fie im Text e^avlrirjOei
d. h. doch B2 wolle rjo nicht gelefen haben, im Commentar
aber bemerken fie B2 improb. üt] et ex oei fecit
&ti; das kommt factifch auf dasfelbe heraus; aber ein
Facfimile ift das nicht.] Letzeres nun, dafs man 10 Jahre

lang des guten Glaubens war, B biete feine Lesart ohne
irgend welche Variante, trifft insbefondere an folchen
Stellen zu, wo die neue Ausgabe von der editio Sixtina
abweicht, und man alfo annehmen mufste, die Herausgeber
der letzteren hätten ohne allen Grund ihre Vorlage
verlaffen; nun zeigt fich, dafs fie in folchen Fällen,
! namentlich wo es fich um orthographifche oder gram-
matikalifche Punkte handelt, in der Regel dem zweiten
oder dritten Corrector gefolgt find. An manchen Stellen
meiner Collation mufs alfo ftatt B jetzt B1 gefetzt
werden und zeigt fich, wie gerechtfertigt ich war, vor
irgend einer neuen definitiven Ausgabe das Erfcheinen
diefes Bandes abzuwarten. Doch auch noch nach einer
andern Seite — um nun, nachdem ich fo vieles gerügt,
auch das Gute willig anzuerkennen — wird unfere Kennt-
nifs von B durch diefen Band erweitert, nämlich über
eine Reihe fprachlich intereffanter und fachlicher Gloffen,
die in B fich finden, und zum Theil allerdings fchon in
der Sixtina vermerkt find, namentlich zu den Sprüchwörtern
, aber auch im N.T., z.B. zum por/a der Bergpredigt
to Qaxä avTi rov ov. Insbefondere zum Buch Daniel find
lange Stellen aus Africanus und Chryfoftomus von B3
auf den Rand gefchrieben. Ueber neuteftamentliche
Lesarten neuen Auffchlufs zu erhalten, war nach den
vielen diesbezüglichen Arbeiten kaum mehr zu erwarten
; doch fehlen in Tifchendorf's editio octava wenigftens
einige Varianten z. B. Mt. 6, 32 B1 yorgt, 7, 17 ift nur
B1 für v.aorc. noiEi -/.alova aufzuführen; 16, 24 hat Mai
Recht, dafs B1 nur o, nicht oio auslaffe. Zum zweiten
Petri- und zweiten Johannisbrief ift die Angabe zu berichtigen
, dafs B diefelben in zwei Sectionen theile; das
gefchieht allerdings von jüngerer Hand, aber nicht von
der alten, von welcher die bei den übrigen Briefen von
Tifchendorf richtig angeführte Sectioneneintheilung herrührt
etc. Unfer Urtheil über die ganze Ausgabe bleibt
alfo dabei, dafs das Fehlen der nöthigen Sorgfalt im
6. Band dem ganzen Werk den Werth raubt, den es
j hätte haben können; eine neue photographifche Repro-
! duetion von B wird deswegen doch nicht mehr nöthig
fein, wie für A, wohl aber an einzelnen Stellen eine
nochmalige forgfältige Collation des Originals.

Münfingen. E. Neitle.

Die obige Receufion giebt mir erwünfehte Veraulaffung zur Berichtigung
eines Mifsverftändnifses. Ich habe im Jahrg. 1880, Nr. 21 die
6. Auflage von Tifchendorfs Septuagi nta-Ausg abe angezeigt, und
dabei namentlich fcharf getadelt, dafs abermals die alten Stereotyp-l'latten
unverändert abgedruckt und die fehr dankenswerthen Collationen N c ft 1 e's
nur als Anhang mitgetheilt wurden. In einer weiteren Erklärung im
Jahrg. 1881, Nr. 2 habe ich diefes Urtheil aufrecht erhalten und es in
die Worte zufammengefafst: ,Das was gefchehen ift, ift unter allen Um-
ftänden der Wiffenfchaft unwürdig'. Selbftverftändlich kann ich von dieh
fem Satz auch heute kein Wort zurücknehmen. Da ich aber mehrfaeg
bemerkt habe, dafs er auch von Solchen, die in der Sache mit mir einin
find, mifsverftanden wurde, fo erkläre ich gerne, dafs ich als ,derWiffe-
fchaft unwürdig' natürlich nur dies bezeichnen wollte, dafs der Verleger
den veralteten Stereotyp -Text immer wieder auf den Markt bringt, und
Herr Dr. Neftle dadurch gezwungen war, feine Collationen nur als Anhang
mitzutheilen, ftatt, wie es fich gehörte, unter dem Text.

Giefsen. E. Schür er.

Nebe, Prof. Pfr. Dr. A., Die Leidensgeschichte unseres
Herrn Jesu Christi, nach den vier Evangelien ausgelegt
. 1. Bd. Wiesbaden 1881, Niedner. (XI, 403 S.
gr. 8.) M. 6. —; geb. M. 7. 20.

Der durch feine Arbeiten auf praktifch-theolog-
ifchem Gebiete (,Die ev. u. epiftol. Perikopen des Kir-
chenjahrs' und ,Zur Gefchichte der Predigt') rühmlich
bekannte Verf. bietet uns mit obigem, auf zwei Bände
berechneten [der zweite Band ift mittlerweile erfchienen]
Commentar zur Leidensgefchichte eine fehr dankens-
werthe Bereicherung der exegetifchen Literatur über
jene. Denn dafs wir an guten Commentaren zu jener
keinen Ueberflufs haben und auch nach Hengftenberg's
,nachgelaffenen Vorlefungen' (1875) noch gerne die Hand