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Ausgabe:

1882 Nr. 25

Spalte:

587-591

Autor/Hrsg.:

Springer, Ant.

Titel/Untertitel:

Die Psalterillustrationen im frühen Mittelalter mit besonderer Rücksicht auf den Utrechtpsalter 1882

Rezensent:

Loofs, Friedrich

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Theologifche Literaturzeitung. 1882. Nr. 25.

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mehrere zugleich fehlen (S. 192), fo ift doch das, worauf
es mir allein ankommt, der Umftand, dafs fie in den
Paftoralbriefen eben alle zufammen fehlen. So ift auch bezüglich
des Mangels des Artikels vor Adverbien und
Interjectionen, einer bei Paulus fo häufigen Erfcheinung,
offenbar nichts mit dem Nachweife erreicht, dafs derfelbe
im zweiten Theffalonicherbrief, welchen ich nicht gelten
laffen kann, oder in dem kleinen Philemonbrief oder gar
in den johanneifchen Briefen auch begegnet (S. 195 f.).
Auch den für einen Paulusbrief auffallend dürftigen Gebrauch
der Präpofitionen giebt der Verf. zu, erklärt ihn
aber aus der .Rhetorik' des Briefs (S. 191). Die von mir
im Gebiete der Paftoralbriefe überhaupt nachgewiefenen
fachlichen Wiederholungen werden gleichfalls nicht in
Abrede geftellt (S. 200 f.), fchwerlich aber durch Hinweis
auf wiederholten Gebrauch von dialektifchen Formen
wie xi ovv igoviisv oder Citaten u. dgl. in den echten Briefen
(S. 202 f.) gedeckt. Gegen meine Verwerthung des
Citates 5, 18 wird 1 Kor. 9, 9—14 aufgeboten (S. 204 f.).
Aber daran liegt es ja eben, dafs an diefer Stelle erftens
gefchriebenes Gefetz, zweitens mündlich überliefertes

kannten Leipziger Kunfthiftorikers trotz der Länge der
feit ihrem Erfcheinen verfloffenen Zeit manchem Theologen
, der ihr ein Intereffe entgegenbringen wird, unbekannt
geblieben fein möchte. Die theologifche Wiffen-
fchaft ift bislang feiten in der Lage gewefen, von kunft-
hiftorifchen Forfchungen um ihrer felbft willen Notiz
nehmen zu müffen. Dafs aber beide Wiffenfchaften —
je wiffenfchaftlicher die Kunftgefchichte betrieben wird,
defto mehr — von einander lernen können, zeigt diefe
Abhandlung in fo eclatanter Weife, dafs fchon deshalb
die Redaction der Theol. Lit.-Ztg. diefelbe nicht unberücksichtigt
laffen wollte.

Zunächft ift freilich die Abhandlung eine kunfthifto-
rifche Fachfchrift, ,ein Beitrag zur Gefchichte der Miniaturmalerei
', und zwar ein epochemachender. Die Gefchichte
der Miniaturmalerei ift ein noch faft völlig unbebautes
Gebiet; noch unbedenklicher als in den übrigen
Zweigen der mittelalterlichen Kunftgefchichte hat
man bei der Miniaturmalerei fich dabei beruhigt, ein
Vorwiegen byzantinifchen Gefchmacks zu behaupten.
Diefe Abhandlung über die Pfalterilluftrationen des

Wort Jefu (ocxwg y.ai 6 /.VQiog öüxuigtv) auseinanderge- | frühen Mittelalters hat jene Annahme eines alles felb-
halten, dort aber bereits beide Autoritäten unter der Ständige Leben überwuchernden byzantinifchen Einfluffes
Einen Kategorie ygacpr] mit y.ai aneinandergereiht wer- j en miniature als völlig irrig erwiefen. Die Miniaturmaden
. ,Für die Parallelifirung von 1 Tim. 5, 18 und 2 Petr. j lerei hat im Wellen und Offen ihre durchaus eigenthüm-
3, 16 geht uns das Verftändnifs ab' (S. 206). Das follte liehe Flntwicklung. Der Ausgangspunkt ift für beide der
es nicht. Denn wenn ich S. 118 meines Buches beide j gleiche. Hervorgewachfen aus den geringen Anfängen fpät-

Stellen als ,die beiden einzigen Beifpiele, dafs neutefta-
mentliche Schriften im N. T. felbft als kanonifche citirt
werden' zufammenftelle, fo ift nicht fchwer zu erfehen,
dafs es mir Scheinen will, als ob, wer h> ndaaig raig huaxo
haig des Paulus das Vorkommen von öcavorycu tivu con-
ftatire, diefe fämmtlichen Briefe cog y.ai tag Xotnag ygayüg
taxirt, alfo für kanonifch gehalten habe.

antiker Illuftrationskunft, von deren Art ein Iliasfragment
der Ambrosiana und zwei Vergilhandfchriften der Vati-
cana, aus dem 4. und 5. Jahrhundert, Proben geben, ift
der Stamm der altchriftlichen Miniaturmalerei {Kalen-
darium der Söhne Conftantin's und Genesis in Wien, die
halb verbrannte Genesis Cottoniana und der cod. Rossa-
nensis), wie es Scheint, ungegabelt geblieben bis zum

Gemeindeorganifation betreffend find meine Aus- j 6. Jahrhundert. Seit der Zeit kann man einen byzan-
führungen mittlerweile zwar durch das fchon in zweiter I tinifchen und einen lateinifchen Zweig unterfcheiden.
Auflage erfchienene,Epoche machende Werk von Hatch, 1 Ein allmählich verkrüppelter Ausläufer der letztern ift die
deffen Studium ich dem Verf. bei Bearbeitung feines j irifche Kunft, ein frifcher Trieb aus demfelben Aft die
zweiten Bandes empfohlen haben will, überholt, nicht j angelfächfifche Miniaturmalerei. Doch find die Blüthen

aber widerlegt worden durch den falomonifchen Befchlufs:
,Der Apoftel mufste kraft feiner Autorität und Vollmacht
fchöpferifch geftaltend in die kommenden Tage
hineingreifen' (S. 243). Meine Anficht über die fgnofti-
fchen) Genealogien werde ich aufgefordert, zurückzunehmen
(S 297), fchon weil fie vor Hof marin's Ausdiefes
Zweiges vielfach befruchtet von der irifchen Kunft,
die angelfächfifchen Miniaturen im Pfalter des h. Augu-
ftin (Brit. MuL) und im Cuthberthbook (ebenda) z. B. find
Früchte der Verfchmelzung irifcher Technik mit unverdorbenerem
lateinifchen Gefchmack. Und diefe angelfächfifche
Kunft hat gar bald felbftändige Zweige gelegung
des Wortes a'/ineg I, 4nicht beliehen kann (S. 279 f.). | trieben : der Utrechtpfalter, mit dem Spr.'s Abhand-
Sonft foll ich noch bezüglich der Irrlehrer zwei ßeweife lung fich befonders befchäftigt, giebt Kenntnifs von einer
Schuldig geblieben fein (S. 280. 324): der erfte fleht S. I völlig eigenthümlichen Illuftrationsweife, die man, wenn
130. 148 f. 164. 235. 336. der andere S. 265 meines ein Schlufs aus ähnlichen Miniaturen Späterer Zeit geBuches
. Der pofttiven Anficht des Verf.'s zufolge hätten ftattet ift, der Schule von Winchefter zuweifen möchte,
die Irrlehrer die heilige Schrift, infonderheit den vouog, 1 Aus England hat dann die karolingifche Zeit auch für
indem fie ihn in uv&oi y.ai yevealoyiai umfetzten, behan- j die Miniaturmalerei reichliche Anregung bekommen, der
delt ganz wie der jüdifche Gefchichtfchreiber Jofephus ■ angelfächfifche Einflufs auf die Bildung der karolingi-
(S. 292 f.) oder vielmehr ,genau wie es die modernen fchen Zeit mufs auch hier Stark betont werden. Das
Kritiker machen' (S. 294 f.), wie es ,mit den Facta des zweite conftituirende Element für den Charakter der ka-
Lebens Jefu' (S. 287; vgl. S. 289) ,die mit dem Un- j rolingifchen Kunft ift ein abfichtlicher Rückgang auf die
glauben verbundene negative Kritik' (S. 291) zu treiben ! Antike. Die karolingifche Zeit ift die Zeit der erften
liebt. Damit flehen wir freilich nur vor einem Mode- : Renaiffancc. Seit diefer Zeit verzweigt fich die Minia-
witze des Tages und befchliefsen daher unfere, vielmehr turmalerei gar mannigfach. Aufser Alcuin's Schule in
auf den Kern der Sache gerichtete, Befprechung. Tours find mehr oder minder deutlich Schulen in Metz

Strafsburg i. E. H. Holtzmann. und Trier zu unterfcheiden; aufserdem grenzt fich wie
0__ _ ja lur die Lulturgefchichte überhaupt, 10 auch tur

Springer, Ant., Die Psalterillustrationen im frühen Mittel- j ,ie gefchichte der Miniaturmalerei das Zeitalter Karl's
v * '. ' , ,r Ll r , T1 , . des Kahlen von dem Karls des Grofsen ab, und in beialter
mit befonderer Ruckficht auf den Utrechtpfal- , den Abfchnitten höfliche Bildung von der klöfterlichen.
ter. (Des VIII. Bandes der Abhandlungen der phi- Soweit mufs die Gefchichte der Miniaturmalerei verfolgt
lologifch-hiftorifchen Claffe der königl. Sächfifchen , werden, wenn der Utrechtpfalter verstanden werden foll.
Gefellfchaft der Wiffenfchaften Nr. II.) Leipzig 1880, Von byzantinifchem Einflufs ift weder in der angelfäch-

Hirzel. (VII u. S. 185-296. hoch 4.) M. 8. - ^X^na ^w'filnf it™ £"!* • t-T ^Vn"
3 * ^' | entdecken, Oftrom hat leine eigene Entwicklung. Vor

Auch bei langer Verfpätung einer Anzeige ift Nach- < dem Bilderftreit hat die byzantinifche Malerei, wie fleh

holen beffer als verfchämtes Schweigen; in dem vorlieg- ' aus fpätern Copien — z. B. der bekannten Jofuarolle

enden Falle um fo mehr, da diefe Publication des be- des Vatican und aus den doppelt vorhandenen illuftrir-