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Ausgabe:

1882 Nr. 17

Spalte:

396-398

Autor/Hrsg.:

Golubinskij, E.

Titel/Untertitel:

Geschichte der russischen Kirche. 1. Bd. Erste, kiewsche oder vormongolische Periode. 1. u. 2. Abth 1882

Rezensent:

Bonwetsch, Gottlieb Nathanael

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395 Theologifche Literaturzeitung. 1882. Nr. 17. 396

Baur'fchen Homologumenen auch den erften Theffalo- j Eoji} Ghhciu B, E., Hcropin pyccuoB uepuBii. T. I. Hepiiwb nepBHfi

nicher-, den Philemon- und Philipperbrief. Die römifche bau AOMOHrojbcmB. MocKBa, 1880. 1881.

Gemeinde zur Zeit Pauli hält er für eine vorwiegend Golubinskij. Prof. E., Geschichte der russischen Kirche.

judenchriftliche (I, 106 ff.) - Den Hebräerbrief rft er j Bd Erfte kiewfche oder vormongolifche Periode.

geneigt, dem Apollos als Verfaffer zuzufchreiben (I, 1 ' , 00 „„ b

216-221); feine Abfaffung fetzt er noch vor 70, wahr- j u- 2- Abth- Moskau 1880, 1881. (XXIII, 792 u.

fcheinlich 66 nach Chr. (I, 222). Wie in diefem Punkte, XIV, 791 S. gr. 8.)

fo entfcheidet er fich auch in Betreff der Adreffaten Das mit diefen beiden umfangreichen Hälften des

gegen Holtzmann's und Zahn's Aufftellungen: nichtRom, : 1. Bandes begonnene Werk Golubinskij's verfpricht nach

fondern Alexandria fei die wahrfcheinliehe Adreffe (I, ! dem hierdurch Gebotenen entfehieden die befte Bear-

223—231). — Die Apokalypfe Johannis ift ein echtes | beitung der Kirchengefchichte Rufslands zu werden. Es

Werk des Apoftels Johannes (I, 240—276). — Der Jakobusbrief
ift ein judenchriftliches Product der nach-
paulinifchen Zeit, aber noch vor der Zerftörung Jerufa-
lems, wahrfcheinlich 69 oder 70 n. Chr. gefchrieben

übertrifft auch die bis jetzt allein als wirklich bedeutfame
Leiftung auf diefem Gebiet daftehende Arbeit Makarij's
(Theol. Lit.-Ztg. 1880, Sp. 330 ff.).

Einer Darftellung der Begründung und Ausbreitung

(I, 322 f., judenchriftlich: I, 310. 327 ff.). Beiläufig be- j der Kirche in dem Rufsland der vormongolifchen Zeit
merkt, kann ich die Zähigkeit des Vorurtheils, dafs der j tritt der Umftand erfchwerend entgegen, dafs noch keine
Jakobusbrief judenchriftlich fei, doch nur für ein befchä- j tüchtige kritifche Bearbeitung der Gefchichtsquellen vor-
mendes Symptom der Begriffsverwirrung halten, die auf j liegt. Nicht einmal die älteften kiewfchen Annalen
diefem Gebiete noch herrfcht. Einen Standpunkt, für j (früher Neftor zugefchrieben) aus dem Jahre 1110 find
welchen das Ceremonialgefetz fchon gar nicht mehr exi- ! aus den beiden vorzüglichften Handfchriften (am betten
ftirt, und welcher fich lediglich für die fittlichen Anforder- ! edirt von Palaufow und Bytfchkow 1871. 1872) der betten
ungen des altteftamentlichen Gefetzes intereffirt und diefe | Redaction kritifch herausgegeben und in Bezug auf die
ohne weiteres mit dem Sittengefetz des Evangeliums j Urfprünglichkeit ihrer Beftandtheile ausreichend unter-
identificirt — einen folchen Standpunkt kann man doch bei fucht worden. Um fo mehr ift jedoch der richtige Takt

einiger Klarheit der Begriffe nicht Judenchriftlich' nennen
. — Beim zweiten The ffalonicher brief nimmt
Davidfon einen echtpaulinifchen Grundftock an, welcher
um das J. 69 durch Einbehaltung der efchatologifchen
Partien überarbeitet worden fei (I, 347 f.). — Bei den
fynoptifchen Evangelien hält er ganz wie Baur an
der Griesbach'fchen Hypothefe fett: Marcus fei eine Com

anzuerkennen, welchen Gol. in der Beurtheilung und
Benutzung feiner Quellen bewährt. Vor allem aber verdient
Hervorhebung der durch keine Voreingenommenheit
befangene Blick G.'s. Er übt treffende Kritik an
der Tradition von einer Wirkfamkeit des Andreas auf
ruffifchem Gebiet. Mit Recht will er nichts davon wiffen,
dafs die kiewfchen Waräger Askold und Dir es gewefen,

pilation aus Matthäus und Lucas (I, 549 ff). In der AI- welche jenen Angriff der Pwg auf Conftantinopel unter
tersbeftimmung geht er etwas höher hinauf als Baur: l nommen, von dem Photius redet. Er erklärt mit Plero-
Matthäus um 105 (I, 416;, Lucas um 110 (I, 479), Mar- [ phorie im Anfchlufs an Kunik die 'Pwg nicht für Slaven,
cus um 120 (I, 570;. Die Priorität des Lucas vor dem | fondern für Normannen (vgl. dafür auch Thomscn, 0/7-
Elvangelium Marcion's wird entfehieden anerkannt. — Den
erften Petrusbrief fetzt D. mit Schwegler und Baur

in die Zeit Trajan's, vielleicht 113 n. Chr. (I, 524). —
Die Paftoralbriefe find im erften Viertel des zweiten
Jahrhunderts, wahrfcheinlich zwifchen 115—125 n. Chr.
entbanden (11,69). — Die Apoftelgefchichte ift zweifellos
von demfelben Verfaffer wie das dritte Evangelium

gin of the ancient Russ. 1877). Eigenthümlich ift ihm die
Annahme einer Niederlaffung der Normannen im Norden
des Schwarzen Meeres als Ausgangspunkt für ihre Raubzüge
. Entgegen der Meinung, dafs das Chriftenthum in
Rufsland zur Zeit der Bekehrung Wladimir's etwas Fremdes
gewefen, betont G. mit Recht die grofse Zahl der
chriltlichen Waräger zur Zeit Igor's 945, denn im offi-

(II, 145), alfo etwas fpäter als diefes, bald nach 120 n.Chr. J ciellen Friedenstractat werden fie den heidnifchen fogar
gefchrieben (II, 161). Ihre Tendenz ift eine conciliato- 1 vorangeftellt. Doch erfcheint der Schlufs auf eine innere
rifche: a proposal for peace presented to the Judaists by 1 Sympathie Igor's felbft mit dem Chriftenthum vorfchnell,
the Pauline party (II, 159). — Der Colofferbrief ift um da das von griechifcher Seite verfafste Document auch
120 in Klein-Afien verfafst. Die Holtzmann'fche Theil- l andernfalls die Religion des chriltlichen Kaiferftaates
ungshypothefe hält D. nicht für wahrfcheinlich, da ein ' voranstellen konnte. Igor's Gemahlin Olga ward Chri-
echter Brief Pauli um diefe Zeit fchon too well established ftin, aber nicht erft bei ihrem Zug nach Conftantinopel
gewefen wäre, um noch überarbeitet werden zu können i 957. Die fagenhaften Berichte der Chronik über Wla-
(II, 190), ein Argument, das freilich angefichts deffen, ! dimir's Taufe werden abgewiefen, ebenfo die Angaben
was noch Marcion fich erlaubt hat, wenig beweiskräftig j über ein befonders fündhaftes Leben Wladimir's vor der
ift. — Den Epheferbrief fchreibt D. einem anderen I Taufe. Wladimir wurde in oder bei Kiew getauft 987.
Verfaffer zu als den Colofferbrief. Seine Abfaffung fetzt , Zwei Jahre hernach unternahm er den Zug nach Korfun
er um 130—140 (II, 226). — Der erfte Johannesbrief , im Zufammenhang mit der Abficht, auch fein Volk zu
ift nach D. älter als das Evangelium und nicht von ! taufen und in die Reihe der civilifirten Völker einzu-
demfelben Verfaffer (II, 235 ff.), etwa um 130 gefchrie- ! führen. Die Taufe wurde dem Volk nach G. zunächft
ben (II, 244). Nicht viel fpäter find auch der zweite ' nur in der Umgebung Kiews ertheilt, fpäter auch in der
und dritte Johannesbrief entftanden (II, 262); und i zweiten Hauptstadt Novgorod und den andern von Slaven
bald nach 140 der Judasbrief (II, 271). — Das Jo- i bewohnten Reichstheilen. Unter Wladimir's Sohn Jaros-
hannesevangelium fetzt D. um 150 n. Chr. (II, 417), ! law befeftigte fich dann die chriftliche Kirche in Rufs-
indem er deffen Benützung durch Juffin für nicht er- ; land. Der griechifche Patriarch wufste diefelbe von fich
wiefen hält (II, 347). — Als die fpätefte Schrift des N. in Abhängigkeit zu bringen. G. beftreitet eine rechtliche
T.'s betrachtet er den zweiten Petru sbrief: etwa um Grundlage hierfür, erkennt aber die Thatfachen unbe-
170, wahrfcheinlich fpäter als der zweite Clemensbrief fangen als eine für Rufsland heilfame an, ebenfo wie
gefchrieben (II, 468). (im Widerfpruch mit wohl allen ruffifchen Gefchichts-

ry,pEpn F c,Liirpr fchreibern, aber Sicher mit Recht) den Umftand, dafs die

Metropoliten der ruffifchen Kirche in diefer Zeit faft
durchweg Griechen waren. Sic Standen fo unabhängig
den Fürften gegenüber und pflegten und vermittelten
die Einheit in dem durch Stete Kriege zerriffenen Reich.
Ihr erfter war Leo, der gegen die Lateiner gefchrieben.