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Ausgabe:

1882 Nr. 1

Spalte:

5-7

Autor/Hrsg.:

Ochsenbein, Gottl. Friedr.

Titel/Untertitel:

Aus dem schweizerischen Volksleben des XV. Jahrhunderts 1882

Rezensent:

Staehelin, Rudolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1882. Nr. 1.

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erwiefen ift (I S. 25 ff.). Doch wäre eine ausführlichere ! ftändigen Studien, wofür beifpielsweife an die Beziehun-

Auseinanderfetzung mit der im J. 1872 in Rom vorge
nommenen mikrofkopifchen und chemifchen Analyfe des
Inhaltes eines in S. Saturnino gefundenen Fläfchchens,
die nach dem von de Roffi {Rom. sott. III) mitgetheilten
Protocolle die Anwefenheit von Blut conftatirte, wün-
fchenswerth gewefen. Eine jetzt im Lateranmufeum befindliche
Infchrift AEQVITIO IN >f< DEO INNOFITO
{fleophylo) löft der Verf (II S. 178) mit Anfchlufs an die
römifchen Archäologen auf: in Christo Dco s/w u. f. w.,
wie auch eine andere, ebenfalls römifche DEO SANC %
VNI: Dco sancto Christo wri(). Das Monogramm Chrifti
ift aber hier nicht als im Contexte flehend anzufchen,
fondern hat, wie auch fonft, nur die Bedeutung eines
Symbols, welches dem Wortlaute der Infchrift gleichgültig
gegenüberfteht. Ein gallifcher Titulus mit den
Worten IN CRISTO DEO SVO läfst fich nicht als Ana-
logon aufführen, weil hier das Monogramm nicht fteht.
Nicht immer find die Infchriften richtig transfcribirt, z. B.
ift in dem pl. LXXI, 10 reproducirten Epitaphe nicht
MES {mcnscs) VIII, fondern MES N {numeroj IUI zu
lefen.

Leipzig. Victor Schultze.

Ochsenbein, Pfr. Gottl. Friedr., Aus dem schweizerischen
Volksleben des XV. Jahrhunderts. Der Inquifitionspro-
cefs wider die Waldenfer zu Freiburg i. U. im Jahre
1430, nach den Akten dargeftellt. Bern 1881, Dalp.
(XI, 410 S. 8.) M. 5. —

Eine Vermehrung der ,Valdensia' durch neue urkundliche
Mittheilungen wird man immer mit Freuden
begrüfsen, zumal für das XV. Jahrhundert und für ein
Land, von deffen religiöfem Leben fonft nur fpärliche
Zeugnifse uns erhalten geblieben find. Vorliegende
Schrift erzählt an der Hand der noch vorhandenen Pro-

cefsacten das wiederholte Auftauchen waldenfifcher Ge- j ruhen folle; die Verwerfung des Fegefeuers, des Hei-
meinfehaften in der fchweizerifchen Stadt Freiburg wäh- ligencultus, des Gebets an Maria find deswegen die am

gen der Stadt zu der Geiftlichkeit und an die Erzählung
der Judenverfolgung erinnert fei. Aber unter diefem
Nebenzweck leidet die innere Einheit der Schrift; er
fteht namentlich mit jener allgemeinen Gefchichte der
Waldenfer am Anfang und am Schlufs in keinem Zu-
fammenhang, fo dafs der Verfaffer vielleicht beffer ge-
than hätte, feinen Stoff auf zwei verfchiedene Abhandlungen
zu vertheilen. — Was den eigentlichen Gegen-
ftand, den Waldenferprocefs vom Jahre 1430, felbft betrifft
, fo ift er vom Verf. möglichft genau und in chro-
nologifchem Anfchlufs an die Acten wiedergegeben. Die
Leetüre wird dadurch bei der durchgängigen Aehnlich-
keit der Anfchuldigungen und der Ausfagen in den einzelnen
Verhören allerdings mühfamer und das Auseinanderhalten
der Perfonen fchwieriger, als es bei einer
freieren Bearbeitung der Fall wäre; aber der gefchicht-
lichen Forfchung ift durch die vom Verf. gewählte Art
der Mittheilung unftreitig beffer gedient und fie wird
ihm dafür Dank willen, dafs er fie nicht im Intereffe
einer gröfseren Popularität feinen Darftellung mit einer
andern vertaufcht hat. Die allgemeinen Ergebnifse für
die Gefchichte der Waldenfer find am Schluffe über-
fichtlich von ihm zufammengeftellt und dienen durchweg
den von Herzog vertretenen Anflehten zur Beftätigung.
Wir blicken in eine durch alle Stände fich verzweigende
Diafpora, deren Wanderprediger als die wahren Nachfolger
der Apoftel verehrt werden, die aber doch den
Zufammenhang mit der herrfchenden Kirche und ihren
Sacramenten noch nicht ganz gelöft hat und namentlich
in der Lehre von der Gerechtigkeit durch Werke grund-
fätzlich mit ihr einverftanden ift, fo fehr, dafs einem Mitglied
von einem jener Beichtväter einmal dreifsig Pater-
noftcr zur Bufse auferlegt werden konnten (S. 194. 388,
vgl. 226;. Was fie leugnen, ift vielmehr blofs die Möglichkeit
einer Rechtfertigung, die nicht auf perfönlicher,
fondern auf ftellvcrtretender Leibung durch Andere be-

rend der Jahre 1399, 1429 und 1430. Die Verhandlungen
von 1399 und 1429 waren bereits bekannt und für die
Gefchichte der Waldenfer verwerthet (vgl. zu den vom
Verf. angeführten Stellen noch Herzog's Realenc. XIV.
103; XVII. 518); fie find deshalb hier auch nur kurz re-
fümirt worden; die Acten aus dem Jahre 1430 dagegen,
gerade die ausführlichften und werthvollften von alien,
find bis jetzt unedirt geblieben, fo dafs ihre Mittheilung
in der That das Bild von diefer Gemeinfchaft, fowohl
was ihre Lehre, als was ihre Verbreitung und die Lebensweife
ihrer Mitglieder betrifft, in willkommener
Weife bereichern wird. Weniger gilt dies von der Einleitung
und dem Schlufs der Schrift, welche eine gröfs-
tentheils auf anderweitigen Arbeiten beruhende Ueber-
ficht über die allgemeine Gefchichte der Waldenfer vor
und nach dem gefchilderten Procefs enthalten; fie find
augenfeheinlich zur Orientirung jenes ,gemifchten Lefer-

meiften hervortretenden Anklagepunkte. Die Befchul-
digung communiflifcher Grundfätze, die übrigens fchon
Hottinger in feiner fchweizerifchen Kirchengefchichte
(II. 331) in Zweifel gezogen hat, wird vom Verf. mit
Evidenz als falfch nachgewiefen (S. 393), und ebenfo
fcheint er im Rechte zu fein, wenn er in den Ausfagen
eine fchon damals beftehende Verbindung der Waldenfer
mit den Huffiten angedeutet findet (S. 90. 200. 322.)
Dagegen hätte der Zufammenhang diefer Freiburger
Secte mit den fog. Winkelern in Strafsburg, mit denen
uns Röhrich's Mittheilungen aus der evangelifchen Kirche
des Elfaffes (I. 1855) bekannt gemacht haben, näher un-
terfucht werden können. Nicht blofs die auffallende
Uebereinfbmmung der beiderfeitigen Geftändnifse fordert
dazu auf, fondern auch der wohl kaum zufällige Umband,
dafs in dem Freiburger Verhör ein Angeklagter, Namens
Konrad Wafer, ausfagt, wie fein Vater um gleicher

kreifes' beigefügt, um deffen willen der Verfaffer nach { Anklage willen aus ,Argentina' habe flüchten müffen, und
S. IX der Vorrede es vorgezogen hat. die Acten batt j dafs die Strafsburger Libe von 1400 (bei Röhrich S. 74)
in ihrem lateinifchen Text in deutfeher Ueberfetzung 1 wirklich auch einen Mann diefes Namens aufweift, der mit
zur Veröffentlichung zu bringen, und find auch bei der j drei Schwebern und einer Tochter der Secte angehörte,
anziehenden und zuverläffigen Darbellungsweife des — Eine hervorragende und befonders beachtenswerthe
Verf.'s wohl geeignet, diefen Zweck zu erfüllen. Im In- 1 Stellung nimmt unter den Angeklagten der Edle von
tereffe der Vollbändigkeit wären etwa noch die Mit- , Maggenberg ein, deffen Gefchichte vom Verf. mit be-
theilungen von Preger in den Abhandlungen der Mün- j fonderer Aufmerkfamkeit verfolgt und wie mir fcheint
chener Akademie zu verwerthen gewefen. Nach der { auch mit befonders glücklicher Combinationsgabe aus

Andeutung des Titels foll dann aber die Schrift zugleich
als ein Bild ,aus dem fchweizerifchen Volksleben des
XV. Jahrhunderts' dienen, und zu diefem Zwecke wird
neben der Gefchichte der Waldenfer und des Waldenfer

den Acten hergebellt wird. Sein Procefs wurde, als er
die Stadt wegen der über ihn verhängten Güterconfis-
cation beim Reichsgericht verklagte, vor das Basler Con-
cil gebracht, aber auch von diefem im Sinne des Frei-

proceffes auch die fonbige Entwicklung der Stadt P'rei- 1 burger Urtheils entfehieden. Wenn der Verf. es be
bürg zwifchen den Jahren 1399 und 1430 in die Dar- J dauert, dafs die betreffenden Acten fich in den Concils-
ftellung hineingezogen. Auch diefer Theil hat feinen I Verhandlungen nicht mehr ausfindig machen liefsen, fo
gefchichtlichen Werth und ruht auf fleifsigen und felb- [ mufs ich leider hinzufügen, dafs auch ich im Suchen