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Ausgabe:

1882

Spalte:

25-27

Autor/Hrsg.:

Godet, F.

Titel/Untertitel:

Commentar zu dem Brief an die Römer. 1. Thl. Kapitel 1 - 5 1882

Rezensent:

Schürer, Emil

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack und D. E. Schürer, Proff. zu Giefsen.

Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

jnjo- 2. 28. Januar 1882. 7. Jahrgang.

Godet, Commentaire sur l'öpitre aux Romains Söder, Der Begriff der Katholicität (A. Har-

(Schürer). nack).

Godet Commentar zu dem Briefe an die Römer, : Synopsis purioris theologiae (Ritfchl).

deutfch bearbeitet von Wunderlich (Schü- : Sachfse, Die Lehre vom Defectus sacramenti

rer). (Köhler).

Drafeke, Der Brief an Diognetos (Overbeck), j Anderfen, Ethifche Betrachtungen (Linden-

Fifcher,'Bonifatius (Möller). , berg).

l'farrleben in einem Gebirgsdorfe, von einem
hefhfchen Geiftlichen (Schloffer).

Lohr, Die Gefchichte der heiligen Schrift (K.
Strack).

Nathufius, Predigten (Meier).
Wunderling, Predigten (Lindenberg).
Hofacker, Predigten (Fay).

1. Godet, Prof. Dr. F., Commentaire sur PepTtre aux Ro
mains. 2 tomes. Neuchatel 1879—80, Sandoz. (VII,
502 u. 628 S. gr. 8.) M. 14. —

2. Godet, Prof. Dr. F., Commentar zu dem Briefe an die
Römer. Deutfch bearb. von weil. Pfr. E. R. Wunderlich
. 1. Thl. Kapitel 1 — 5. Hannover 1881,
Meyer. (VIII, 259 S. gr. 8.) M. 5. —

Wie in feinen Commentaren zum Johannes- und Lucas
-Evangelium, fo hat Godet auch in diefem Commentar
zum Römerbrief der Auslegung felbft eine ausführliche
Einleitung vorangefchickt, in welcher er in fünf
Capiteln I. über die Perlon des Paulus, 2. über die rö-
mifche Gemeinde, 3. über den Brief des Apoftels, 4.
über deffen Dispofition und Plan, und 5. über die Erhaltung
des Textes handelt. In feiner Auffaffung von
der Zufammenfetzung und theologifchen Richtung der
römifchen Gemeinde und von dem Zweck unferes Briefes
bildet Godet den äufserften Gegenfatz zu Baur. Er betrachtet
die römifche Gemeinde als eine von Anfang an
nicht nur heidenchriftliche, fondern auch fpeciell pau-
linifche. Ein Hauptargument ift für ihn hiebei die Erzählung
am Schlufs der Apoftelgefchichte von der erften
Begegnung Pauli mit den Häuptern der römifchen Juden-
fchcrft. Indem er diefe Erzählung für unbedingt hiftorifch
hält, zieht er daraus (und unter diefer Vorausfetzung
nicht mit Unrecht) den Schlufs, dafs die römifche Juden-
fchaft damals noch gar keine genaue Kunde von Chrifto
hatte, dafs alfo das Evangelium von Chrifto bis zur Ankunft
Pauli in Rom überhaupt noch nicht im Schoofse
der römifchen Judenfchaft verkündigt worden war (I, 86).
Die bekannte Stelle Sueton's verfleht er nicht von Unruhen
, welche durch die Predigt von Chrifto innerhalb
der römifchen Judengemeinde entftanden feien, fondern
von politifchen Unruhen, die nur Sueton feinerfeits mit
dem Glauben an den Meffias (Chriftus) in Zufammen-
hang gebracht habe (I, 82). Die Gründung der chrift-
lichen Gemeinde in Rom hat fich alfo nach Godet
aufser allem Zufammenhang mit der dortigen Judengemeinde
vollzogen. Nicht durch jüdifche Vermittelung,
fondern durch gläubige Griechen (Heidenchriften) fei
das Evangelium nach Rom gekommen; und fo lei die

den fie im Allgemeinen fchon empfangen hatte, nur noch
gründlicher und methodifcher ertheilen (I, 122 f.). Die
römifche Gemeinde allein hatte nicht den directen per-
fönlichen Unterricht des Paulus genoffen, während Thef-
falonich , Korinth, Ephefus desfelben theilhaftig geworden
waren. Diefe von der Vorfehung zugelaffene ,Lücke'
wollte Paulus ausfüllen, indem er der römifchen Gemeinde
nun in einer brieflichen Abhandlung den metho-
difchen und gründlichen Unterricht ertheilte, der ihr
noch fehlte, und der doch für die Solidität ihres Glaubens
unentbehrlich war. Der Römerbrief ift alfo nichts
geringeres als le cours d'Instruction religiense et, en quel-
quc sorte, le catechisme dogmatique et inoral de
saint Paul (I, 123). Godet kehrt fomit in aller Form
zu der alten ungefchichtlichen Auffaffung zurück, von
der man doch hätte hoffen dürfen, dafs fie nach den
Arbeiten Baur's, Mangold's, Beyfchlag's, Weizfäcker's
und vieler Anderen nicht noch einmal auferftehen würde.

Die Art und Methode von Godet's Exegefe ift durch
feine auch in Deutfchland verbreiteten Commentare zu
Johannes und Lucas bereits hinreichend bekannt und
braucht darum hier nicht näher charakterifirt zu werden.
Sie hat unläugbar den Vorzug, dafs fie die Trockenheit
und Schwerfälligkeit der meiften deutfchen Commentare
vermeidet. In gefchmackvoller zufammenhängenderDar-
ftellung werden die Gedanken des Apoftels erläutert,
unter Beifeitelaffung alles eigentlich gelehrten Materiales.'
Dabei werden oft kurze Reflexionen eingefchaltet über
den religiöfen Werth und die praktifche Fruchtbarkeit
der ausgelegten Gedanken; oder es wird auch fonft durch
andere Mittel, wie etwa Anführung von treffenden Aus-
fprüchen älterer Theologen und Aehnliches, die Darfteilung
belebter zu machen gefucht. Die Auslegung
felbft ftützt fich faft überall auf die bekanntelten deutfchen
Commentare; namentlich Meyer ift dem Verf.
offenbar ein Hauptführer gewefen. Die Auswahl der
benützten deutfchen Literatur hätte allerdings theilweife
eine andere fein können. Während z. B. Olshäufen
und Lange benützt find, wird Reiche in dem Literatur-
verzeichnifs I, 148 gar nicht genannt, Fritzfche zwar
genannt, aber fo viel ich fehe nicht benützt; und doch
ift Fritzfche der eigentliche Begründer der neueren phi-
lologifchen Auslegung, von dem auch Meyer recht viel

dortige Gemeinde von Anfang an eine heidenchriftliche | gelernt hat. Godet's eigene Auslegung geht forgfältig

gewefen (I, 87). Aber nicht nur eine heidenchriftliche, auf das Einzelne ein; aber fie läfst doch nicht feiten an

fondern fpeciell auch eine paulinifche. Denn die gläu- j Schärfe und Präcifion zu wünfehen übrig. So ift z. B.

bigen Griechen, welche das Evangelium nach Rom ! in der Stelle von der natürlichen Gefetzeskenntnifs der

brachten, waren paulinifche Chriften (I, 96). Auf die
Präge, wozu dann Paulus noch nöthig hatte, in fo ausfuhrlicher
Weife diefer Gemeinde fein Evangelium dar

Heiden 2, 14—15 der wirkliche Gedanke des Apoftels
zweifellos der, dafs die Heiden 1) durch einzelne Fälle
thatfächlicher Gefetzeserfüllung ihre Kenntnifs des

zulegen, kann Godet auf Grund diefer Vorausfetzungen ■ Gefetzes beweifen, und dafs 2) eben dafür, alfo für ihre
nur antworten: Er wollte ihr den chriftlichen Unterricht, j Gefetzeskenntnifs, auch die Stimme ihres eigenen Ge-
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