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Ausgabe:

1882 Nr. 2

Spalte:

35-37

Autor/Hrsg.:

Söder, Rud.

Titel/Untertitel:

Der Begriff der Katholocität der Kirche und des Glaubens 1882

Rezensent:

Harnack, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1882. Nr. 2.

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liängigkeit von Rom und das directe Eingreifen desfel- j
ben zu fördern. Hierher gehören die Bemerkungen über
den Huldigungseid des B. (S. 269 f.), über den Grad der i
Betheiligung des B. an der römifchen Verurtheilung des |
Aldebert und Clemens (S. 156) und manches andere.
An jener römifchen Synode, welche ohne Verhör blofs
auf den Bericht des Anklägers hin die Häretiker verdammt
, foll B. unfchuldig fein. Wenn aber B. doch den
Papft befchwört, eben auf feinen Bericht hin zu bewirken
, dafs jene Häretiker gefangen gefetzt und von jeder
Gemeinfchaft ausgefchloffen werden, ifl es dann für die
vorliegende Frage noch irgend von Belang, ob der Papft
mit oder ob er ohne Synode die Wirkung zu erzielen
fucht? In der bezeichneten Richtung verwerthet F.
(S. 210) auch die Erzählung der Passio Bonif. (des fog.
Mainzer Anonymus) von dem Widerfpruch, welchen B.
gegen die vom Papft Stephan felbft vorgenommene
Weihe Chrodegang's zum Bifchof von Metz erhoben
habe. Eine kritifche Würdigung der fpäten Quelle er- J
fpart fich der Verf. wohl um fo mehr, weil auch Rettberg
die Sache für glaubwürdig anfleht. Aber abgefehen
von diefer Frage begeht der Verf. den Irrthum, als habe
liier B. feine erzbifchöflichen Diöcefanrechte gekränkt
gefühlt; als hätte Metz unter das Erzbisthum Mainz gehört
, während doch nur an Trier gedacht werden könnte
(wie auch Rettb. I, 413 f. thut), wenn nur für jene Zeit
die wirkliche Ausübung von Metropolitanrechten durch
Trier fich nachweifen liefse. Wir müffen es uns vertagen
, noch auf eine ganze Anzahl von Punkten einzugehen
und bemerken fchliefslich nur noch, dafs (S. 40)
Amanaburg natürlich nicht an der Ohre, wie hier gedruckt
ift, fondern an der Ohm zu fuchen ift, dafs
S. 53 die Angabe in dem päpftlichen Inftructionsfchrei-
ben {ep. 19 ed. Jaf. 79 f.) über die Ordinationszeiten
lalfch wiedergegeben ift, denn gemeint ift nicht der 4.,
7. und 10. {seil. Tag) in den Faftenmonaten, fondern
der 4., 7. und 10. Monat eben als Faftenmonate (Qua-
temberzeiten). Ungenau und irreführend find auch die
Bemerkungen über das vielbefprochene Privilegium für
Fulda (S. 203 ff.), wo namentlich die Exemtion von der
geiftlichen Jurisdiction des Bifchofs und das Verhältnifs
zur königlichen Gerichtsbarkeit nicht auseinandergehalten
find.

Kiel. Möller.

Söder, Affift. Dr. Rud., Der Begriff der Katholicität der
Kirche und des Glaubens nach feiner gefchichtlichen
Entwicklung. Von der theologifchen Facultät Würzburg
gekrönte Preisfchrift. Würzburg 1881, Woerl.
(X, 231 S. gr. 8.) M. 3. —

Eine gründliche Erörterung des Begriffes der Katholicität
der Kirche von einem römifch-katholifchen
Theologen kann für den proteftantifchen Theologen fehr
lehrreich fein; denn bei der Behauptung diefes Titels
(f. Möhler, Die Einheit in der Kirche, oder das Princip
des Katholicismus. 1825) ift die katholifche Pofition relativ
am ftärkften, und haben es die römifchen Theologen
am leichterten, das Zeugnifs der Gefchichte zu ihrer Ver-
theidigung zu verwerthen. Selbft der Satz, dafs fchon
in den früheften Jahrhunderten und bei den gröfsten
Männern der Kirche die Verbindung mit der römifchen
Kirche als das Kennzeichen wahrer Katholicität galt,
läfst fich in diefer Allgemeinheit halten; ja man wird
noch einen Schritt weiter gehen dürfen, ohne mit der
Gefchichte in Conflict zu gerathen, man wird behaupten
dürfen, dafs die römifche Particularkirche in ganz be-
fonderer Weife an der Schöpfung der katholifchen
Kirche im zweiten Jahrhundert betheiligt gewefen ift,
und dafs fich fomit für die Zufammenftellung der Prä-
dicate römifch-katholifch auch vom Standpunkt des
unparteiifchen Hiftorikers recht Vieles fagen läfst. So

wäre es eine lohnende Aufgabe gerade für den römifch-
katholifchen Theologen, allen den mannigfaltigen, freilich
oft fehr unficheren und verwifchten Spuren nachzugehen
, welche darauf führen, dafs die Kirche der Stadt
Rom im 2. Jahrhundert bei der Fixirung des Symbols
und der Explication desfelben, bei der Kanonifirung
evangelifcher Schriften, bei der Feftrtellung der Kirchenordnung
und der Verfaffung u. f. w. das erfte Wort ge-
fprochen hat, dafs fie aber auch fchon in einer Zeit, wo
es erft fehr lofe Formen in der Kirche gab, durch ihr
Anfehen, ihre Verbindungen, ihre Sorge die Gemeinden
, nah und fern geftärkt und zufammengehalten hat. In-
deffen nichts ift für den Standpunkt, welchen die römifche
Kirche und ihre Theologie heute einnimmt, bezeichnender
, als dafs ihr für Unterfuchungen diefer Art
ein eigentliches Intereffe völlig fehlt und fehlen mufs.
Zwar gegenüber Altkatholiken und Proteftanten werden
ab und zu gefchichtliche Fragen diefer Art in einem
Tone erörtert, als ob auf ihre Entfcheidung, auf das po-
fitive Zeugnifs, welches fie bringen, wirklich ein befon-
derer Werth zu legen fei, allein in Wahrheit ift das
Alles gleichgiltig. Die Gefchichte, auch wo ihr ein Ja
abgelockt wird, kommt nur foweit und darum in Betracht
, weil Andere fortfahren, ihr Nein zu buchen. Pur
einen Standpunkt, auf dem man Alles verliert, wenn
man nicht Alles, was gewünfeht wird, gewinnt, liegt die
Gefchichte als gänzlich Unmafsgebliches zu Füfsen. Es
ift auch in der That nichts für die Wahrheit der heutigen
römifchen Anfchauung gewonnen, wenn ihre Vertreter
den tiefen Zufammenhang zwifchen römifch und
katholifch feit den Tagen, da man von einer katholifchen
Kirche gefprochen hat, wirklich erweifen und fo
die proteftantifchen Hiftoriker nöthigen wollten, ihre
noch immer fehr flacianifche Betrachtung der Gefchichte
der alten Kirche zu corrigiren. Denn die römifche Kirche
um c. 200 ift von der Stiftung Jefu und der Apoftcl fehr
verfchieden und noch nicht dicPapftkirche. Die römifchen
Theologen werden daher zwar gewifs wie fchon fo manchesmal
ihre Preude ausfprechen, wenn ein Kritiker die
Bedeutung Roms mit gefchichtlichen Mitteln ins Licht
fetzt, aber fie werden fich hüten, felbft Unterfuchungen
anzuflehen über das Mafs des Einfluffes des Römifchen
auf die katholifch werdende Kirche, da folche Unterfuchungen
von der Vorausfetzung ausgehen, dafs^ das erft
allmählich geworden ift, was eben unter dem Titel des
.Katholifchen' für ein vom Urfprung der Kirche her
Fundamentales und Unverändertes gelten foll. Der Ertrag
hiftorifcher Unterfuchungen entfpräche alfo an fich
nicht dem Gewünfchtcn und wäre zugleich von den be-
denklichften Phnbufsen begleitet.

Zu diefen Reflexionen ift Ref. durch vorftehende
Schrift veranlafst worden. Der Verf. hat diefeibe auch
zu dem Zweck gefchrieben, den tiefen Zufammenhang
zwifchen römifch und katholifch zu begründen (f. z. B.
S. 198); aber er läfst fo ziemlich Alles bei Seite, was
fich wirklich gefchichtlich darüber fagen läfst und bringt
dafür ftereotype Reflexionen, die auf Legenden und Illu-
fionen fich ftützen oder gänzlich unqualificirbar find, oder
er bringt Beweife aus Zeiten, für welche man jedes Be-
weifes fich überhoben erachten darf. Es geht ihm wie
dem Menfchen, der fpeculirt: der Geift führt ihn ftets
denfelben Kreis. Er mag nun im erften Theil von dem
.Plan der katholifchen Kirche nach der heiligen Schrift'
(S. 15 f.) oder im zweiten von der .Gefchichte des Ka-
tholicitätsbegriffs' (S. 35 f.) oder im dritten von der ,Dog-
matifchen Feftrtellung des Katholicitätsbegriffs' (S. 192 f.)
handeln — es ift immer dasfelbe Stück, nur die Cou-
liffen wechfeln. Gelehrfamkeit und Scharffinn werden
nicht mehr aufgeboten, um Thatfachen zu ermitteln und
zu verknüpfen, fondern um .Schwierigkeiten' zu heben
und um ,Beweife' zu conftruiren. Es fällt auch kaum
nebenbei eine irgendwie brauchbare hiftorifche Bemerkung
ab, fo dafs das Buch lediglich als Ueberficht über