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Ausgabe:

1882 Nr. 23

Spalte:

542-546

Autor/Hrsg.:

Dittrich, Fr.

Titel/Untertitel:

Regesten und Briefe des Cardinals Gasparo Contarini (1483 - 1542) 1882

Rezensent:

Brieger, Theodor

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Theologifche Literaturzeitung. 1882. Nr. 23.

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fund vernichten, wan Tie het (in gewalt (Hoffmann 254)?
Wenn Janffen darauf hinweift, dafs man heute ebenfo
betet, fo wird Kawerau ihm gewifs zuftimmen. Jeder, der
die Entwickelung des Romanismus verfolgt hat, weifs,
dafs zumal feit Pius IX. die Kirche oder richtiger das
religiöfe Volksleben bis ins Kleinftc zu mittelalterlichen
Formen zurücklenkt, nur dafs fie in dem, was die Reformatoren
als widerchriftlich bezeichneten, noch etwas
weiter fortgefchritten fein dürfte, was die Andacht ,zum
wirklichen körperlichen Herz Jefu' (vgl. K. Martin, die
Lehre und Hebung der Andacht zum göttlichen Herzen
Jefu, Köln 1876, S. 2), zum Herzen Maria etc. beweift.
Für diejenigen, welche glauben, bei diefen Dingen einen
Unterfchied zwifchen vulgärem und officiellem Katho-
licismus machen zu dürfen, wird es nicht unintereffant
fein, dafs Janffen fogar für die neu aufkommende Andacht
zum hl. Jofeph, dem Nährvater Chrifti, eintritt (S.47),
deffen Macht, wie der neueftc St.Jofephskalender (Augsb.
1883) erzählt, fich auf Alles erftreckt, während derAller-
höchfte den andern Heiligen nur die Gnade verleihe,
uns in diefer oder jener Angelegenheit zu helfen. Zeugt
das Aufkommen diefes neuen allmächtigen Heiligen nicht
von dem Suchen nach neuen Heilsgarantien?

Auch in dem Punkte vom Ablafs, der hier noch kurz
erwähnt fein mag, wird Kawerau gegen Janffen Recht
behalten. Keine römifche Lehre ift vielleicht fchwieriger
als allgemein gültig feftzuftellen, als diefe, da fie, wie
bekannt, niemals definirt worden, und die bei Verkündung
des Ablaffes gebräuchlichen Ausdrücke fo fchillernd und
zweideutig find, dafs man zu allen Zeiten Verfchiedenes
darin gelefen hat. Um Luther's Polemik gegen den Ablafs
zu verliehen, ift es ohne Zweifel nicht genügend,
auf die Ablafstheorien bei Thomas und Alexander Ha-
lefius zurückzugehen, fondern, was ich früher fchon angedeutet
und was mir nach weiteren Studien zur Gewifs-
iieit geworden ift, auf die Theorie des Joh. v. Paltz
(vgl. meine Auguftinercongregation S. 180 ff.). Dafs
wir es in den Ausführungen des Paltz, den man den
Vorgänger des Tetzel im Ablafsgnadengefchäft nennen
kann, nicht nur mit einer Specialanfchauung des Au-
guftinerordens über diefen Gegenftand, fondern mit einer
damals in weiteren Kreifen üblichen, gewiffermafsen kirchlich
autorifirten Theorie zu thun haben, ergiebt der dem
Hauptwerke des Paltz vorgedruckte Brief des Cardinal Raimund
. Leider hat Janffen es nicht für nöthig befunden, darauf
Rückficht zu nehmen. Dafs remissio peccatorum, womit
er gegen Kawerau polemifirt, nach röm. Sprachgebrauch
fich vielfach auf den Erlafs der Strafe bezieht, ift mir
fehr wohl bekannt, aber dafs dies aus der Ablafsinftruction
für Tetzel herausgelefen werden kann, mufs ich mit
Kawerau beftreiten. Wenn es da von der plenaria
remissio peccatorum heifst, vgl. Janffen S. 69, dafs der der
göttlichen Gnade beraubte Sünder durch fie peifectam
remissionem et Dei gratiam denuo consequitur, fo wird
niemand, der die Worte unbefangen lieft, meinen können,
dafs fich dies auf die Sünden ftraf en beziehe, oder ift I
der vere contritus et confessus et absolutus noch divina gratia
privatus- Erlangt der Gläubige die divina gratia erft
nach Abbüfsung der Strafen-entweder hier oder im F"ege-
feuer? Ich wüfste nicht, dafs das katholifche Lehre ift.
Und diele remissio peccatorum mufs um fo mehr auf die
Sünden fchuld bezogen werden, als dann fortgefahren
wird: per quam etiam peccatorum remissionem sibi poenae
etc. omnino de/eutur, womit ohne Zweifel das zweite
in jenem vollkommenen Ablafs liegende Moment, die |
Befreiung von den Sünden ftraf en hinzugefügt wird. Noch I -
deutlicher in der Inftruction der Arimboldi bei Kapp, '
Nachlefe III, 182: quod Iwmo qui per peccatum privatus
est divina gratia per illam rcstituitur ad gratiam. Et quod j ,
omnespene .... per illam Ii remittuntur. Danacli wird wohl I ;
Luther's Behauptung (De Wette I, 63), dafs man lehre 1
quod hotno per istas indulgentias Uber sit ab omnipoena et
culpa nicht zu beftreiten fein. Ebenfo richtig ift die von | 1

Janffen angefochtene Bemerkung Kawerau's, dafs durch
die confessionalia eine Exemption von der geordneten
Seelforge des Pfarramtes eingetreten fei. Gewifs ift, dafs
das Beichtkind fich auch ohnedem fchon einen Beichtvater
wählen kann, und dafs damals in den feltenften
Fällen gegen den oft ausgefprochenen Wunfeh der kirchlichen
Oberen der Pfarrer der Beichtvater war, aber
dafs diefe das Gemeindebewufstfein überaus fchädigende
Praxis dadurch noch befördert wurde, zumal durch das
im confcssionalc ertheilte Recht, welches Janffen nicht
erwähnt, fich durch das ganze Leben idoneum confes-
sorem zu erwählen, wird wohl nicht in Abrede zu ftellen
fein. Doch genug davon, ich müfste ein Buch fchreiben.
wollte ich Herrn Janffen in allen Punkten feiner viel
gewundenen Antikritik nachgehen. Es war hier nur meine
Abficht, an einigen Beifpielen zu zeigen, wie fchweres
Unrecht ihm feine Gegner gethan. Schliefslich kann ich
nicht umhin, den Wunfeh ausz.ufprechen, dafs diefe neuefte
Schrift Janffen's recht viele Lefer finden möchte; es könnte
fich dabei Mancher von der Ueberrafchung erholen,
die ihm Janffen's Gefchichtswerk bereitet hat. Ob jenen
fchwachmüthigen Proteftanten, deren Proteftantismus fo
wenig hiftorifch, biblifch und fittlich fundirt ift, dafs fie
durch dergleichen Angriffe die evangelifche Kirche als
ernftlich bedroht anfehen konnten, damit gedient fein
wird, weifs ich nicht; ich fürchte, ihnen ift nicht zu helfen.
Erlangen, den 3. Oct. 1882. Th. Kolde.

Dittrich, Prof. Dr. Fr., Regesten und Briefe des Cardinais
Gasparo Contarini (1483—1542). Braunsberg 1881, Huye.
(VIII, 407 S. gr. 8.) M. 7. 50.
Auf die Publicationen von Victor Schultze (Ztfchr.
f. KG. III. 1879) und von Paftor (Hiftor. Jahrbuch L 1880),
von denen uns jener Depefchen Contarini's aus dem
Staatsarchiv zu Neapel, diefer zum erften Mal — und
gleich eine ftattliche Reihe — aus dem Vaticanifchen
Archiv mittheilte, ift fchnell diefe umfallende Quellen-
fammlung gefolgt, welche uns von D. als Vorläuferin
einer monographifchen Darfteilung Contarini's dargeboten
wird und zugleich die Grundlage für diefelbe bilden
foll. Dank feinen fleifsigen Nachforfchungen in ita-
lienifchen Archiven und Bibliotheken hat D., auch nachdem
Paftor ihm zuvorgekommen war und einen Theil
feiner Arbeit brach gelegt hatte, noch eine erfreuliche
Menge neuen Materials gebracht. Die Inedita (94
Nummern, durchweg Depefchen, Briefe und Gutachten
C.'s) füllen die S. 252—370, wozu wir noch die 20 Nummern
des Anhangs S. 371—399 (meirt Briefe an C.)
zu nehmen haben. Diefe Actenftücke flammen theils
aus Venedig (Marcus-Bibliothek und Mufeo Correr).
Mailand fAmbrofiana), Trient, Trevifo, Florenz (Staatsarchiv
), Siena und der Bibliothek Barberini in Rom, zum
gröfsten Theil aber aus dem Vaticanifchen Archiv (88
Stücke, daz.u noch 1 Stück aus der Vatican. Bibliothek).
Sie umfpannen die Jahre 1521—42, wennfehon verhält-
nifsmäfsig die meiften dem Jahre angehören, in welchem
die hiftorifche Bedeutung C.'s fich zufammenfafst, dem
J. 1541. Darunter befinden fich nicht wenige von Belang.
Ich mache nur auf folgende aufmerkfam, wobei ich von
einzelnen Depefchen C's aus Regensburg, welche eine
willkommene Ergänzung der fchon von Paftor mitge-
theilten bilden, abfehe: Das Consilium quatuor dclccforum
a Paulo III. super reformatione S. Romanac Ecclesiae,
S. 279—288 (von Contarini, Caraffa, Aleander und Ba-
dia, 1537,38); C.'s Modus concionandi, für feine Diöcefe
Belluno (1540) entworfen, S. 305—309; das bisher ver-
mifste Exordium zu C.'s Epistola seu tractatus de iustifi-
catione vom 25. Mai 1541, S. 332; die Correfpondenz
zwifchen Contarini und Pighius (Sommer 1541) über
die Lehren von der Erbfünde und von der Rechtfertigung,
S. 349—353- 381—384. 387-389; C.'s Sendbrief an Pole
(1542) de poenitentia, S. 353—361. Gewifs würde fich bei