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Ausgabe:

1882 Nr. 24

Spalte:

566-568

Autor/Hrsg.:

Dieckhoff, Aug. Wilh.

Titel/Untertitel:

Justin, Augustin, Bernhard und Luther. Der Entwickelungsgang christlicher Wahrheitserfassung in der Kirche als Beweis für die Lehre der Reformation 1882

Rezensent:

Harnack, Adolf

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Theologische Literaturzeitung. 1882. Nr. 24.

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keiten, welche einem Solchen Unternehmen im Wegeftehen, I colitttr et adoratur' verftanden werden; die Väter hüteten
der Mangel jeglicher literarischer HülSsmittel, diedemStu- Sich ohne ZweiSel zu Schreiben; ,ne Dens et Christus in
direnden in die Hand gegeben werden können, eine der j parictibus depingantur' — abgebildet werden. Wäre
empfindlichsten ift. Die Folge ift, daSs man Sich nach J unScr Kanon ein Proteft gegen die Verwerthung der jetzt
fehlgeschlagenem VerSuchen immer wieder auS das 2. | erft in die Kirchen und den Cultus eindringenden Kunft
Jahrhundert zurückzieht. AuS dieSem Gebiete aber hält 1 überhaupt, So wäre Seine Formulirung mindestens Sehr
es überaus Schwer, eine ruhige .durch kritiSche Reflexionen auffallig. Er darf nicht als ein Zeugnifs der Kunftver-
ungeftörtc Betrachtung der Dinge zu ermöglichen und j achtung der alten Kirche überhaupt aufgefafst werden,
dem Anfänger vorSchnelle Beurthcilungen abzufchnei- fondern als ein Verfuch, die Entwicklung der monumen-
den. An das 2. und 3. Jahrhundert Sollte Sich nur der talen, christlichen Kunft zu hiftorifcher Darstellung zu
wanen dürfen "der im 4. Sich zurechtgefunden hat. Aber hemmen. Allerdings ift auch bei diefer Auffaffung ein

zur Zeit ift es noch unmöglich, diefen methodifch richtigen
Gang, der die Dilettanten abfehrecken würde,
wirklich einzuhalten.

So zu Sagen archaiftifches Motiv nicht zu verkennen;
aber diefes entspricht in der That noch den Zuftänden
am Anfang des 4. Jahrhunderts, So wenig es mehr im

3. Die 81 Kanones der Synode von Elvira find in j Stande war, Sich durchzusetzen. Die bekannten Beftim-
alter und neuerer Zeit vielfach und Sorgfältig commentirt , mungen über christliche ,ßamincs' hat Dale ausführlich
worden [f. Hefele, Conciliengefch. PS. 148—192; dazu behandelt. — Was man fälfchlich als novatianifchen
Dale S. 340 f.). Ihr reicher Inhalt einerfeits, das Auf- Zug in den Kanones von Elvira bezeichnet hat, ift vom
fallende einzelner Bestimmungen andererfeits hat die Verf. richtig erläutert worden. Er hat dabei die Gefahr
Hiftoriker und Kanoniften immer aufs neue angezogen, des Gcneralifirens, die gerade auf dem Gebiete der kirchin
dem oben unter 3 genannten Werke hat Dale die [ liehen Sittenregeln befonders verhängnifsvoll ift, da hier
Kanones zur Giundlagc einer umfangreichen Studie über i grofse Freiheit in den Diöcefen gewaltet hat, überall, fo-
das christliche und kirchliche Leben am Anfang des 4. ; weit Ref. zu urthcilen vermag.vermieden. Der Darstellung
Jahrhunderts gemacht. Statt die Kanones in der über- ift ein umfangreiches Capitel vorangestellt, in welchem der
lieferten, principlofen Reihenfolge einzeln zu commen- Verf. von dem Ort der Synode, der Zeit und der Zu-
tiren, hat er es vorgezogen, ihren Inhalt fyftematifch zu [ fammenfetzung handelt. Dale zeigt, dafs Elvira an der
criiDpiren und unter Berücksichtigung der gleichzeitigen i Stelle des heutigen Granada gestanden hat, und dafs die

Urkunden eine Ueberficht über die discipliua Christiana
des 4 Jahrhunderts, zunächst für Spanien, zu geben.
Ref. kann diefe neue Methode, die Synodalkanones für
die Kirchengcfchichte fruchtbar zu machen, nur freudig
begrüfsen. So lange Sie als Fragmente behandelt werden
, bleiben Sie wie alles Fragmentarische unwirkfam.
Die wichtigsten Erkenntnifse werden oft erft gewonnen,
wenn man die einzelnen Kanones zufammenftellt und
mit einander verbindet. Hefele hat in feinen Erläuterungen
dies nicht feiten in Form von Verweisungen ge-
than; aber jeder Lefer wird auch nach forgfältiger Leetüre
der lehrreichen Anmerkungen Hefele's zunächst

Synode um d. J. 306 (So auch Hefele) gehalten wordne
ift. Diefes Datum ift durch immerhin nicht Sichere Com-
binationen, für welche die felbft wiederum unfichere Chronologie
des Lebens des Hofius fowie die Gefchichte des
Valerius von Saragoffa die Grundlage bildet, feftzuftellen j
aber auch Ref. ift gewifs, dafs die Synode nach der Diocletia-
nifchen Verfolgung und vor dem Jahre 312 Stattgefunden
hat. Am Schliffs giebt der Verf. einen Abdruck der
Kanones nach der kritifchen Ausgabe von Gonzalez.

Alle drei hier zufammengcltellten Arbeiten englischer
Kirchenhiftoriker find, wenn auch in verschiedenem
Mafse, ein Zeugnifs für die Hingebung, den Fleifs und

nicht im Stande fein, Sich ein zusammenhängendes Bild ; die Gelehrsamkeit, mit welcher die patriftifchen Studien
von den Intereffen und Abrichten der Synodalen zu j in England heutzutage betrieben werden. Noch übermachen
. Dale hat den Stoff in 5 Capitel untergebracht j wiegen in diefen Werken die Citate aus deutfehen Arbeiten;
(Church Organization and Disciplinc — Christian Morality , aber wenn jenfeits des Canals fo rüftig weiter gearbeitet
— Ascetism, Sacerdotalisni, and Superstition — The rclation . wird, fo wird Sich das Verhältnifs bald umkehren.
of the Christian to the State and to Society — Christian ' Giefsen An^if tj ,

Worship). Er hat Sich dabei wohl gehütet, im Einzelnen Cj'e'Se"-__Adolf Harnack.

weiter zu gehen als die Bestimmungen von Elvira es

verlangen; aber er hat eben durch diefe Befchränkung Dieckhoff, Prof. Dr. Aug. Wilh., Justin. Augustin. Bernauf
Sic und das direct verwandte Material ein fehr brauch- hard und Luther. Der Entwickelungsgang christlicher
bares und dankenswerthes Buch geliefert. Die Abficht, Wahrheitserfaffung in der Kirche als Beweis für die
eben nur die Kanones von Elvira auszubeuten, ift vom T ehre der Reformation Fünf v„^„„ t • •
Verf., wie es Ref. fcheint, hie und da faft zu ängftlich ^ d« Deformation. ' Vortrage Leipzig

festgehalten worden. So nimmt Dale bei feiner forg- l***. J- Naumann. (VIII, 104 S. gr. 8.) geb. M. 2. -
fältigen und theilweife richtigen Erklärung des berühmten t Diefe Vorträge, von denen der erfte im J. 1878, die
36. Kanons (,P/acmt picturas in ecclesia esse non debere, folgenden in diefem Jahre gehalten worden find, bilden
ne quod colitur et adoratur in parietibus depingatur') keine eine Einheit, fofern in ihnen dargeftellt werden foll, wie
Notiz von den Inftanzen, welche den Kanon zunächst die Auffaffung vom christlichen Heile Sich innerhalb der
als höchft paradox erfcheinen laffen. Und doch hätte Gefchichte der Kirche vertieft hat, um bei Luther ihren
gerade ihm die Ivrklarung der Paradoxie nicht fchwer vollen Sinn wieder zu gewinnen. Die dogmeno-efchicht-
tallen können. Der Kanon fällt in eine Zeit, wo fich in liehe Entwickelung, foweit es fleh in ihr um die Beant-
der christlichen Kunft der Uebergang von der fymbo- wortung der entscheidenden Frage nach dem rechten
lifchen zu der hiftorifch-realiftifchen Darfteilung vollzog. Wege zum Frieden mit Gott und zur Seligkeit handelt
Diefer Uebergang ift Vielen bedenklich erfchiencn fo- foll hier an den perfönlichen inneren Erlebnifsen und
wohl in Hinblick auf die ATtlichen Bestimmungen als i Ausfagen der epochemachenden Theologen weiteren
auch in Rückficht auf die Gefahr, dafs nicht das Bild Kreifen zum Verftändnifs gebracht werden. Der Verf
zum Götzen werde. Aus diefer Beforgnifs heraus ift das hat diefe nicht leichte Aufgabe in eigenthümlicher Weife
Verbot erlaffen, und fein Wortlaut noch läfst das Motiv zu löfen gefucht und Niemand wird die Vorträge ohne
erfchliefsen. Wandgemälde in den Kirchen find nicht Dank für die empfangene Anregung aus der Hand le^en
verboten, weil die Malerei überhaupt keine Stelle im 1 Die Form anlangend, fo hält Ref. die beiden elften Vor-
Gotteshaufe haben foll, Sondern weil fie in der Gegen- träge für die vorzüglichsten. In dem 5. (,Die Lehre
wart einen fonft nicht abzuwehrenden Mifsbrauch zur Luthers in der Zeit vor dem Ablafsftreit') überwiest das
Folge habe. Diefer Mifsbrauch befteht darin, dafs die theologifche Räfonnemcnt fo Stark, dafs er fich wie eine
Perfonen der Gottheit — nur fie können unter ,quod Abhandlung lieft und jedenfalls fehr gefchulte I efer