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Ausgabe:

1882 Nr. 17

Spalte:

387-388

Autor/Hrsg.:

Bruston, Charles

Titel/Untertitel:

Histoire critique de la Littérature Prophétique des Hébreux depuis les origines jusqu‘à la mort d‘Isaie 1882

Rezensent:

Baudissin, Wolf Wilhelm

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387

Theologifche Literaturzeitung. 1882. Nr. 17.

388

roth etwas überfättigt, fo war das doch noch poetifch;
diefe Könige, Ackerbauer und Schmiede aber auf Lip-
pert's Olymp find einförmig und profaifch zugleich.

Marburg i. H. Wolf Baudiffin.

Bruston, Charles, Histoire critique de la Litterature Pro-
phetique des Hebreux depuis les origines jusqu'ä la
mort d'Isaie. Paris 1881, Fischbacher. (VIII, 272 S.
gr. 8.)

Der den Lefern diefer Literaturzeitung bereits be- j
kannte Verf. fetzt fein in verfchiedenen Veröffentlichungen
fchon bekundetes Beftreben fort, die in Deutfch-
land längft herrfchende literaturgefchichtliche Behandlungsweife
des Alten Teftamentes auch auf franzöfi-
fchem Boden zur Anerkennung zu bringen. Es ift ein
bezeichnender, den rein wiffenfchaftlichen Standpunkt
des Verf.'s rühmlichft zur Anfchauung bringender Um- j
ftand, dafs derfelbe S. VIII als hauptfächlich benützte
Literatur aufser den Schriften des Holländers Kuenen
und dem franzöfifchen Bibelwerke des doch auch uns
angehörenden Reufs nur deutfche Werke anzuführen
hatte. Der franzöfifchen Bibelforfchung wäre zu wün-
fchen, dafs im Gegenfatze zu jenem radicalen, wie es
uns faft fcheinen will, lediglich an dem Widerfpruche
gegen die Tradition fich ergötzenden Verfahren einiger
Wenigen, welche in neuefter Zeit unter kritifchen Ge-
fichtspunkten das Alte Teftament behandelt haben, die
Zahl Derjenigen fich mehrte, welche wie der Verf. mit
voller Freiheit, zugleich aber mit gröfster Befonnenheit
und mit eindringendem Verftändnifse, wie mit hoher
Begeifterung für den religiöfen Gehalt des Alten Teftamentes
Kritik an der althebräifchen Literatur üben.
Manchem, in einem oder dem anderen Punkte auch dem
Ref., mag das Verfahren des Verf.'s noch allzu confer-
vativ erfcheinen. Ueberall aber find es wohl zu erwägende
Gründe, welche fein Urtheil beftimmen.

Der Verf. hat fich die Aufgabe geftellt, die prophe-
tifchen Schriften ,in die gefchichtliche Umgebung zu
verfetzen, welche fie entftehen fah, die Umftände, welche
fie erzeugten, zu reconftruiren, ihre urfprüngliche Meinung
zu ermitteln, kurz fie aus der Gefchichte ihrer
Zeit zu erklären4 (S. VI). Diefem Theile foll eine Fort-
fetzung über die Gefchichte der jüngeren Propheten-
fchriften nachfolgen. Eine .Theorie des Prophetismus'
giebt der Verf. einftweilen nicht. Sie läfst fich nicht j
geben, ehe ,die Schriften jedes Propheten im Einzelnen |
unterfucht und verftanden find' und foll deshalb am
Schluffe des ganzen Werkes fich als das Refultat darfteilen
(S. VI f.).

In dem vorliegenden Bande find folgende Prophe-
tenfchriften behandelt worden, nach der zeitlichen
Stelle, welche ihnen der Verf. anweift, in diefer Reihenfolge
: Obadja, Joel, Elegie über Moab Jef. 15 —16, 12;
Prophetie gegen Ifrael Deut. 32; Arnos, Hofea, Sacharja
9—11, Jefaja, Micha. Von der Berechtigung, den Obadja
voranzuftellen, bin ich nicht überzeugt worden und vermag
ihn nicht anders zu verftehen, denn aus der Zeit
nach dem Falle Jerufalems durch die Chaldäer. Der
Verf. verlegt ihn in die erfte Zeit Joram's von Juda.
Die Einnahme Jerufalems verfteht er von derjenigen
durch Philifter, Phönicier und Araber (II Chr. 21, 16 f.).
Sein Hauptargument für diefe Datirung ift die von ihm
angenommene Bekanntfchaft des Jeremia mit Obadja
fchon vor der Zerftörung Jerufalems (Jer. 49, 7 ff., S. 21).
Wenn das Verhältnifs allerdings kaum das Umgekehrte
fein kann, fo ift daraus doch nur für Obadj. v. 1—9 vor-
jeremianifche Abfaffung zu entnehmen. Dafs Joel (3, 5)
den Obadja citire (S. 23), können die neueften Kritiker
bei nachexilifcher Änfetzung desfelben aeeeptiren. Ich
fehe nicht ein, weshalb Joe. 3, 5: ,Auf dem Berg Zion
und zu Jerufalem wird Errettung fein, wie Jahwe gefagt

hat', ein Citat fein mufs von Obadj. 17: ,Und auf dem
Berge Zion wird Errettung fein'. Der Inhalt diefer Ver-
heifsung war doch ein dem älteren Prophetenthum feft-
ftehender, und die Worte: ,wie Jahwe gefagt hat' müßten
fich deshalb nicht beziehen auf eine von einem beftimm-
ten Propheten gerade fo aufgehellte Aeufserung. Eher
fieht Obadj. 17 mit der Weglaffung von ,und zu Jerufalem
' aus wie eine Reminifcenz an Joe. 3, 5. Aus ,Haus
Jakob' und ,Haus Jofeph' (Obadj. 18. 20) ergiebt fich
nicht, dafs zur Zeit des Propheten das Zehnftämmereich
noch beftand (S. 26); der Prophet erwartet vielmehr für
die Zukunft eine Rückkehr und Wiedervereinigung des
Gefammtvolkes. — Die Prophetie Joel's fetzt der Verf.
nach alter Weife in die Zeit der Minderjährigkeit des
Joas (S. 35 f.). Scheint mir auch diefe beftimmte Datirung
nicht genügend gefichert, fo ergiebt fich doch,
wie S. 42 richtig angegeben wird, aus den von Joel
gefchilderten Völkerverhältnifsen, dafs er vorexilifch ift.
— Gleichzeitig mit Joel wird Jef. 15—16, 12 angefetzt
(S. 53), etwas fpäter, aber noch vor dem Tode des Joas
Deut. 32 (S. 55,.

In der Erklärung des Hofea werden die Ehen des
Propheten wieder als Fictionen gedeutet (S. 87); die rea-
liftifche Auslegung fcheint dem Verf. einfach unmöglich
, er hat aber die Fiction nicht verftändlich gemacht,
was nur durch eine noch niemals gegebene einleuchtende
Deutung der Eigennamen als iymbolifcher ge-
fchehen könnte; diejenige, welche der Verf. wieder vorträgt
(S. 83 ff.), ift doch nicht einfach und nicht deutlich
genug. — Den Abfchnitt des B. Sacharja c. 9—11 fetzt
B. im Anfang der affyrifchen Periode an (S. 116 ff,).
Ref. hält dies auch jetzt trotz der von B. noch nicht
berückfichtigten Abhandlung Stade's für das Richtige.
Bei diefer Zeitbeftimmung (wie ebenfo bei der vorexili-
fchen Änfetzung des Joel) macht freilich die Erwähnung
der Kinder Jawan's einige Schwierigkeiten; darunter mit
dem Verf. (S. 121) die Philifter zu verftehen, geht unmöglich
an. Auch Kanaan's Knechtfchaft gegenüber
Japhet in dem Noah-Spruch kann nicht von der Eroberung
des kanaanitifchen Küflenftriches durch die Philifter
verftanden werden (S. 123); denn die Philifter werden
im A. T. nicht zu Japhet gerechnet. — Dem Verfuche,
Jef. 24—27 als echtjefajanifch zu rechtfertigen durch die
Beziehung der gefchilderten Zerftörung auf den Untergang
Samariens (S. 159 ff.), kann Ref. nicht beiftimmen.
Es fcheint mir mit den meiften Kritikern allein die Auslegung
vom Falle Jerufalems zuläffig. — Die von B.
wieder vorgetragenen Verfuche, das Zeichen an der Sonnenuhr
Jef. 38 feines wunderbaren Charakters zu entkleiden
(S. 184), fcheinen mir vergeblich. — Befremdend
ift, dafs der Verf. Jef. 13—14, 23 für echt hält (S. 212 ff),
da er doch Jef. 40—66 nicht ebenfo beurtheilt und unverkennbar
diefelben aus der Gegenwart des Redenden
entnommenen Gründe gegen jefajanifche Abfaffung von
c. 40 ff. auch bei c. 13—14, 23 in Betracht kommen. —
Des Verf.'s Darftellung fchliefst ab mit dem B. Micha
(S. 252 ff.), welches er als das einheitliche Werk des Zeit-
genoffen Jefaja's anfleht. Die andersartige Beurtheilung
Stade's konnte noch nicht benutzt werden; wohl aber
hätte der Verf. Rückficht nehmen können auf die fchon
früher von Wellhaufen vorgetragenen Andeutungen.

Ich fchliefse mit dem Wunfche, dafs die Fortfetzung
diefes nicht nur für die franzöfifche Theologie förderlichen
Werkes bald erwartet werden dürfe.

Marburg i. H. Wolf Baudiffin.

Destinon, Dr. Juft. v., Die Quellen des Flavius Josephus.

I. Die Quellen der Archäologie Buch XII—XVII
= Jüd. Krieg B. f. Kiel 1882, Lipfms & Tifcher.
(129 S. gr. 8.) M. 3. —
Die Frage, welche Quellen von Jofephus für die
nachbiblifche Periode der jüdifchen Gefchichte benützt