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Ausgabe:

1882 Nr. 26

Spalte:

615-616

Titel/Untertitel:

Eine Erinerung an Dr. theol. Herm. Friedr. Kohlbrügge, weiland Pastor der niederländisch-reformirten Gemeinde in Elberfeld 1882

Rezensent:

Möller, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung. 1882. Nr. 26.

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von ihm benutzten Autoren, auch der unbedeutendften,
Vordrucken läfst, unter der grofsen Menge derfelben
Wefel niemals verzeichnet. Dafs man unter jenen Büchern
etwa Collegienhefte(?), die noch nach 40 Jahren im Umlauf
gewefen(?), verftehen könne, oder dafs die Erfurter
abfichtlich die Schriften jenes Mannes der Vergeffenheit
haben anheimfallen laffen, wie Köftlin (I, 51) anzunehmen
geneigt ift, halte ich für fehr unwahrfcheinlich.

Erlangen. Th. Kolde.

1. Aus dem Leben eines reformirten Pastors. Barmen 1881,

Klein. (340 S. mit photogr. Portrait Paft. Kohlbrügge's.
gr. 8.) M. 5. _

2. Eine Erinnerung an Dr. theol. Herrn. Friedr. Kohlbrügge,

weiland Paftor der niederländifch-reformirten Gemeinde
in Elberfeld. Hagen 1882, Rifel & Co. (139
S. 8.) M. 2. 40.

Dem Titelblatte des erftgenannten Buches, auf welchem
wie im ganzen Buche wunderlicher Weife der Verf.
feinen Namen nicht nennt, ift eine anziehende Photographie
Kohlbrügge's beigegeben. Wer aber danach
den Titel deutend, annehmen wollte, der ,reformirte
Paftor' fei eben Kohlbrügge, der irrte fich; es ift nur
Adolf Zahn, fein Prophet. Hätten wir es nicht mit einem
Reformirten par excellence zu thun, fo würden wir fagen,
er habe feinem Buche das Bild des Schutzpatrons beigegeben
. Denn die im Buche felbft gegebenen Mittheilungen
über K. und abgedruckten Briefe von ihm (S.
274—312) würden doch in keiner Weife das auffallende
Verfahren erklären, wenn wir nicht wüfsten, in welchem
Grade A. Zahn feine Tendenzen mit denen jenes von
ihm für den gröfsten reformirten Theologen des 19.
Jahrhunderts ausgegebenen Mannes identificirt. So läfst
er denn fein Buch unter diefer Flagge fegein, und verfehlt
dabei auch nicht, die beifälligen Worte des Meifters
über die Leiftungen des Jüngers beizubringen; was er
über Zahn's Kriegspredigten ,und ihre faft unnachahmlich
hehre Sprache' geurtheilt, bekommen wir fogar zweimal
zu hören (S. 35 und 306). Das möchte nun hingehen
, wenn die Waare nicht überhaupt eine fo zweifelhafte
wäre, welche er mit jener Flagge deckt. Man fragt
fich, wie kommt der Mann dazu, diefe locker zufammen-
gewürfelten Mittheilungen dem Publicum als Buch von
340 Seiten zu bieten? Im Frühjahr des vorigen Jahres ftirbt
in Halle ein Mann, mit welchem Zahn 16 Jahre lang als
nächftem Collegen zufammen gearbeitet hat, der auch
beim Referenten in treuem Andenken flehende Domprediger
W. Focke. Sein Tod ift für Zahn die Veran-
laffung geworden, ,einmal feine Erfahrungen und Erinnerungen
aus diefer Epoche feines Lebens niederzufchrei-
ben'. Dagegen wäre nichts zu fagen, aber mufste denn
das Niedergefchriebene auch gedruckt werden? Was der
Verf. von feiner Stellung und Wirkfamkeit an der Domgemeinde
in Halle, was er von den dortigen Verhält-
nifsen dem Publicum mitzutheilen für gut findet, hat
zum Theil nur Intereffe für die mit Halle Bekannten;
fie allein vermögen aber auch die nicht ohne die Gabe
treffender Auffaffung aber vom befchränkteften Partei-
ftandpunkt hingeworfenen Behauptungen zu ergänzen
und zu rectificiren. Die ganze Enge der Beurtheilung
können auch ferner Stehende abnehmen aus den Ur-
theilen über Männer wie Tholuck und Müller. Weil
letzterer bei feiner tiefen und energifchen Auffaffung von
Sünde und fündlichem Verderben umfomehr fich abringt
mit dem Problem, wie das Heil aus Gnaden allein
doch vom Menfchen auf fittliche Weife angeeignet werden
könne, ift er der Lehrer, welcher das andere Evangelium
in die Provinz und in die Theologie gebracht
hat, welches Paulus bekämpft. An Tholuck, dem er
felbft doch nachhaltige Anregung zu verdanken bekennt,
rühmt er nur die wunderbar reiche Begabung, Phantafie,

j Scharffinn, Sprachtalent, Witz und geiftreiche Dialektik;
er rügt, dafs er in die Jugend mit feiner fokratifchen
Methode den Zweifel hineingeworfen habe; in wie viele
junge Seelen diefer Sokrates damit zugleich ein Anti-
doton gegen den Zweifel eingelenkt hat, davon kein
Wort. Tholuck habe oft am Abgrund gestanden, alles
zu verlieren, habe aber immer wieder ,eine Nothbrücke'
gefunden. Kein Wort von den Realitäten des religiöfen
Lebens, welche hinter der flüffigen und lockeren Dug-
matik liegen, und ohne welche auch fefter gefügte Lehre,
wäre es auch die ftramme calvinifch-pietiftifche Kohlbrügge
's, eine verzweifelte Aehnlichkeit mit ,Nothbrücken'
bekommen könnte. — Ausführlich müffen wir nun hören
von der Ernennung des Verf.'s zum Licentiaten der Theologie
durch die Wiener Facultät, von feinem Verfuch,
fich in Halle zu habilitiren, der auf Widerftand bei der
Facultät ftiefs — wobei wohl das audiatur et altera pars
angebracht fein wird —, endlich von feiner Erwerbung
des theologifchen Doctorgrades zu Marburg; das Diplom
wird uns verbotenus mitgetheilt und die Sache endigt fehr
befriedigend mit dem Abend im Hotel Pfeiffer bei trefflichem
Mahle und ausgezeichnetem Weine (S. 215). Von
einem gewiffen allgemeineren Intereffe find die Mittheilungen
über und die Briefe von Kohlbrügge und einiges
Andere, was in diefen reformirten Pietismus einfehlägt,
wie der Abfchnitt ,eine reformirte Frau' (S. 313fr.) Mitten
in diefem lockeren Haufen von Mittheilungen bilden eine
compactere Maffe die S. 37—149 eingefügten Predigten
des Verf.'s, fowie einige biblifche Betrachtungen vor
Studenten (S. 180—210). Die Wirkung manches erbaulichen
und kräftig anfaffenden Zuges in den erfteren wird
nach des Ref. Gefühl wefentlich gehemmt dadurch, dafs
der Verf. in feinen dogmatifchen Schnürftiefeln lteckt,
während er allerdings in homiletifcher Beziehung defto
fouverainerer Formlofigkeit huldigt. In einer Predigt
über das Evangelium des erften Oftertags heifst das
Thema: Laffet uns den Gedanken erwägen: üb wir es
auch nicht glauben, wahr ift es doch. I. Ob wir es auch
nicht glauben. II. Wahr ift es doch.

Das an zweiter Stelle genannte Büchlein giebt feinem
Hauptinhalt nach auszügliche Mittheilungen aus Katecheten
Kohlbrügge's, welche etwas von einem Original
erkennen laffen in einzelnen glücklichen Griffen, im
Uebrigen aber fchwerlich verdienen, als Mufterkatechefen
aufgestellt zu werden. Vorangefchickt findKohlbrügge'fche
Memorabilien, deren Xenophon wieder kein anderer ift
als der ,reformirte Paftor'.

Kiel. W. Möller.

Wen dt, Paft. Bernh., Symbolik der römisch-katholischen
Kirche. 1. Abth. Gotha 1880, F. A. Perthes. (XI, 299 S.
gr. 8.) M. 6. —

Das Buch, welches ich hier zur Befprechung bringe,
ift fchon vor ftark zwei Jahren erfchienen, und es möchte
faft zu fpät erfcheinen, ihm noch eine Anzeige zu widmen
. Ich habe gefäumt, meiner Pflicht in diefer Beziehung
nachzukommen, weil ich hoffte der Schlufsband werde
nicht fo fpät ausgegeben werden, dafs es nicht möglich
fein follte, mit der Anzeige diefes erften Bandes bis
dahin zu warten. Es hat ja nun faft den Anfchein, als
ob es diefem Werke über die Symbolik der römifch-
katholifchen Kirche wie feinem letzten Vorgänger, dem
Werke des verftorbenen J. Delitzfch, ergehen folle
d. h., dafs es überhaupt nicht zum Abfchluffe komme.
Sollte das wirklich der Fall fein, fo würde ich es bedauern
. Denn das Werk verdient zu Ende geführt zu
werden und dürfte — wenn der zweite Band dem erften
nicht an Solidität nachfteht — fich als fertiges noch
manchen Freund unter folchen erwerben, die dem Stück
gegenüber noch zweifelhaft find, wie weit es der Beachtung
werth fei. Nämlich das Werk bietet wenig
Neues. Das ift dann kein Fehler, welcher einer freund-