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Ausgabe:

1882 Nr. 2

Spalte:

38-39

Autor/Hrsg.:

Sachsse, Hugo

Titel/Untertitel:

Die Lehre vom Defectus sacramenti 1882

Rezensent:

Köhler, Karl

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Theologifche Literaturzeitung. 1882. Nr. 2.

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eine Reihe von Stellen, die für die Gefchichte des Ka-
tholicitätsbegriffs in Betracht kommen, brauchbar ift.
Höchft oberflächlich ift fchon die ,Gefchichtlich-fprachliche
Vorunterfuchung' (S. 1 —14 , welche das Stück von der
Kirche im Symbol fowie die Begriffe ,katholifch' und
,ccclesial behandelt und eine fehr flüchtige Kenntnifs der
neueren Arbeiten über das Taufbekenntnifs bekundet.
Unrichtigkeiten wie die (S. 45), dafs das Muratorifche
Fragment ein Palimpfeft fei, begegnen nicht feiten. In
den theologifchen Partien frappirt vor allem der detail-
lirte Nachweis, dafs die Bedeutung des Petrus für den
neuen Bund fleh decke mit der Bedeutung Abraham's
für den alten (S. 15 f.). Faft jeder bedeutenden Wendung
in der Gefchichte Abraham's entfpricht eine folche
in der Gefchichte des Petrus. Als Refultat feiner Unter-
fuchungen über den Begriff der Katholicität giebt der
Verf. folgende Zufammenfaffung. ,Die Kirche heifst
ftets katholifch: I) infofern fie ein durch innere und
äufsere Einheit vereinigtes Ganzes ift, obgleich ihre einzelnen
Theile fleh an verfchiedenen Orten befinden.

2) infofern fie gemäfs ihrem Berufe an das ganze
Menfchengefchlecht über die ganze Welt ausgedehnt ift
und immer mehr wird, w ährend die von ihr abgefallenen
Theile räumlich befchränkt bleiben;

3) infofern fie ebendeshalb in unvollkommener Form
ftets da war und in der ihr durch Chriftus gegebenen
Form ftets fortbefteht, während die Secten kommen und
gehen;

4) infofern fie zu diefem Berufe befähigt ift, dadurch
dafs fie alle von Gott zur Mittheilung an die Menfchen
beftimmte Wahrheit und Gnade in fich fafst, bewahrt,
treu überliefert und ausfpendet, während die Secten
höchftens Bruchftücke davon bewahren;

5) infofern fie die einzige ordentliche Heilsanftalt
für alle Menfchen ift, fo dafs Niemand wiffentlich aufser
ihrer Einheit flehen darf, und ihr alle mit Gott Vereinigten
angehören'.

Das Auffallende hier ift nur dies, dafs diefe Be-
ftimmung des Begriffs der Katholicität ftets gegolten
haben foll.

Giefsen. Ad. Harnack.

Synopsis purioriS theologiae, disputationibus quinquaginta
duabus comprehensa ac conscripta per Iohannem
Polyandrum, Andream Rivetum, Antonium Walaeum,
Antonium Thysium, s. s. Theol. Doctores et Profes-
sores in academia Leidensi. Ed. sexta. Curavit et
praefatus est Dr. H. Bavinck. Lugduni Batavorum
1881, Donner. (XIV, 669 S. gr. 8.)

Diefes Compendium reformirter Dogmatik fleht in
feiner Art einzig da. Es ift das Werk von vier Männern
, Profefforen der Theologie zu Leiden, welche im
Titel genannt find. Es erfchien zum erftenmal 1625,
zum funftenmal 1658. Jetzt liegt die fechfle Ausgabe
vor, welche der Vorredner für zeitgemäfs achtet, da
nicht nur die feit 1839 beftehende feparirte reformirte
Kirche in den Niederlanden die durch die Dortrechtcr
Synode feftgeftellte Lehre aufrecht erhält, fondern der
Rückgang dahin auch in der Landeskirche in der Zunahme
begriffen ift. Den Dortrechter Befchlüffen gemäfs
ift in diefem Buche die Prädeftinationslehre infra-
lapfarifch dargeltellt; die darin liegende Abweichung von !
Calvin und von Beza wird durch Anführung von ein
Paar gleichgiltigen Sätzen derfelben vertufcht, Aber j
mit Calvin gegen Beza ftimmt das Buch darin überein,
dafs nicht die Prädeftination, fondern die Providenz
Gottes, welche die menfehliche Freiheit theils zuläfst,
theils ergänzt, die Stammlehre ift. Als das Ziel der
göttlichen Vorfehung wird die Ehre Gottes und die
Seligkeit der Erw ählten in der Anerkennung jener aufgehellt
. Von den anderen Eigenthümlichkeiten der re-

formirten Theologie, abgefehen von der Abendmahlslehre
, giebt die Darftellung der Vier keinen fo präcifen
Eindruck, wie man es erwarten oder wünfehen möchte.
Es ift zwar ausgefprochen, dafs die Erniedrigung des
Sohnes Gottes, alfo des Logos, in der Annahme der
menfehlichen Natur befteht; aber die Folgen diefer
Lehrweife werden nicht deutlich. Es kommt zwar auch
zum Ausdruck, dafs das Werk Chrifti den Erwählten
I oder dem Volke Gottes gilt; allein diefe Beziehung
wird nicht ficher vergegenwärtigt, und weder an der
prieftcrlichen Leiftung, noch an der Deutung der Auf-
erweckung Chrifti zum Zweck der Rechtfertigung der
Erwählten durchgeführt, noch auf die Lehren von der
Berufung und der Entftehung des Glaubens angewendet.
Sehr befonnen ift die Lehre von der Willensfreiheit behandelt
. Von der fcholaftifchen Kunft eines Voet ift
diefe Leiftung ziemlich entfernt; indeffen kann ich mit
dem Vorredner darin keinen erheblichen Vorzug erkennen
, da das Element des Diftinguirens doch auch diefe
Theologie beherrfcht, nämlich die cinfeitige Denkthätig-
keit, welche nicht durch eine cbenfo ftarke Fähigkeit
der Zufammenfaffung des Unterfchiedenen aufgewogen
wird. Denn darin befteht im Grunde der Fehler, den
wir an aller Scholaftik zwar empfinden, aber uns feiten
klar machen.

Göttingen. A. Ritfchl.

Sachsse, Lic. Dr. Hugo, Die Lehre vom Defectus sacra-
menti, ihre hiftorifche Entwicklung und dogmatifche
Begründung. Berlin 1881, Guttcntag. (VIII, 219 S.
gr. 8.) M. 5. -

Zu den Irregularitäten, d. h. den Thatfachen, welche
zum Empfang der Priefterweihe unfähig machen, bezw.
den fchon Geweihten an der Ausübung priefterlicher
Functionen hindern, rechnet das kanonifche Recht unter
anderen Defecten (Mängeln nothwendiger Eigenfchaften)
auch den defectus sacratnenti. Er entlieht bei Perfonen,
welche vor der Weihe in der Ehe lebten, wenn das in
der vorausgegangenen Ehe von ihnen vollzogene Sacra-
ment mit gewiffen Mängeln und Trübungen behaftet war,
wodurch es ungeeignet wurde, das reine Abbild des Ver-
hältnifses Chrifti zur Kirche nach Eph. 5 darzuftellen, alfo
wenn jene Ehe nicht die einzige des Mannes oder der
Frau war fEhe des bigamus oder des märitus viduae),
oder wenn die Frau wegen mangelnder Integrität (infolge
von Defloration vor der Ehe oder Ehebruch in
derfelben) nicht als Abbild der spousa Immaculata Christi,
der Kirche, erfcheinen konnte. Der Verf. giebt in der
vorliegenden Schrift eine nach Inhalt und Form mufter-
hafte Darfteilung der bezüglichen kanoniftifchen Lehre.
Die gefchichtlichen Wurzeln der Lehre werden aufge-
wiefen, fodann wird aus den fo gewonnenen Grundgedanken
das Syftem nachconftruirt, überall völlig objec-
tiv, vom Standpunkt und aus der Gedankenwelt des
Katholicismus heraus. Man wird dem Verf. das Zeug-
nifs geben müffen, dafs er feinen Gegenftand richtiger
erfafst und correcter zur Darftellung gebracht hat als
alle katholifchen Kanoniften, die fleh vor ihm damit be-
fchäftigt haben, felbft Schulte nicht ausgenommen (S. 25).
Aus dem zufammenhanglofen und widerfpruchsvollen
Stücke Scholaftik, das die Aelteren nur zu liefern vermochten
, wird in den Händen des Verf.'s ein einheitliches
, fymmetrifch aufgebautes Gedankenfyftem. Auch
die Auffaffung neuerer proteftantifcher Kirchenrechtslehrer
erfährt manche Berichtigung (Richter-Dove, S. 83).
Was hier und da Widerfpruch erregen könnte, find nur unerhebliche
Einzelheiten. — Man hat beim Durchlefen des
Buches nicht feiten den Eindruck, ob wirklich der Gegenftand
— eine im Ganzen des kanonifchen Syftems doch
nur untergeordnete und jedenfalls für uns der prak-
tifchen Bedeutung völlig entbehrende Lehre — fo viel
Fleifs, Gelehrfamkeit und Scharffinn werth fei, wie der