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Ausgabe:

1882

Spalte:

241-248

Autor/Hrsg.:

Bredenkamp, C. J.

Titel/Untertitel:

Gesetz und Propheten. Ein Beitrag zur alttestamentlichen Kritik 1882

Rezensent:

Stade, Bernhard

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Theologische Literaturzeitung,

Herausgegeben von D. Ad. Harnack und D. E. Schürer, ProfE zu Giefsen.

Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Iünrichs'fche Buchhandlung, jährlich 16 Mark.

N°- 11.



3. Juni 1882.

7. Jahrgang.

Bredenkamp, Gefetz und Propheten (Stade).

Uilgenfeld, Hermae Pastor. Zweite Aullage
(A. Harnack).

Kellner, Tertullian's fammtliche Schriften überfetzt
(A. Harnack).

Loofs, Zur Chronologie der Bonifatius-Briefe

(O. Harnack).
Salfehl, Luthers Lehre von der Ehe (Kühler).
Reumont, A. v., Vittoria Colonna (A. Harnack).
Jacobi, Erinnerungen an den Ilaron Ernft von

Kotteritz (Tfchackert).

Ilolften, die proteflautifche Kirche und die
theologifche Wiffenfchaft (Köhler).

Förfler, Ueber ethifche und äflhelifche Welt-
anfehauung (Lemnie).

Kurzgefafste Mittheilungen.

Bredenkamp, Privatdoc. Lic. C. J., Gesetz und Propheten, j einmal darüber klar geworden, dafs er nicht eine Methode

Ein Beitrag zur altteftamentlichen Kritik. Erlangen
1881, Deichert. (III, 204 S. gr. 8.) M. 3. —

Es ift dies ein belehrendes Schriftftück. Nicht weil
dasfelbe etwa unfere Kenntnifs des A. T. nach irgend
einer Seite förderte. Das beabftchtigt es nicht, vermag
es auch nicht, denn fein Verfaffer ift durch die Befchäf-
tigung mit v. Hof mann' fchen Theorien für die Bearbeitung
altteltamentlicher Aufgaben verdorben. Allein es
zeigt uns, welchen verblüffenden Eindruck die neueffe
Wendung in der a. t. Theologie auf diejenigen Kreife
gemacht hat, welche, wiewohl ohne jeden Grund, gewohnt
find, fich mit der kirchlichen Theologie zu identificiren
und die pharifäifch-rabbinifche Tradition für kirchlich zu
halten, wiewohl unfere Kirche ihrem Wefcn entfprechend
nicht wie die römifche die Unvorfichtigkeit begangen
hat, über diefe Dinge irgend eine Meinung als die ihrige
zu proclamiren. Daher werden denn unter uns diefe
Dinge mit den Mitteln der Wiffenfchaft reinlich und
fäuberlich erledigt, ohne 1 Icilighaltung der pharifäifchen
Tradition zwar, aber zum Nutzen der Theologie und
Kirche, während man dort fich in den Zwang verfetzt
fühlt, ohne jeden Nutzen und mit fragwürdigen Mitteln
für die phariläifche Tradition, meift auch in pharifäifcher
Selbffzufriedenheit, einzutreten.

Man wird gern anerkennen, dafs dem Verf. die grofse
Bedeutung der auf Grund der Graf'fchen Hypothefe er-
wachfenen Art, das A. T. zu betrachten, klar geworden
ift, und dafs er diefen Eindruck nicht wie hin und wieder
kritifche Theologen zu bemänteln beftrebt ift. Er ift
zudem von der Kritik in feiner Auffaffung vielfach an-
gefreffen. Aber bei dem Mangel an theologifcher Schulung,
welchen auch diefe Arbeit des Verf.'s wieder in fehr bedauerlicher
Weife verräth, und der hieraus entfpringenden
Unfähigkeit zu präcifem theologifchen Denken, findet
er nicht die Kraft, fich zu einer reinlichen Anfchauung
hindurchzuarbeiten, fondern in einem Nebel unklarer
Vorftellungen befangen ficht er fich zu unmöglichen
Aufftellungen gedrängt, bei welchen er die falfchen
Vorausfetzungen der Schule halten zu können meint.
Wie bei andern apologetifchen Leiftungen kommt es
auch hier auf eine Verklcifterung und Verfchmierung
des für jeden nicht in Schulmeinungen Befangenen klar
vorliegenden Thatbeftandes hinaus. Das Heft ift daher
nicht ein Beitrag zur Kritik, fondern zur Beurtheilung
der Kritik. Von einem Beitrage zur Kritik müfste man
zuerft verlangen, dafs er mit klaren Begriffen operire,
was, wie wir fehen werden, nirgends der Faß ift, dann
dafs er die Argumente der Gegner präcis wiedergebe, was
ebenfowenig der Fall ift, endlich dafs er ihnen Gründe
entgegenftellc, welche auch für fie beweiskräftig find,
was gefliffentlich vermieden wird. Der Verf. ift fich nicht

befolgen dürfe, welche er am Gegner tadelt. Er meint,
und zwar mit Unrecht, dafs die Kritik vom argui/teiititui
ex silentio einen unerlaubten Gebrauch mache, baut aber,
foweit er nicht ftatt der Argumente unbeweisbare Vorausfetzungen
vorbringt und nicht auf dem Wege einer vor
keiner Abfurdität zurückfehreckenden Exegefe operirt,
feine ganze Unterfuchung fo recht eigentlich auf das
argumentum ex silentio. Nur das eine unterfcheidet ihn
hierin von feinen Gegnern, dafs, während diefe aus der
Nichterwähnung einer Inftitution an Orten, wo diefelbe
zu erwähnen war, auf das Nichtvorhandenfein derfelben
fchliefsen, er dann umgekehrt behauptet, dafs alfo ihr
Vorhandenfein nicht widerlegt fei, fie alfo vorhanden
gewefen fei. Ganz ähnlich ift es mit einem andern Vorwurfe
des Verfaffers. Er tadelt bitter, dafs die Gegner
die über die Gefchichte des Cultus erhaltenen fpärlichen
Andeutungen zu einem Gefammtbilde ergänzen, das ja
vielleicht einige ungenaue Züge enthält. Er fclbft aber
fetzt an die Stelle des von den Gegnern gezeichneten
Bildes ein vollftändigcs Phantafieftück, welches fich von
jenem hauptfächlich in dem einen wichtigen Punkte
unterfcheidet, dafs es den überlieferten Nachrichten
widerfpricht. Auch hier ift der Refpect der Apologetik
vor der heiligen Schrift |gcringer als das Streben, die
eigenen vorgefafsten Meinungen feftzuhalten. Ecrner
hätte der Verf. fich wohl klar machen follen, dafs da,
wo die Methode der Gegner mit befonderer Accurateffe
arbeitet, ihre Refultate nicht durch eine Verdächtigung
diefer Methode zu erfchüttern find. Unter denjenigen
Theologen, welche fich die Mühe nicht haben verdriefsen
laffen, die uns erhaltenen Refte der in der Gefchichte
der Religionen fo einzigartigen prophetifchen Bewegung
genauer zu ftudiren, ift es anerkannt, dafs man die Ent-
wickelung derfelben nur dann zu verftehen und zu über-
fehen lernt, wenn man den Gedankenumfang und Ge-
dankenzufammenhang jedes einzelnen Propheten reinlich
feftzuflcllen fich bemüht. Diefe Anforderung ift dem
Verf. fchr unbequem, fie dünkt ihm (S. 42) eine unnatürliche
Zerfplitterung der Gcfammtanfchauung in Einzelbegriffe
, S. 29 eifert er fogar in den Gegner frech verläum-
dender und die Propheten, wie mich dünkt, discreditirender
Weife dagegen, dafs man jedem einzelnen Propheten
feinen abgegrenzten Lehrbegriff ,unterfchiebe, als ob
man in den Propheten neuere Syftematiker vor fich habe'.
Die ganze Stumpfheit der theologifchen Begriffe des
Verf.'s, welche aus dem oben gerügten Mangel an jeder
theologifchen Schulung fich erklärt, tritt hier befonders
grell zu Tage. Wer das Vermögen zu unterfcheiden in
fo geringem Mafse befitzt, follte das Gebiet bfiKiJArh-
theologifcher Studien nicht betreten, vor allgp> ^cr fich
nicht zum Apologeten aufwerfen, d^"**-" ficht zu
fürchten, dafs er das zu M Qtfr^^ndc durch das

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