Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1882

Spalte:

33-35

Autor/Hrsg.:

Fischer, Otto

Titel/Untertitel:

Bonifatius, der Apostel der Deutschen 1882

Rezensent:

Möller, Wilhelm

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

Theologifche Literaturzeitung. 1882. Nr. 2.

34

ift) und Routh hat, um weniger, und mit Ausnahme des
avööctTTinvicov p. 150, 38 unerheblicher Correcturen willen
"kein Bedürfnifs. Nicht zu billigen ift, bei der Form,
in welcher uns der kanonifche Brief allein überliefert ift,

welche der herzlofe Römling in Thüringen mit kalter
Graufamkeit zertreten habe. Dafs aber Bonifatius in feinem
Eifer gegen die fomicatorcs zuchtlofe Verhältnifse
und das eheliche Leben beweibter Priefter in einen Topf

der fortlaufende Text, der dem Verf. für den Abdruck wirft, follte der Verf. nicht in Abrede ftellen. Die
beliebt hat (S. 173 ff.). Schon in der Befchaffenheit der , hierüber vom Verf. S. 69 ff. angeftellten Reflexionen find
Ueberlieferung find auch Routh's Zweifel an der Voll- | nicht ftichhaltig. Wenn F. daran erinnert, dafs z. B.
ftändigkeit des Briefs begründet. ,Ich wüfste nicht', wen- j die römifchen Legaten für Baiern 716 nur die Inftruction
det der Verf. ein, ,was dem Schreiben, welches wie kein ! erhalten hätten, den Prieftern die zweite Ehe zu unter

Anderes der Tendenz nach ihm ähnliches aus dem
chriftlichen Alterthum locales Gepräge und die Spuren
ganz befonderer, abnormer gefchichtlicher Vorgänge trägt,
noch fehlen follte' (S. 170). Allein nicht Alles, was locales
Gepräge und die bezeichneten Spuren trägt, mufs

fagen, und auch Gregor's II. Inftruction an Bonifatius
(719) fich darauf befchränke, die Weihe eines bigamus
zu verbieten, und dafs erft Zacharias 743 (<y>. 43, p. 118
ed. Ja/.) der kanonifchen Forderung gedenkt, wonach
der Priefter von Uebernahme der Weihe an in feiner

vollftändig fein. Beachtenswerth ift aber, was der Verf. Ehe Enthaltfamkeit zu üben hat, und wenn F. hieraus
aus Zofimus für das Jahr 254 als die Zeit des Gothen- | folgern möchte, es habe erft im weitern Verlauf der
einfalls in Pontus ausführt (S. 184 ff.). Freilich ift der Wirkfamkeit des B. eine folche Verfchärfung der Kir-
Punkt, auf den hier Alles ankommt, die Zeit der Ver- ! chengefetze ftattgefunden, fo läfst er eben Alles aufser
fetzung des Succeffianus bei Zos. Hist. I, 33, keineswegs j Acht, was fchon längft in der abendländifchen Kirche
allem Zweifel entzogen. Ganz annehmbar ift auch der auf Grund der römifchen Forderungen feit Siricius und

gegen Ryffel geführte Beweis, dafs der Brief des Orige-
nes an Gregorius Thaumaturgus vor dem Panegyricus
des letzteren gefchrieben fein mufs (S. 155 ff.). Nichts
ift aber problematifcher, als der daraus erfchloffene Auf-

Leo L geltend gemacht worden war, und wie auch in
der fränkifchen Kirche, fo fehr dies auch im Leben
bei der Ungebundenheit des fränkifchen Klerus ein todter
Buchftabe blieb, die Tendenz der kirchlichen Gefetzgeb -

enthalt Gregor's in Aegypten und die damit zufammen- ung längft darauf ausging, die vor der Weihe gefchlof-
hängende genauere Datirung des Briefs (S. 161). Von j fenen Ehen der Kleriker vom Diakon, z. Th. felbft vom
anderen Ausftellungen, die hier zu machen wären, abge- Subdiakon an, zwar als Ehen anzuerkennen, aber nach
fehen fei nur erwähnt, dafs der Verf. fchon S. 160 und j der Weihe Enthaltfamkeit und deshalb Trennung der

dann bei der perfönlichen Beziehung, welche die Deutung
der Flucht des Hadad S. 162 f. erhält, überfieht,
dafs die hier zu Grunde liegende allegorifche Auffaffung
von Aegypten den Alexandrinern fchon längft geläufig

Wohnung zu fordern. Man thut dem B. nicht Unrecht,
wenn man ihn von vornherein von diefer Tendenz durchdrungen
denkt. Um den übertriebenen Vorftellungen
vom Gegenfatz des britifchen und römifchen Kirchen-

war (f. Cum. AI. Strom I, 5, 29 f. und den dort ange- 1 wefens und von den ,päpftlich-hierarchifchen' Anfchau-
führten Philo). Auch haben die Belehrungen des Briefs ungen, welche B. aus feiner Heimath mitgebracht haben
einen noch fo elementaren Charakter, dafs er nach einem j folle, entgegenzutreten, erinnert F. daran, dafs mit dem
fünfjährigen Zufammenfein des Gregor und des Origenes Sieg des römifchen Wefens der Einflufs und die Ein-

noch immer zu fpät angefetzt erfcheint.

Bafel. Franz Overbeck.

Wirkungen des britifchen nicht mit einem Schlage aufgehört
haben, dafs fie namentlich in den Klöftern fortgewirkt
haben werden. Um nun diefe Einwirkung fich
Fischer, Otto, Bonifatius, der Apostel der Deutschen. Nach auf B- erftrecken zu laffen, ift der Verf. (S. 260 f.) ge-
den Ouellen dargeftellt. Leipzig 1881, T. O. Weigel. 'm Widerfpruch mit der•ausdrücklichen Erklärung

nrtxi c «51 m r 1 Willibalds anzunehmen, das Klofter Nhutscelle, in wel-

(Vlil, 295 b. gr. o.) m. o. | chem B wefentlich feine Ausbildung erhalten, fei kein

Eine wefentliche Weiterführung der Forfchung darf Benedictinerklofter, fondern ein britifches gewefen. Da-
man in diefer die beträchtliche Anzahl der Bonifatius- : für fehlt jeder Anhalt. Auffallender Weife lieht F. einen
biographien noch um eine neue vermehrenden Arbeit j folchen in dem Umftande, dafs nach des Abts Tode die
nicht fuchen. Dazu ift der Umfang der eigenen Quellen- | Mönche einmüthig in B. drangen, ihr Abt zu werden:

forfchung des Verf.'s ein zu befchränkter, die Methode
desfelben eine zu unfichere. Genöthigt in vielen Dingen
aus zweiter Hand zu fchöpfen, folgt er zwar meift bewährten
Führern, die Art aber, wie er fremde Arbeiten

,fie hatten alfo noch nach britifchem Herkommen das
Recht der freien Abtwahl', als wenn nicht die Regel
Benedicts (cp. 64) die Wahl geradezu in erfter Linie
der Concors congregatio überwiefe. Ferner hat es zwar

benutzt, und die daran geknüpften Reflexionen machen I feine Berechtigung, gegenüber den beliebten Ergüffen
öfter den Eindruck des Dilettantenhaften. Dabei foll j über das Joch römifcher Knechtfchaft, welches B. der
jedoch weder der Fleifs und die liebevolle Hingabe an , fränkifch-deutfehen Kirche übergeworfen habe, daran zu
den Gegenftand, die entfehiedene Bemühung um ein zu- j erinnern, dafs die hohe Verehrung für den Stuhl Petri,
fammenhängendesBildvon Charakter undWirkfamkeit des 1 welche B. aus feiner heimifchen Kirche mitbrachte, ihn

B. verkannt, noch auch verfchwiegen werden, dafs fich
im Einzelnen manche beachtenswerthe Wahrnehmungen

fo wenig wie diefe dazu trieb, Roms Herrfchaft als
folche ,_d. h. ein möglichft gefteigertes kirchenregiment-

finden. In der Auffaffung richtet er fich mit vollem : liches Eingreifen des römifchen Bifchofs in die hierar-
Rechte fehr entfehieden gegen das Zerrbild, welches j chifche Ordnung der Landeskirchen an fich als das zu
Ebrard geliefert hat; im Zusammenhang damit erklärt erftrebende Ziel anzufehen. In der That ift es dem B.

er fich auch gegen viele Aufhellungen Werner's, indem
er nicht ganz mit Unrecht urtheilt, dafs Werner zwar
hier und da aufrichtige Verfuche mache, fich von den
Banden der Voreingenommenheit durch Ebrard zu befreien
, aber gleichwohl beherrfche Ebrard's Anfchauungs-
weife fein ganzes Buch, und er verliere den Halt für
den eigenen Standpunkt, indem er Ebrard als Stütze
aufgebe (S. 256). In der an fich durchaus berechtigten
Oppofition gegen Ebrard fcheint mir freilich F. öfter
über das Ziel hinauszufchiefsen. So erklärt er fich zwar
mit Fug und Recht gegen das Phantafiebild von der
wohlorganifirten evangelifch denkenden ,Kuldeer-Kirche',

viel mehr darum zu thun, die deutfehe Kirche wie die
verweltlichte fränkifche unter die kirchliche Ordnung zu
bringen, für welche ihm nur eben die römifche Ueberlieferung
die rechte Quelle, der römifche Bifchof die
rechte Autorität ift. Man kann mit F. (S. II7) fagen,
nicht um Verpflanzung der Papftmacht in das Frankenreich
, fondern um Einführung der römifchen Kirchenform
in den fränkifchen Staat war es ihm zu thun.
Allein auch hier geht der Verf. in feinem Eifer viel zu
weit, und fchwächt die Momente ungebührlich ab, aus
denen fich ergiebt, wie die Hingabe an Rom als Autorität
den B. unwillkürlich dazu führen mufste, die Ab-