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Ausgabe:

1882 Nr. 22

Spalte:

519-520

Autor/Hrsg.:

Félice, Paul de

Titel/Untertitel:

Lambert Daneau (de Bougency-sur-Loire), pasteur et professeur en théologie 1530 - 1595. Sa vie, ses ouvrages, ses lettres inédites 1882

Rezensent:

Schott, Theodor

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Theologifche Literaturzeitung. 1882. Nr. 22.

520

dafs er dich deines Gemahls alfo mit Krankheit berauben ; da wechfeln in bunter Reihenfolge Ueberletzuugen und

follte und nicht auch dagegen entnehmen des Fleifches j Commentare zu Tertullian, Auguftin, Cyprian, zu alt-

Muthwillen, wo du anders treulich dienert deinem Kran- j und neuteftamentlichen Schriften mit einer pliysica ehrt-

ken'. Vielleicht hat fich Janffen diefes chriftliche Citat stiana und einer geograpliia poetica; mit Beiarmin und

auf den IV. Band aufgefpart, denn das gehört, wie j Genebrardus, Luc. Ofiander und Jak. Andrea wechfelte

Baumgarten in feiner Besprechung von Janffen's Anti- er heftige Streitfchriften; feine Hauptmarke lag aber in

kritik (Beilage zur Augsburger Allg. Ztg. 1882 Nr. 227) ! der Behandlung ethifcher Fragen. Das Tanzen, Karten-

treffend dargethan hat, auch zu feiner Methode, dafs er
,abfolut unvermeidliche Dinge aus dem Anfang an das
Ende eines dicken Bandes verlegt', oder nachdem er
ein empörendes Zerrbild von Luther im zweiten und

und Würfelfpiel, die für die Chriften fchickliche Kleidung
find wie die chriftliche Freundfchaft Gegenftände feiner Un-
terfuchungen; durch die felbftändigeBehandlung der Ethik,
durch ihre Trennung von der Dogmatik repräfentirt er

dritten Bande geliefert hat, nunmehr verfpricht, dafs im einen wefentlichen Fortfehritt in der Theologie. Bei
vierten Bande, wenn diefes Bild fich feftgefetzt haben
wird, aufLuther'sVerdienftezurückzukommen(vergl.S. 60).
Diefe Vertheilung von Licht und Schatten ift natürlich
ganz abfichtslos. — Gegen Baumgarten macht J. unter
anderm geltend, dafs er keineswegs die Sache fo hinge-
ftellthabe, dafs ,in Deutfchland vor Luther Alles im beften
Zuge einer höchft erfreulichen Reform war', wovon
doch nur das richtig ift, dafs er, nachdem uns vorher
die Blüthe der focialen Verhältnifse in jenem goldenen,
durch Nicolaus von Cufa heraufgeführten Zeitalter, das
bis Karl V. reicht, in den glänzendften Farben gefchil-
dert worden ift, am Schlufs des erften Bandes von einer
unheilvollen Wendung redet, die immer deutlicher feit
dem Anfang des 16. Jahrhunderts hervorgetreten. Dabei beruft
er fich, um denVorwurfzu entkräften, dafs erLuther als
den Vernichter jener Blüthe hingeftellt, kühn genug auch
auf Bd. II, S. 409, wo er erklärt hatte, dafs auch ohne
Luther's Auftreten ,das unzufrieden und allenthalben
fchwierig gewordene Gemüth des gemeinen Mannes'
Aufftände und Empörung erregt haben würde. ,Aber
ihren Charakter der Allgemeinheit und der unmenfeh-
lichen Furchtbarkeit erhielt die fociale Revolution erft
aus den durch die religiöfen Wirren gefchaffenen oder
entwickelten Zuftänden des Volks'. Da nun nach Janffen
lediglich Luther die religiöfen Wirren hervorgerufen
und diefer, wie S. 1S0 mit Emphafe ausgeführt wird, mit
,den gepriefenften Führern der kirchlichen Revolution,
das Merkmal des Antinomismus an fich trägt', fo heifst
dies doch nichts anderes, als dafs eben er der Urheber
deffen gewefen, was der Verf. politifch-fociale
und kirchliche Revolution nennt. Ohne ihn wäre es
wohl zu Aufftänden gekommen, aber nicht zu dem, was
die Blüthe jenes Janffen'fchen Reformationszeitalters, von
dem bisher kein Menfch etwas gewufst hat, vernichtete,
indem ,durch den Sturz der aus dem Glauben an die
Verdienftlichkeit der guten Werke der Liebe und Gerechtigkeit
gefchaffenen Socialordnung des Mittelalters
die Zuftände des Volkslebens auf allen Gebieten eine
Verfchlechterung erfuhren' (S. 105). Was foll überhaupt
jene Polemik gegen Baumgarten in diefem Punkte, wenn
er gegen Ebrard S. 114 doch gerade wieder Luther und
nicht den Bauernaufftand für die doch wohl in die fociale
Ordnung tief eingreifende Einführung der Leib-
eigenfehaft verantwortlich macht?

[Schlufs folgt.]

Erlangen. Th. Kolde.

Feiice, Paft. Paul de, Lambert Daneau (de Bougency-
sur-Loire), pasteur et professeur en theologie 1530—
1595. Sa vie, ses ouvrages, ses lettres inedites.
Paris 1882, Fischbacher. (VI, 384 S. gr. 8.)

Zu den bedeutenderen proteftantifchen Theologen
Frankreichs in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
gehörte L. Daneau. Beza ertheilte ihm das ehrende
Zeugnifs eines Mannes incredibilis laboris et diligentia*
und ein anderer nannte ihn eine lebende Encyklopädie
und die reiche Mannigfaltigkeit von Gegenftänden, welche
er in feinen 66 Schriften behandelt, von welchen manche

mehrere Auflagen erlebten, beftätigt dies Urtheil. Denn ! Abschnitte nach einander befpricht und widerlegt. Manche

weitem am verbreitetflen war fein Dialog über Hexen,
ein charakteriftifches Zeichen der Zeit. Anna du Bourg,
der bekannte Märtyrer feines proteftantifchen Glaubens,
hat auch ihm die erfte Anregung zur Kenntnifs der
evangelifchen Lehre gegeben; wie fo mancher feiner
Zeitgenoffen vertaufchte er das Studium der Rechts-
wiffenfehaft mit dem der Theologie. Die wechfelvollen
Kriegsjahre zwifchen 1560 und 90 haben auch fein Leben
zu einem unruhigen vielbewegten gemacht, von
feiner Pfarrftclle in Gien vertrieb ihn die Bartholomäusnacht
, in Genf, wohin er fich geflüchtet, wurde er Geift-
licher und theologifcher Lehrer. 1581 nahm er einen Ruf
an die neugegründete Univerfität Leyden an, wegen
Mifshelligkeiten mit dem Magiftrat wanderte er in dem-
felben Jahre nach Gent, feinen Lebensabend brachte er
an den Akademien von Orthez und Caftres zu. Eine
politifche Rolle hat D. nie gefpielt, als Theologe war
er ein ftrenger Anhänger Calvin's. — Die vorliegende
Biographie ift mit Umficht und Sorgfalt ausgeführt, der
Verfaffer (Sohn oder Verwandter des Verfaffers der
Histoirt du Protestantisme francais G. de Felke?) hat fich
alle Mühe gegeben, zu den vorhandenen Quellen neue
zu erfchliefsen, um die dürftigen Nachrichten über D.'s
Leben und Verhältnifse zu ergänzen; die Frucht davon
liegt in einer Reihe Briefe vor, die hier zum erftenmal
publicirt werden und den Schlufs des Buches bilden.
Die ausführliche Genealogie hat für die Franzofen Werth,
allgemeineren die miteingeflochtene Gefchichte der re-
formirten Gemeinde von Gien, verdienftlich ift ferner die
genaue Bibliographie und Analyfe der jetzt ziemlich
Seltenen Werke D.'s. Die Correfpondenz (61 Briefe) mit
Beza, Daniel, Jof. Simler, Rob. Walter, Musculus, Jac.
Grynäus u. a. verleihen dem Buche auch für weitere
Kreife Werth, und mit Freuden würden wir es begrüfsen,
wenn der Verf. gefchichtlichen Studien treu bleiben und
eine in Ausficht gcftellte Studie über Orleans und deffen
Bedeutung für den franzöf. Proteftantismus in Angritf
nehmen würde. — Gegen die Annahme (S. 90 Anm.)
von dem assassinat probable de Don Carlos sur Vordre
de son pere möchten wir immer noch Verwahrung einlegen
.

Stuttgart. Th. Schott.

1. Baumeister, Stadtpfr. Alb., Der Pessimismus und die

Sittenlehre, mit befonderer Berückfichtiguug von E.
v. Hartmann's Phänomenologie des fittlichen Bewufst-
feins. Ein Beitrag zur chriftlichen Apologetik. Gütersloh
1882, Bertelsmann. (IV, 239 S. gr. 8.) M. 4. —

2. Sommer, Amtsrichter Hugo, Der Pessimismus und die
Sittenlehre. Haarlem 1882, de Erven H. Bohn. [Leipzig,
Harraffowitz.) (170 S. gr. 8.) M. 3. 50.

Die Teyler'fche theologifche Gefellfchaft hatte
obiges Thema zur Preisaufgabe geftellt und die zweite,
preisgekrönte, wohl auch die erfte der angezeigten
Schriften, verdankt ihren Urfprung diefem Umftand.
Bacmeifter giebt im wefentlichen eine Art Commentar
der Phänomenologie des fittlichen Bewufstfeins vom entgegengefetzten
Standpunkt aus, indem er deren einzelne