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Ausgabe:

1882

Spalte:

577-581

Autor/Hrsg.:

Reuss, Ed.

Titel/Untertitel:

Die Geschichte der heiligen Schriften Alten Testaments 1882

Rezensent:

Guthe, Hermann

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack und D. E. Schürer, Proff. zu Giefsen.

Erfcheinl Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

N°- 25.

16. December 1882.

7. Jahrgang.

Reufs, Die Gefchichte der h. Schriften Alten

Teftaments (Guthe).
Cazet, Du mode de filiation des racines semi-

tiques et de l'inversion (Kautzfeh).

Kölling, Der erfte Brief Pauli an Timotheus.

I. Thl. (Holtzmann).
Springer, Die Pfalterilluftrationen im frühen

Mittelalter (Loofs).

Bienemann, Die Anfange unferer Reformation

(Bonwetfch).
Reinkens, Melchior von Diepenhrock. Ein

Zeit- und Lebensbild (Kattenbufch).
Kühn, Unfere Ruhe in Gott. Predigten (Kay).

Reuss, Ed., Die Geschichte der heiligen Schriften Alten Te- nicht fowohl der kritifchen Analyfe der erften Bücher
staments. Braunfchweig 1881, Schwetfchke & Sohn, des A. T.'s die Wege gewiefen, als vielmehr ein Stück
(XV 743 S er 8) M 14 — ! ^res Wandels, ihrer Gefchichte, an fich felbft erlebt.

' '4^ * * Es kann keinen befferen Beweis für die mafsgebende

An dem vorliegenden Buche haftet ein grofses In- ' Bedeutung, die den Gedanken des Verf.'s über die Ent-
tereffe in mehr als einer Beziehung. Abgefehen von Wickelung Ifraels in gewiffer Hinficht zukommt, geben,
allen einzelnen Ergebnifsen der in ihm niedergelegten | als dafs ein Abfchnitt diefes Buches, deffen erfte Con-
Forfchung belehrt uns dasfelbe zunächft darüber, in j ception fchon fo lange zurückliegt, dennoch für die
welchem Mafse fein Verfaffer an der Gefchichte, die das 1 deutfehe altteftamentliche Literatur etwas vollftändig
Verftändnifs des A. T.'s in den letzten 50 Jahren durch- ! Neues bringt, wofür ihm alle Fachgenoffen, gleichviel
laufen hat, betheiligt gewefen ift. Wie der ehrwürdige von welcher wiffenfehaftlichen Anfchauung, dankbar fein
Senior der theologifchen Facultät in Strafsburg auf p. werden. Das ift die zufammenhängende Darfteilung fowohl
VIII der Vorrede mittheilt, fielen feine Studienjahre in j der Ereignifse, als auch der geiftigen Thatigkeit in der
eine Zeit, wo man fich um einen ,pfychologifch begreif- j jüdifchen Gemeinde von der Zerftörung des erften Temlichen
Entwickelungsgang des ifraelitifchen Volkes' we- i pels an abwärts. In diefe Zeit, die man fich nach der
nig bemühte, ,dagegen viel Fleifs an natürliche Wunder- [ herkömmlichen Gefchichtsbetrachtung überwiegend nicht
Erklärungen vergeudet wurde. Nur die unnatürlichlten nur als eine äufserlich ruhige, fondern auch als eine uu-
Wunder, das Beginnen der religiöfen Erziehung Ifraels J thätige, jedenfalls unproduetive zu denken hatte, verlegt
ja die neue Anfchauung, als deren Urheber, wie
wir jetzt genau wiffen, Reufs und Vatke anzufehen find,
höchft bedeutfame, die Entwickelung der ifraelitifchen
Religion geradezu abfchliefsende Stücke des A. T.'s.
Ein folche Datirung derfelben ift in Einzelfchriften auch
von mehreren deutfehen Gelehrten fchon vor R. aufo-e-
ftellt worden; aber es fehlte bis jetzt an einer in eine
Gefammtgefchichte Ifraels eingegliederten Darfteilung
diefer Periode auf Grund der angedeuteten kritifchen
Refultate. R. bietet fie uns in feiner ,Gefchichte', und

mit der fertigen levitifchen Cultordnung, die Unbekannt-
fchaft der gröfsten Propheten, eines Samuel und Elija,
mit derfelben, und andere der Art, die liefs man unerklärt
'. Indem Reufs fein Augenmerk nicht auf die
äufserlich gefchichtlichen Thatfachen in den biblifchen
Schriften richtete, fondern auf die gefetzlichen, und
in dem Studium diefer den Ariadnefaden zu finden
hoffte, entftand für ihn zuletzt der Kanon, der jedoch
nur als allgemeines Schema Geltung haben foll, dafs
die Propheten älter feien als das Gefetz und die Pfalmen

jünger als beide. Es ift das alfo, verglichen mit der ! auf diefen Theil derfelben wird fich in fachlicher Be-
Art, wie andere, z. B. Kuenen und namentlich Well- - ziehung die Aufmerklamkeit feiner Lefer in erfter Linie

häufen, das Problem der Gefchichte Ifraels angegriffen
haben, der entgegengefetzte Weg, und R. ift auf ihm
zu demfelben Ziele gekommen, das fich auch jenen ergeben
hat — was immerhin als eine beachtenswerthe
Probe für die Triftigkeit des Rcfultates betrachtet werden
kann. Nach diefem Kanon hat R. die hebräifche
Gefchichte entworfen und darauf zum erften Male im
Sommerfemefter 1834, nach feiner fchon aus der .Gefchichte
der H. Schriften N. T.' bekannten Weife, über

richten.

Die Behandlung des Stoffes ift, von gewiffen durch
ihn bedingten Aenderungen abgefehen, diefelbe, welche
R. in den einleitenden Paragraphen feiner ,Gefchichte
der H. Schriften des N. T.' dargelegt und dann ausgeführt
hat. Das erfte Buch behandelt ,die Zeit der Helden
', das zweite ,die Zeit der Propheten', das dritte ,die
Zeit der Priefter', das vierte ,die Zeit der Schriftgelehrten
'. Voran geht eine Einleitung, welche über Methode,

Einleitung in das A. T. gelefen. Wir rafch lebenden Umfang, Quellen, Hilfsmittel etc. orientirt. Die Zeit der
Kinder des 19. Jahrhunderts werden uns vielleicht be- , Helden fchildert den Völkerzufammenhang, aus dem
wogen finden, an einem Buche, deffen Inhalt nun fchon ; Ifrael hervortritt, das Land, in dem, und die Völker

faft 100 Semefter begrüfst hat, mit dem Argwohn, der-
felbe fei bereits veraltet, vorüberzugehen. Allein wir
erhalten doch nicht n u r das, was der Verf. vor 50 Jahren
gedacht hat; denn ,erft im Lauf der letzten Jahre'
ip IX) hat R., durch die Erörterungen feines Schülers
Grafs und Anderer becinflufst, in der Pentateuchkntik
den wichtigen Ucbergang von der Ergänzungshypothefc
zu einer folchen Dispofition der Frage vollzogen, welche

neben denen es fefshaft wird, und läfst auf ein Bild des
älteften Culturzuftandes die Erlebnifse des Volkes bis
zum Köüigthum des David folgen. Die letzteren hat R.
meift in den Paragraphen nach der Sage erzählt und
fügt in den Zufätzen die Kritik derfelben bei. Hier mufs
man alfo die Elemente für eine pofitive Conftruction
der älteften Vorgänge fuchen, die zur Bildung des Volkes
Ifrael geführt haben. Nur die focialen und religiö-

die Compofition des Pentateuchs oder richtiger Hexa- j fen Verhältnifse find von ihm pofitiv entworfen. Hel-
teuchs im Grofsen und Ganzen, was gleichfam den Auf- j denlieder waren hauptfächlich das Product diefer Zeit
zug des Gewebes anlangt, nach dem Schema der Quel- (Deboralied, Klage David's um Jonathan), dazu die An-
enhypothefe vorftellig macht. Hierin hat alfo der Verf. fänge der Urväterfage, welche mit Recht als eine Art

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