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Ausgabe:

1882 Nr. 1

Spalte:

4-5

Autor/Hrsg.:

Roller, Théophile

Titel/Untertitel:

Les Catacombes de Rome, histoire de l‘art et des croyances religieuses pendant les premiers siècles du christianisme. 2 vols 1882

Rezensent:

Schultze, Victor

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Theologifche Literaturzeitung. 1882. Nr. I.

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vnuov in V. 17 gedacht, fondern nur an den auch im
Texte citirten V. 16 (vgl. S. 53).

Göttingen. H. Wen dt.

Usener, H., Acta Martyrum Scillitanorum graece edita.
(Index scholarum a. 1881.) Bonn 1881. (6 S. 4.)

Ufener hat uns hier nicht nur mit einer griechi-
fchen Recenfion der Acta Mart. Scillit. bekannt gemacht,
die er in einem Parifer Mf. (Nr. 1470) saec. IX. entdeckt
hat, fondern er hat aus eben diefer Recenfion beftimmen
können, dafs das Martyrium des Speratus und Genoffen
nicht unter Septimius Severus, fondern fchon unter
Commodus, aber in deffen erftem Jahre (180), alfo wohl
noch in Folge der verfchärften Edicte des M. Aurel,
ftattgefunden hat. Die Combination mit Tcrtull. ad Scap.
3 ergiebt, dafs die Verfolgung, der Speratus u. A.
zum Opfer fielen'(Vigellio Saturnino proconsule), die erfte
in Africa gewefen ift. Die Acta mart. Scillit. find
alfo das ältefte Document der Gefchichte der
Kirche in Afrika, wenn man von der Bibelüberfetz-
ung abfieht, denn keine Schrift Tertullian's reicht bis
Commod. I. hinauf. Dafs aber die Acten in der Geftalt,
wie fie vorliegen, zuverläffig find, und dafs ihre Datir-
ung den Vorzug verdient vor der, welche die lateini-
fchen Recenfionen bieten (zu den fchon bekannten hat
Aube, Les chretiens dans l'empire romain de la fin des
Antonius, p. 499—303, eine neue aus einer Parifer Hand-
fchrift hinzugefügt), hat Ufener erwiefen. Aufser dem
nächften Intereffe, welches die Acten bieten (f. das
fchroffe Bekenntnifs des Speratus: eya> xijv ßaculetav
xov vvv alwvog nv -/ivda/.a), find fie auch für die Ka-
nonsgefchichte lehrreich. Denn auf die Frage des Pro-
confuls: rioiat Tigay^taxslat Iv xotg iitsxsQoig dnb/.etvxat
ov.sieötv erwiedert Speratus: Ai xa,'/ tyidg ßißlot xat
tu nQog sni xovxotg hnaxolcu Uavlov tov balov ävögog.
Der Ausdruck ift gewifs nicht nach II Clem. 14, 2 zu
erklären (xct ßtßlla xat oi ändoxolot); denn dort bezeichnet
xa ßtßlla die Bücher des A. T., ol änöaxolot
die chriftlichen Schriften, das nachmalige N. T.). Fraglich
kann nur fein, ob ßißlot das A. T. und die Evangelien
oder nur die letzteren umfaffen. Diefes ift gewils
wahrfcheinlicher. Die lateinifchen Recenfionen haben
den intereffanten Ausdruck mehr oder weniger modifi-
cirt, aber unter ßißlot auch die Evangelien verftanden.

Ift der griechifche Text, der fo viele Vorzüge vor
den lateinifchen zeigt, etwa der, urfprüngliche? Aube
hat in einer eigenen Abhandlung {Etüde sur un nouveau texte
des actes des martyrs scillitains. Paris 1881) auf Grund
der Ufener'fchen Edition die Frage in bejahendem
Sinne beantwortet. Bonn et (Rev. critique 1881 Nr. 44
p. 313 f. — Ref. kennt die Aube'fche Unterfuchung
allein aus diefer Anzeige) ift ihm beigetreten, jedoch
nicht ohne Bedenken. Auffallend ift es gewifs, dafs die
älteften afrikanifchen Märtyreracten griechifch aufgezeichnet
worden fein follen; indeffen die chriftliche Religion
hatte auch noch zur Zeit des Marc Aurel ihre Anhänger
im Welten des Reichs hauptfächlich in der eingewanderten
griechifchen und orientalifchcn Bevölkerung
, und Tertullian felbft hat feine früheften chriftlichen
Schriften griechifch gefchrieben. Die Märtyrer Speratus
und Genoffen waren, wie die Namen beweifen, Lateiner,
aber der, welcher ihre Acten aufzeichnete, mag ein eingewanderter
Grieche gewefen fein. Das Material, aus
dem er fchöpfte, lag in lateinifcher Sprache vor. So
mögen fich die Latinismen in der griechifchen Urgcftalt
der Acten und die Gräcismen in ihren lateinifchen Recenfionen
vielleicht am beften erklären.

Giefsen. Adolf Harnack.

Roller, Theophile, Les Catacombes de Rome, histoire de
Part et des croyances religieuses pendant les premiers
siecles du christianisme. 2 vols. Paris 1881, Ve. A.
Morel & Cie. (XXXIV, 304 u. 391 S. mit 100 helio-
graph. Taf. Fol.) Fr. 250. —

Die Katakombenforfchung der Gegenwart fpiegelt
faft in ihrer ganzen Ausdehnung den Einfiufs de Roffi's
wieder. Die Verfaffer bezw. Ueberfetzer des unter dem
Titel Roma sotteranea in englifcher, franzöfifcher und
deutfcher Sprache umwandelnden Werkes haben fich nur
in unbedeutenden Fragen ihrer Rolle als Ausfchreiber
de Roffi'fcher Unterfuchungen und Refultate entäufsert.
Diefe Abhängigkeit kann, unbefchadet der grundlegenden
Bedeutung der Forfchungen de Roffi's, nicht als heilfam
für die kirchlich-monumentale Alterthumswiflenfchaft betrachtet
werden. Insbefondere wird diefe dadurch in der
falfchen Beziehung der cömeterialen Denkmäler auf die
kirchliche Dogmatik und Ethik fcftgehalten und damit
der eigentliche Werth diefer Quellen verdeckt. Unter
diefen Umftänden mufs man eine Publication, wie die
obenftehende, die fich ausdrücklich als eine felbftändige
Arbeit einführt, als eine erfreuliche Erfcheinung be-
grüfsen, wenn auch diefe Selbftändigkeit in Wirklichkeit
nur an einzelnen Punkten wahrnehmbar wird.

Der Verf., früher Geiftlicher der franzöfifchen pro-
teftantifchen Gemeinde zu Rom, hat in zwei Foliobänden
das Wichtigfte, was an conftructiven Formen, Bildwerken,
Infchriften und von fonftigen Gegenftänden in den Katakomben
vorhanden ift oder war, in vortrefflicher heliogra-
phifcher Reproduction zufammengeftellt. Das Werk
bildet fomit ein bequemes Compendium der römifchen
Katakombendenkmäler und hat vor den Publicationen
Perret's und Garrucci's den Vorzug zuverläfliger Wiedergabe
der Originale voraus. Befonders gut gelungen
find die nach Photographien ausgeführten Abbildungen
der Sarkophagreliefs: fie erfetzen faft die Autopfie.
Dasfelbe gilt von den Infchriften. Häufig ift, was Ref.
fehr nützlich findet, neben die unter künftlichem Lichte
hergeftellte Photographie cömeterialer Wandgemälde die
in ältern Werken vorhandene Zeichnung, welche das
Monument in befferem Zuftande der Erhaltung zeigt,
geftellt. Ueberhaupt gebührt hinfichtlich der künftleri-
fchen und archäologifchen Ausftattung dem Verf. die
gröfste Anerkennung.

Der beigefügte Text befchränkt fich im Allgemeinen
auf eine kurze Erklärung der Tafeln,' und diefes fowie
der Umftand, dafs eine fachliche Anordnung und Reihenfolge
verfchmäht ift, erfchwert den Gebrauch und verringert
in gewiffem Sinne auch den wiffenfehaftlichen
Werth des mit guter Kenntnifs der Monumente und
grofsem Aufwände von Fleifs gearbeiteten Werkes.
Dafs der Verf., wo die Denkmäler Veranlaffung dazu
geben, auch die theologifche und religiöfe Bafis der Darftellungen
aufzeigt, ift an fich gewifs dankenswerth.
Aber die Vorausfetzung folchen Thuns bildet bei ihm
die oben angedeutete ungefchichtliche Auffaffung des
Inhalts der altchriftlichen Bildwerke, und fo dient jene
Arbeit in Wirklichkeit nur dazu, die Katakombenforfch-
! ung in den Dienft der Apologetik und Polemik herab-
i zuziehen oder darin zu beteiligen. Was den fpeeififchen
Werth der cömeterialen Denkmäler ausmacht, ihre Bedeutung
als unmittelbare Zeugnifse des volksthümlichen
Lebens und Bewufstfeins und der culturgefchichtlichen
Zuftände ihrer Zeit, dafür zeigt der Verf. nur an einigen
Stellen Verftändnifs.

Die Monumente find gefchickt ausgewählt und gut
befchrieben. Das pl. LXX abgebildete, von dem Verf.
als sujet enigviatique bezeichnete Wandgemälde in S.
Priscilla hat Ref. bereits in feinen ,Archäolo g. Studien'
S. 182 f. befprochen und erklärt. In der Frage nach
dem Inhalte der fog. Blutgläfer wird mit Recht ausge-
fprochen, dafs das Vorhandenfein von Blut bisher nicht