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Ausgabe:

1882 Nr. 24

Spalte:

572

Autor/Hrsg.:

Graf zu Solms-Laubach, Friedr.

Titel/Untertitel:

Wetterfelder Chronik. Aufzeichnungen eines lutherischen Pfarrers der Wetterau, welcher den dreißigjährigen Krieg von Anfang bis Ende mieterlebt hat, hrsg., erklärt und erläutert 1882

Rezensent:

Strack, Carl

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Theologifche Literaturzeitung. 1882. Nr. 24.

572

lefen hat, begreift man, warum es diefe Verbreitung
gefunden hat. Die Abiäffe gleichen einem koloffalen
Vermögen, welches in allen möglichen Werthpapieren
angelegt ift und eine fehr complicirte Verwaltung er-
heifcht. Der Kenner kann Vieles gewinnen, wo der
Unerfahrene fich vielleicht nur Schaden fchafft. Mit dem
,Handbuch' als Berather kann der Gläubige fich zweifelsohne
ganz gewaltige Vortheile zuwenden. Gerade die
unerhörte Mechanifirung des ganzen Betriebs bedeutet
wohl die Hauptmacht der Kirche auf diefem Gebiete.
Ich vermuthe, dafs ich nur eine fummarifche Ueberllcht
über den Inhalt des Buches zu geben brauche, um die
Symboliker zu veranlaffen, diefes ,Handbuch' für ihre
Aufgabe ferner nicht fo wie bisher unbenutzt zu laffen.
Der erfte Theil S. 1—109 handelt von den ,dogma-
tifchen und allgemeinen Begriffen'. Hier legeich
den Finger befonders auf Abfchnitt VI: ,verfchiedene
Arten von Abiäffen' (vollkommene Abiäffe, Jubiläums
-, unvollkommene Abiäffe, Abiäffe von mehreren
taufend Jahren, unechte, örtliche, perfönliche etc. Abiäffe
). Der zweite Theil ift der eigentlich wichtige.
Derlelbe behandelt auf S. 109 —624 die hauptfächlichften
gegenwärtig in Betracht kommenden Abiäffe. Der erfte
Abfchnitt bringt die Gebete, mit denen Abiäffe verknüpft
find (1. zur allerheiligften Dreifaltigkeit, a. im
Allgemeinen, b. zum Vater, c. zum Sohne, d. zum h.
Geiftc; 2. zur allerfeligften Jungfrau; 3. zum h. Erzengel
Michael; 4. zum h. Schutzengel; 5. zum h. Jofeph; 6. zu
verfchiedenen Heiligen; 7. Gebete um die Gnade eines
guten Todes; 8. Gebete für die Verftorbenen; 9. Gebete
in verfchiedenen Gelegenheiten und Anliegen. Das
Intercffe, diefe Gebete kennen zu lernen, z. B. die verfchiedenen
Rofenkränze, Coronen, Aufopferungen, Schufs-
gebetlein etc. greift natürlich weit über das blofse In-
tereffe am Ablafswefen hinaus!). Der zweite Abfchnitt
behandelt die ,Uebungen der Frömmigkeit, des
Seeleneifers und der Nä chftenli ebe', die in das
Ablafsdepartement fallen. (Hier unter vielem Anderen
Auffchlüffe über den h. Kreuzweg; die Kreuzwegandacht
vor den fogenannten Stationskreuzehen; den Befuch
des h. h. Sacraments bei der Ausfetzung zum 40ftündigen
Gebet; die Begleitung der h. Wegzehrung; die Novene
zu Ehren des h. h. Herzens Jefu; das fogen. Herz-Jefu-
Scapulier; den Maimonat; den Monat September zu
Ehren der fchmerzhaften Mutter Gottes; den Monat
März zu Ehren des h. Jofeph; die Exercitien des h. Ignatius
und die Miffionen; das Liebesmahl zu Ehren der
h. Familie; den heldenmüthigen Act der Liebe etc.).
Im dritten Abfchnitt gewinnt man eine Ueberficht
über die unglaublich zahlreichen, den verfchiedenften
dauernden oder aus den Verhältnifsen der Gegenwart
entfprungenen religiöfen, focialen, kirchenpolitifchen
Zwecken dienenden ,Bruderfchaften, Congregatio-
nen und frommen Vereine', die alle ihre befonderen
Ablafsfchätze befitzen und durch diefe den Hauptfti-
mulus empfangen. Der vierte Abfchnitt behandelt
,An dachtsgegenftände' (Kreuze, Rofenkränze, kleine
Statuen und Medaillen mit den päpftlichen Abiäffen;
Kreuze und Rofenkränze, welche aus dem h. Lande
kommen; die kleinen Statuen des h. Petrus; die Agnus
Da; das St. Benedictus-Kreuz oder die Medaille des h.
Benedictus). Der fünfte Abfchnitt betrifft die ,befonderen
Abiäffe' (z. B. den Portiuncula-Ablafs; den
Ablafs des Jubeljahrs; den Ablafs des privilegirten Altars
etc.). Mit einer Anzahl Formulare für ,Segnungen'
für die .Aufnahme in Bruderfchaften' und für die
,Ertheilung des Sterbe-Ablaffes', die in einem
dritten Theile zufammengeltellt find (S. 624—65), endlich
einem Nachtrag, der eine Anzahl Entfcheidungen
der Ablafscongregation, der Poenitentiarie und anderer
vorgefetzten Behörden bringt, fchliefst das Werk.

Giefsen. F. Kattenbufch.

i Wetterfelder Chronik. Aufzeichnungen eines lutherifchen
Pfarrers der Wetterau, welcher den dreifsigjährigen
Krieg von Anfang bis Ende miterlebt hat, hrsg., erklärt
und erläutert von Friedr. Graf zu Solms-
Laubach und Gymn.-Lehr. Wilh. Matthaei. Giefsen
1882, Ricker. (346 S. gr. 8.) M. 8. —

Als Grundlage diefer Publication dient die fog. Wetterfelder
Chronik, welche die Leiden des in der Graf-
fchaft Laubach gelegenen Dorfes Wetterfeld und der
; Umgegend während des dreifsigjährigen Kriegs erzählt.
| Diefelbe iftniedergefchrieben von dem Pfarrer Ernft Lorenz
Hirfch, gewöhnlich Cervinus genannt, welcher von 1608
bis 1658 das Pfarramt zu Wetterfeld bekleidete und alfo
von Anfang bis Ende die fchreckliche Zeit des Kriegs
erlebte. Er mufste aber während 13 Jahren i8mal mit
oder ohne feine Pfarrkinder fein Pfarrdorf verlaffen, und
von 1634—48 174 Wochen lang hinter den Mauern der
Städte Laubach und Grünberg zubringen. Wenn er zurückkehrte
, fand er das Pfarrhaus verwüftet, theil weife
zerftört, den Ort faft menfchenleer, von Hunden halb
verzehrte Leichname auf den Strafscn und in den Scheunen
. Hungersnoth und Peft vergröfserten das Elend,
das die wilde Soldateska, Feind oder Freund faft einerlei
, mit Plündern und Morden verurfachte. Erft gegen
Finde des Kriegs hat Cervinus feine Phlebnifse und Erfahrungen
aufgefchrieben, daher kommen wohl im Einzelnen
einige lapsus memoriae vor, doch im Ganzen
trägt diefe Chronik das Gepräge der Wahrheit und verdient
in weiteren Kreifen bekannt zu werden. Allerdings
hatten die Herausgeber zunächft die Abficht, den
Bewohnern Laubachs und der Umgegend eine Fundgrube
für die localfte Specialgefchichte, in der Zeit des
30jährigen Kriegs zu öffnen, dabei wollten fie aber auch
ein Culturbild aus jenen traurigen Zeiten geben, das
auch für Fernerftchende einiges Intercffante darbieten
dürfte. Wir glauben, dafs fie beides erreicht haben, und
um des zuletzt genannten Punktes willen verdient die
Schrift eine Berückfichtigung in diefem Blatte. Wir bemerken
dabei, dafs die Chronik lange nicht die Hälfte
der vorliegenden Schrift einnimmt. Zur Erläuterung
dienen faft auf jeder Seite mehr oder minder ausführ-
1 liehe Anmerkungen unter dem Text und hierauf ein ausführlicher
Anhang von Mittheilungen aus der Specialgefchichte
des 30jährigen Kriegs von Gymnafiallehrer
Matthaei. Gerade diefe find von befonderem Intercffe
und werden ohne Zweifel auch dazu dienen, die Kennt-
nifs jener fchrccklichen Zeit zu erweitern und den Ge-
fehichtfehreibern derfelben willkommenes Material zu
I bieten. Befonders wichtig find allerdings die mitge-
I theilten Einzelheiten für die heff. Gefchichte, nament-
j lieh in Betreff des Krieges zwifchen Heffen-Caffel und
Heffen-Darmftadt wegen des Befitzes von Oberheffen.
Lang-Göns. K. Strack.

Bibliographie

von Dr. Caspar Rene Gregory.
jDcutfdx Uiteratur.

! Dillmann, A., Die Genefis, erklärt. 4. Aufl. [Kurzgefafstes exeget. Handbuch
zum A. T. II. Lfg.] Leipzig, Hirzel, 1882. (XX, 457 S. gr. 8.)

7. 5°

! Cornill, C. H., Der Prophet Ezechiel, gefchildert. [Sammlung v. Vorträgen
, hrsg. v. W. Frommel u. F. Pfaft". 8. Bd. 7. u. 8. Hft.] Heidelberg
, C. Winter, 1882. (53 S. 8.) I. —

Lerner, M., Anlage u. Quellen d. Berefchit Babba. Preisfchrift. [Aus:
,Mag. f. d. Wifi". d. Judenth.'] Berlin, (Adf. Cohn), 1882. (148 S.
gr. 8.) 3- -

Volkmar, G., Jefus Nazarenus u. die erfte chnftliche Zeit, m. den beiden
erften Erzählern. Zürich, Schmidt, 1882. (IX, 403 S. gr. 8.) 6. 50
! Steinmeyer, F. L., Die Gefchichte der Paffion d. Herrn, in Abwehr d.
krit. Angriffs betrachtet. 2. Aufl. Berlin, Wiegandt & Grieben, 1882.
(IV, 293 S. gr. 8.) 4. —

Heydt, K. v. der, Excgetifcher Commentar zu neun Briefen d. Apoftels
Paulus. 2 Bde. Elberfeld, Friderichs in Comm., 1882. (788 u. 714 S.
gr. 8.) 10. —