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Ausgabe:

1882

Spalte:

296-297

Autor/Hrsg.:

Koch, Adolf

Titel/Untertitel:

Die frühesten Niederlassungen der Minoriten im rechtsrheinischen Bayern 1882

Rezensent:

Mueller, Karl

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Theologifche Literaturzeitung.'' 1882. Nr. 13.

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von Zangemeifter theils von du Rieu collationirt. Die
andere Familie ift vertreten durch cod. Palatin. 829 sacc.
VIII oder IX ineunte (P), von Zangemeifter in der Vati-
canifchen Bibliothek wieder aufgefunden, theils von ihm
felbft, theils von Georg Kaibel collationirt; Rhedigeramts
R. 108 saec. IX oder X init. (R) von Rudolf Peiper col- >
lationirt, von Zangemeifter theilweife neu verglichen.
Die übrigen Codd., von denen p. XX sq. ein vollftändiges
Verzeichnifs gegeben wird, konnten für die Conftituirung
des Textes unberückfichtigt bleiben. Beide FAmilien
find nach Zangemeifter gleichwerthig; die Entfchcidung
hat daher aus inneren Gründen, unter Berückfichtigung
der Eigentümlichkeiten der Handfchriften u. f. w. zu
erfolgen; in orthographifchen Dingen hat der Herausgeber
die Schreibung von L bez. D befolgt. Bei dem
hohen Alter der benutzten Handfchriften ift die Möglichkeit
einerHerftellung des Archetypus gegeben, welche
der Abfaffungszeit der historia adv. pag. aufserordent-
lich nahe kommt. Aufser dem Text und den kritifchen
Noten wird uns ein fortlaufender Quellennachweis geboten
, für welchen als dankenswerthe Grundlage die
Schrift von Theod. v. Mörner ,de Orosii vita eiusque histo-
rianim libris Septem adv. paganos1 (Berlin 1844) benutzt
werden konnte. Dem Ouellennachweife fchliefst ebenfalls
unter dem Texte ein vollftändiges Verzeichnifs der
von den fpäteren Expilatoren ausgezogenen Stellen fich
an. Von Profanfcribenten find Livius (in der jetzt verlorenen
Epitome, derfelben, aus welcher die noch vorhandenen
Excerpte herrühren), Tacitus, Sueton, Juftin,
Florus, Eutropius benutzt. Die Compilation ift fo kunft-
los, dafs z. B. die Schlacht an der Trebia und der Tod
des Claudius Marcellus zweimal erzählt wird. Für die
Kirchengefchichte ift das Buch des Orofius von fehr geringer
Bedeutung. Als Zweck desfelben bezeichnet er
felbft, auf Anregung Auguftins durch eine Zufammen-
ftellung der Kriegsnöthe, Seuchen, Hungersnöthe, Erdbeben
, Ueberfchwemmungen, Feuersbrünfte, Hagel-
fchläge, Unglücksfälle und Schandthaten aller Art aus
der heidnifchen Zeit nachzuweifen merito hac scru-
tatione claruerit regnasse mortem avidam sanguinis dum
ignoratur religio quae prohiberet a sanguine' [p. 3 sq.);
dagegen heifst es von den ,Christiana temporaim. ,Osteu-
dimus non magis verbo paene quam digito innumera bella
sopita plurimos extinetos tyrannos compressas coangustatas
addictas exinanitasque immanissimas gentes minimo san-
guine nullo certamine ac paene sine caede1 (p. 563). Freilich
contraftirt mit diefer idealen Schilderung die Erzählung
feiner eigenen Zeitgefchichte (unter Honorius) aufs Selt-
famfte. Für die kirchengefchichtlichen Nachrichten ift
aufser der Kirchengefchichte des Eufebios in der Ueber-
fetzung Rufin's lediglich die Chronik des Hieronymus
(bis zum 15. Jahre des Valens) benutzt, letztere, wie
Zangemeifter nachweift, in einem wahrfcheinlich aus
Anianos oder Panodoros interpolirten Exemplare, welches
einige Wichtigkeit durch mehrere aus Julius Afri-
canus gefchöpfte Notizen (VII, 4, 13 sq. cf. 18; VII, 4,
15) erhält.

Für den Uber apologeticus (die Selbftvertheidigung
des Orofius gegen Pelagius) find benutzt: cod. Paris,
lat. 17349 saec. IX. oder X (2), Paris, lat. 1863 saec. X
(Y), Vat. Reginae 286 (olim 1501) saec. X—XI {<!>), ein
cod. der Bibl. von Troyes No. 1145 saec. XIII [X] und
ein cod. der Bibl. von St. Omer No. 61 saec. XIV (!F).
Die codd. H X f find von Zangemeifter felbft, Y von
Hugo Andrefen, 'i> theils von Zangemeifter theils von
Studemund verglichen. Aufserdem ift von dem Herausgeber
ein cod. Ashburnhamensis Librianus No. 86 saec.
XII eingefehen worden. Hierzu kommt endlich die die
Stelle eines Codex vertretende ed. princ. von Joh. Cofte-
rius (Löwen 1558). Sämmtliche Handfchriften find aus
einem ftark verderbten und, wie fchon Andreas Schott
nachgewiefen hat, aus Auguftin [denatura etgratia 13—21;
3—13) interpolirten Codex gefchöpft (f. z. /. 6<5o, 1).

Die aus Auguftin eingefchobenen Stellen, welche in
früheren Drucken dem Texte des Apologeticus einverleibt
waren, find anhangsweife abgedruckt. Das Com-
monitorium ad Augustinum ift von der Ausgabe ausge-
fchloffen, weil dasfelbe in den Handfchriften der Werke
Auguftin's enthalten ift. Doch hat Zangemeifter auch für
diefes Stück eine von Max Bonnet beforgte Collation
von cod. Paris, lat. 2093 saec. XIII erlangt. Der Ausgabe
find fünf indices beigefügt.

Jena. Lipfius.

1. Koch, Dr. Adolf, Die frühesten Niederlassungen der Mi-
noriten im rechtsrheinischen Bayern. Heidelberg 1880,
C. Winter. (35 S. gr. 8.) M. 1. —

2. Ders., Die frühesten Niederlassungen der Minoriten im
Rheingebiet und ihre Wirkungen auf das kirchliche
und politifche Leben. Von der philofophifchen Fakultät
Heidelberg preisgekrönte Abhandlung. Leipzig
1881, Duncker & Humblot. (VTII, 118 S. gr. 8.)
M. 2, 80.

Man ift allmählich fo daran gewöhnt, dafs die Mehrzahl
aller werthvollen Arbeiten auch für Kirchengefchichte
des Mittelalters von Profanhiftorikern ausgeht,
dafs man fich nicht wundern kann, wenn auch die Ein-
zelforfchung auf dem Gebiet der Bettelorden nach langer
Vernachläffigung nunmehr von jener Seite angefafst
wird. Wenn Voigt durch feine Publication der Denkwürdigkeiten
des Minoriten Jordanus von Giano' und die
damit verbundenen werthvollen Unterfuchungen über die
ältere hiftorifche Literatur des Ordens fowie die erfte
Gefchichte desfelben einen Grund für künftige Forfch-
ung gelegt hatte, fo find doch relativ fehr wenig weitere
Fortfehritte auf diefem Gebiet gemacht worden.
Nun aber hat der Verfafter obiger Abhandlungen einen
rühmenswerthen Anfang damit gemacht, für einzelne
Gebiete Deutfchlands feftzuftellen, in welchem Umfang
die Befiedelung derfelben durch die Jünger des h. Franziskus
erfolgt ift, und zugleich, foweit dies angeht, die
Daten jener Niederlaffungen zu fixiren. Wie geogra-
phifch, fo befchränkt fich der Verfaffer auch zeitlich auf
einen kleineren Raum, geht aber hier um fo forgfältiger
zu Werk. Ueberall zeigt fich, wie Sage und Dichtung
bemüht gewefen find, die Ordensniederlaffungen mög-
lichft hoch hinaufzudatiren und die Ausbreitung des Ordens
fogleich in den erften Jahren feiner Miffion als fehr
bedeutend und rafch fich vollziehend darzuftellen. Dagegen
giebt die urkundliche Unterfuchung diefer Behauptungen
ein ziemlich anderes Bild: bis zur Mitte, ja
bis zum letzten Drittel des 13. Jahrh. find diefe Niederlaffungen
in Deutfchland gar nicht fo befonders zahlreich
; und erft nach diefer Zeit, zumal feit dem 14. und
noch fpäteren Jahrhunderten find dann jene maffenhaften
Minoritenklöfter entftanden. Für das rechtsrheinifchc
Bayern z. B. weifs Koch aus dem ganzen 13. Jahrh.
nicht mehr als 10 Klofterbauten nachzuweifen, und für
das Rheingebiet von der Schweiz bis Holland macht er
etwa für die erften 50 Jahre des Ordens nur 42 ausfindig
; und dabei wird noch der Begriff des Rheingebietes
in einem recht weiten Umfang genommen. Dafs er
beidemal nicht Anfpruch auf Vollftändigkeit erheben
kann, dafs vielmehr durch Localforfchung namentlich archi-
valifcher Art noch manches wird gefunden werden können
, fagt er felbft. Aber auch wenn derartige Nachzügler
noch kommen, wird die Hauptfache dadurch nicht
wefentlich anders werden. Dabei bleibt aber die bezeichnende
Thatfache vollftändig aufrecht, dafs diefe
Niederlaffungen gerade in den Mittelpunkten des Handels
und Verkehrs, in den volkreichften und von
blühendftem bürgerlichen Leben erfüllten Städten erfolgt
find: ein Hauptftrom ihrer Anfiedelungen hat fich ja ge-