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Ausgabe:

1882

Spalte:

49-51

Autor/Hrsg.:

Keil, Carl Friedr.

Titel/Untertitel:

Commentar über das Evangelium des Johannes 1882

Rezensent:

Holtzmann, Heinrich Julius

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack und D. E. Schürer, Proff. zu Giefsen.

Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

N°- 3.

11. Februar 1882.

7. Jahrgang.

Keil, Commentar über das Evangelium des Johannes
(Holtzmann).

Falckenberg, Grundzüge der Philofophie des
Nicolaus Cufanus (Härtung).

Baumftark, Thomas Morus (Tfchackert).

Henning, Johan Conrad Dippels vistelse i Sve-

rige (Bender).
Gafs, Gefchichte der chriftlichen Ethik. I. Band

(Bender).

Lilienfeld, von, Gedanken über die Social-

wiffenfchaft der Zukunft. 5. Thl. (von Oet-
tingen).

Bunfens Gefangbuch, neu bearb. vonFifcher
(Berthean).

Ohly, „Gehe hin mit Frieden", Abendmahls-u.
Beichtreden (Kraufs).

Keil. Prof. Dr. Carl Friedr., Commentar über das Evangelium
des Johannes. Leipzig 1881, Dörffling 6k Franke.
(604 S. gr. 8.) M. 11. —

Seinen 1877 und 1879 veröffentlichten Commentaren
über die drei erften Evangelien läfst der Verf. ein drittes
Werk folgen, in welchem das vierte Evangelium genau
diefelbe harmoniftifch -apologetifche Behandlung erfährt,
die B. Weifs in diefer Zeitfchrift (Jahrg. 1878, S. 49 f.,
1880, S. 297) bezüglich der fynoptifchen Commentare
bereits eingehend dargelegt und beleuchtet hat. In der
Form erinnert der johanneifche vielfach an den Meyer'-
fchen Commentar, fo dafs er wie gefchrieben für folche
fcheint, welchen der letztere in feiner durch B. Weifs
fortgebildeten Geftalt unannehmbar geworden ift, während
fie ihn lieber etwas in der Richtung der dogmati-
fchen Auslegung zurückgebildet gefehcn hätten. Ohne
gänzlich der gloffematifchen Methode zu verfallen, re-
giftrirt und beurtheilt der Verf. doch hauptfächlich vorhandene
Auslegungen, und wo er etwas felbftändiger
auftritt, da glaubt er fich dazu durch einfchlagende alt-
teftamentliche Studien berufen. So mufs man Jef. 53
beffer verliehen, um Joh. 1, 29 richtig zu deuten (S. 129),
und den Engel Jahve's begriffen haben (S. 82 f.), um
den Logos nicht (S. 95) aus Philo abzuleiten u. f. w.
Allerdings läfst fich der Verf. nicht oft auf weniger betretenen
Wegen antreffen. Gleich die Einleitung beginnt
, anffatt das formelle und ftoffliehe Verhältnifs zu
den Synoptikern zum Ausgangspunkte zu machen, in
gewohnter Weife mit dem Apoftel Johannes und der
kirchlichen Tradition über ihn, geht zu den äufseren
Zeugnifsen über die Echtheit, dann zum Zweck des
Werkes u. f. f. über und fingt durch alle diefc Capitel mit
behaglicher Breite das allbekannte alte Lied, nur dafs Be-
rückfichtigung der neueren Literatur wenigftens den
Augen des von DeWette-Brückner, Meyer-Weifs, Luthardt
etc. herkommenden Lefers einige Abvvechfclung bereitet.
Wefentlich vollftändig ift freilich diefe Berückfichtigung
neuerer Data durchaus nicht ausgefallen. Anftatt fich
z. B. noch heute zu ereifern über ,die Bodenlofigkeit des
Einfalls von Lützelberger' (S. 63), welcher in dem Lieblingsjünger
den Andreas finden wollte, wäre es am Platze
gewefen, fich mit der unmittelbarfter Gegenwart ange-
hörigen Nathanael-Hypothefe Späth's (vgl. Zeitfchrift für
wiffenfeh. Theologie, 1880, S. 78 f.) auseinanderzufetzen.
Ueberhaupt will ich dem Recenfenten im ,Theologifchen
Literaturblatt' 1881 Nr. 47 Alles gelten laffen, was er von der
,klar blickenden nüchternen Einfachheit', von der ,gleich-

geblich Auskunft fucht'. Nur wenige Augenblicke, bevor
mir diefes Urtheil zu Gefichte gekommen war, hatte
ich mein eigenes dahin formulirt: Alles, wornach ein
Theologe, welcher, wie etwa Ref., die Johannes-Literatur
feit Jahren verfolgt hat und nach Auskunft in Bezug auf
Probleme, welche ihm im Refte geblieben, ausfpäht, in
einem neuen Commentar diefes Evangeliums mit Begierde
fucht, ift hier dazu angethan, ihn zu enttäufchen
und muthlos zu machen. Keine Frage ift fo geftellt,
wie fie für Sachverftändige dermalen liegt. Beifpiels-
weife fei etwa auf § 2 verwiefen. Dafs aus dem Mura-
torianum mehr zu erfehen ift, als nur ,dafs die gewöhnliche
Reihenfolge der Evangelien fchon damals üblich
war', follte man einem Verf. gegenüber nicht erft hervorzuheben
brauchen, welcher felbft zu diefem feinem
Satze (S. 17) Heffe und Hilgenfeld citirt, d. h. zwei For-
fcher, welche gerade in jenem Kanonverzeichnifse
das Evangelium noch gegen vorhandenen Widerfpruch
vertheidigt und aus den Briefen gerechtfertigt werden
laffen. Davon alfo wäre zu reden gewefen. Dafs Juftin
das vierte Evangelium gekannt habe, kann unferem
Verf. zufolge ,nicht mehr mit wiffenfehaftlichen Gründen be-
ftritten, fondern nur noch eigenfinnig geleugnet werden'
(S. 20). Aber ftatt diefes Kampfes gegen zwei oder
drei in diefer Beziehung ziemlich ifolirt daftehende Kritiker
wäre man berechtigt, eine Erklärung der Thatfache
zu verlangen, dafs Juftin, deffen Logoslehre fich an
Joh. I, 14 anlehnen foll, diefelbe nirgends auf die
U7r,o^.vri/.ioveü(iava nov annaxöXwv zurückführt, wohl aber
über Lebensgang und Redeweife Jefu Mittheilungen
macht, als gebe es keinen johanneifchen Contraft zu der
fynoptifchen Darfteilung, fo dafs man billig die Frage
ftellen darf, ob denn Juftin das vierte Evangelium, wenn
er auch Bekanntfchaft damit nicht verleugnet, als feinen
apoftolifchen Denkwürdigkeiten ebenbürtig erachte. Darum
allein handelt es fich heute. Ebenfo wenig wird
dem Kenner der Sachlage die kahle Bemerkung impo-
niren, da Tertullian dem Marcion die Verwerfung des
vierten Evangeliums zum Vorwurfe macht, müffe diefer
es als johanneifch .vorgefunden' haben (S. 22). Auch
davon erfahren wir nichts, dafs gleichzeitig mit Tertullian
Hippolyt eine apologetifche Schrift über Evangelium
und Apokalypfe des Johannes zu fchreiben für nöthig
fand. Vielmehr werden nur flugs die Aloger des Epi-
phanius mit den räthfelhaften Gegnern des Evangeliums
vom Parakleten bei Irenaus (III, 11, 9) zufammengewor-
fen und daraus ,nur eine kleine Partei' (S. 23) gemacht.
Dafs der Commentar über die apoftolifchen Väter

mäfsigen überführenden Klarheit und Sicherheit', von fpricht, ohne die minderte Notiz von meinen Abhand
der ,verläffigen Solidität' des vorliegenden Commentars lungen über Clemens, Barnabas, Hermas, Papias, Igna-
zu rühmen weifs (man fieht daraus, dafs er gewiffen Be- j tius und Polykarp in ihrem Verhältnifs zu Johannes zu
dürfnifsen entgegen kommt): Eines nur kann ich nim- j nehmen (S. 18 f.), verüble ich dem Verf. nicht, nachdem
mermehr zugeben, dafs man darin ,faft über nichts ver- j ihm fchon B. Weifs fein Unvermögen nachgewiefen hat,

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