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Ausgabe:

1882

Spalte:

116-117

Autor/Hrsg.:

Ritschl, Albrecht

Titel/Untertitel:

Unterricht in der christlichen Religion. 2. verb. Aufl 1882

Rezensent:

Herrmann, Wilhelm

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H5

Theologifche Literaturzeitung. 1882. Nr. 5.

Diefe Formel hat auch Schmeling beibehalten, und felbft
Anforge vertheidigt fie in feinem Schriftchen S. 10 durch
Berufung aufBehrends: ,Es läfst fich die fromme Weihe
des Alterthums diefer und anderer Worte durch keine
moderne Ueberfetzung vergüten'. Aber Amen, Halle-
lujah und Hofiannah find Ausdrücke, für welche wir
keine Ueberfetzung gebrauchen; hingegen das Kyrie
eleifon wird doch im Verlauf der Litanei verdeutfcht,
und wenn es am Anfange griechifch fleht, fo fieht es
aus, als ob es zuerft vornehmer und dann vertraulicher
auftreten folle, nach der alten Unart der Deutfchen,
fremde Sprachen für vornehmer als die eigene zu halten.
In der Meinung des Laien verknüpft fich auch mit diefer
griechifchen Form (wie übrigens auch mit dem Sela in
den Pfalmen) der Begriff des Magifchen. Die befondere
Weihe ift bei Lichte befehen Nichts als der Zauberglanz
des Unverftändlichen, deshalb Geheimnifsvollen und alfo
für die Menge abergläubifch Hochzuhaltenden.

Nr.3 giebt im 1Abfchnitt: ,Ueberficht über die Ordnung
fämmtlicher Arten Gottesdienfte', im 2. Abfchnitt: ,Die
Nebengottesdienfte und der fonn- und fefttägliche Haupt-
gottesdienft bis zur Predigt', im 3. Abfchnitt: ,Der fonn-
und fefttägliche Hauptgottesdienft von der Predigt an
bis zum Schluffe' S. 1 — 479. Hierauf folgt noch mit
befonderer Paginirung im 4. Abfchnitt .mufikalifcher Bedarf
38 Nummern mit Noten. Die Vefper an Sonn-
und Heiligabenden feiert die grofsen Thaten Gottes vor
der Erfcheinung Chrifti auf Erden und dient der Berufung
. Die Mette an Sonn- und Fefttagen feiert die
Erfcheinung Chrifti auf Erden und dient der Erleuchtung.
Der Hauptgottesdienft feiert das prophetifche und hohen-
priefterliche Amt des Herrn und dient der Heiligung.
Die Vefper an Sonn- und Fefttagen feiert das königliche
Amt des Herrn und dient der Erhaltung im Glauben.
(Was hätten wohl die Lutheraner vor Hafenreffer und
Gerhard zu diefer Syftematifirung gefagt?) Für die Adventszeit
wird als liturgifche Farbe Violet, für die Weihnachtszeit
Weifs, für die Zeit nach Epiphanias Grün,
für die Zeit vor den Faften wieder Violet, für die Fallen
Violet bezw. Schwarz, für die Ofterzeit wieder Weifs,
ebenfo für die Wartezeit, dann für die Pfingftzeit Roth
und für die Trinitatiszeit wieder Grün angegeben. Angelegentlich
wird fürdie/raw das Pfalmodiren empfohlen
und zu dem Behufe werden jeweils diejenigen Silben,
auf welchen bei den meiden Pfalmentönen Mediation
und Schlufscadenz fallen, durch Druck mit lateinifchen
Lettern ausgezeichnet. Der mufikalifche Bedarf am
Schluffe giebt Anweifung, in welchem ,Tone' das Pfal-

Ritschl, Albr., Unterricht in der christlichen Religion.

2. verb. Aufl. Bonn 1881, Marcus. (VIII, 87 S. gr. 8.)
M. 1. 20.

Die Thatfache, dafs die fehr darke Außage diefes
Buches nach fechs Jahren vergriffen war, id ein erfreuliches
Zeichen davon, dafs das Schickfal theologifcher
Bücher noch nicht von der alleinigen Entfcheidung
kirchlicher Parteiführer und ihrer Organe abhängt. Der
Verf. darf mit Recht in der Vorrede zu diefer neuen
Auflage darauf hinweifen, dafs er feinen Erfolg nicht der
Gund irgend einer Partei zu danken habe. Es mufs alfo
doch noch eine nicht geringe Anzahl von Lefern geben,
die nach chridlicher Erkenntnifs fragen und dem Verf.
die gewaltige Arbeit danken, mit der er die Theologie
auf eine neue Bahn geführt hat. Nach einiger Zeit werden
ja wohl auch weitere Kreife der Variationen über
die in den Kirchenzeitungen angedimmten theologifchen
Themata überdrüfflg werden und nach federer Speife
verlangen. Dann wird es erd zu voller Geltung kommen,
dafs der Verf. inzwifchen die Theologie auf die Grundlage
zurückgebracht hat, auf welcher der Glaube der
durch Chridi Tod verföhnten Gemeinde immer gedanden
hat. Dafs es bis jetzt an Mifsverdändnifsen und abfur-
den Anklagen, wie die, dafs er ein anderes als das hi-
dorifche Chridenthum zu verbreiten fuche, nicht fehlt,
id ganz natürlich. Wenn er z. B. die ganze Infpirations-
lehre als unbrauchbar bei Seite dellt, fo müffen felbfl-
verdändlich feine Gegner zur Rechten darin eine Verleugnung
des hidorifchen Chridenthums fehen; während
fleh die Gegner zur Linken nicht darein finden können,
wenn er nun erd recht die Perfon Chridi in ihrem Lebenswerke
, von welchem die Schrift allein Zeugnifs giebt,
als die abfolute Autorität für den Glauben hindellt.
Wenn er in dem gefchichtlichen Chridus allein das
Wefen Gottes finden lehrt, fo mufs natürlich die kränkliche
Orthodoxie unferer Zeit meinen, dafs er das Chridenthum
feines göttlichen Gehalts beraube, weil fie die
mühfam confervirten Rede der antiken Metaphyfik für
viel ködlicher hält, und ebenfo die an diefe fich an-
fchliefsende interconfeffionelle Mydik für tiefer und edler,
als den evangelifchen Glauben an Gottes fündenver-
gebende Gnade und Vorfehung. Abes es id doch auch
nicht zu verkennen, dafs die Zahl derer wächd, die,
ohne Intereffe für blofses Negiren und vage Freiheits-
gelüde, aber erndlich bemüht um Gewifsheit des Glaubens
, in feine Schule gehen und fich mächtig von ihm
angefafst wiffen. Die Gründe diefer Erfcheinung find auch

modiren zu gefchehen habe. Dafs diejenigen Punkte, j klar genug. Das complicirte Vertheidigungsfydem der
in welchen fich die confeffionellen Eigenthümlichkeiten apologetifchen Theologie, von der man vorausfetzen
traditionell fixirt haben, ohne alle Rückficht auf Union I kann, dafs fie es mit der evangelifchen Kirche gut meint,
behandelt find, verdeht fich von felbcr, und ebenfo, dafs j hat doch auf jeden Fall den Fehler, dafs man in ihrem
möglichd alle Ueberfchriften lateinifch find. Der Geid- j Diende zwar eine ungeheuere Menge von Gründen für

liehe wendet fich ,ad populuvi'. Aber ,Gemeinfchaft' der
Heiligen im apostoliami wird wegen der bekannten Bemerkung
von Luther im grofsen Katechismus in .Gemeinde
' der Heiligen umgewandelt. Auf weiteres Einzelnes
trete ich nicht ein. Wäre das Buch zu wiffen-

das Chridenthum, aber von diefem felbd herzlich wenig
kennen lernt. Das Frappante an der Theologie Ritfchl's
id dagegen, dafs fie von dem Vertrauen durchdrömt id,
aus der einfachen richtigen Dardellung des chridlichen
Glaubens in feinem inneren Zufammenhange werde fich

fchaftlichen Zwecken zufammengedellt, fo könnte über | die Rechtfertigung der Univerfalität von felbd ergeben,
die Berechtigung der Schematifirung hin- und hergeredet ; welche das Chridenthum beanfprucht. Jenes Vertrauen

werden, es will aber praktifchen Bedürfnifsen dienen und
hat die Revifion der preufsifchen Landesagende vor

id ein Glaubensurtheil. Dafs es nicht täufcht, fondern
dafs man unter feinem Impulfe jener unfruchtbaren Apo-

Augen. Was es leidet, kann nur auf Alterirung des logetik ledig und triebkräftiger Erkenntnifs mächtig wird,
Unionscharakters genannter Agende hinauslaufen. haben fchon Viele erfahren, die fich die Mühe genom-

c . men haben, an Ritfchl's Arbeit erndlich theilzunehmen.

Dafs man auf dem von dem Verf. befchrittenen Wege
zu einer Gefammtanfchauung des Chridenthums gelangt,
wie es bei der alten Orthodoxie, um von ihren modernen
Verbefferern zu fchweigen, nicht zu finden id, davon
giebt auch diefes kleine Buch ein helles Zeugnifs.
— Von den Correcturen, welche die zweite Auflage
bringt, feien hier die folgenden aufgezählt. Für den
erden Theil hat der Verf. die Verbefferung eintreten