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Ausgabe:

1882 Nr. 9

Spalte:

201-202

Autor/Hrsg.:

Kawerau, G.

Titel/Untertitel:

Caspar Güttel. Ein Lebensbild aus Luthers Freundeskreis 1882

Rezensent:

Enders, Ernst Ludwig

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201

Theologifche Literaturzeitung. 1882. Nr. 9.

202

talifchen Schriftftellern noch weiter ins Einzelne unter-
fucht. Zu dem Ende behandelt er I. die Vorgefchichte,
IL die Fortbildung, III. Thaddäus in Edeffa. In jedem
Abfchnitt Hellt er fämmtliche Texte neben einander.
In der Unterfuchung des Briefwechfels Abgar's mit
Chriflo beftätigt er durchweg das von mir gefundene
Refultat, dafs die Textgeftalt bei Eufebios die urfprüng-
liche fei. Namentlich hält auch er die Verheifsung von
der Uneinnehmbarkeit Edeffa's, welche Zahn als ur-
fprünglich vertheidigt, für einen fpäteren Zufatz und ur-
theilt über die allmählige Umbildung des Textes eben-
fo wie Ref. Auf die Epifode der D. A. von der Kreuzesauffindung
durch Protonike geht er nicht ein. Die
Entftehungszeit der Briefe fetzt der Verf. mit Gutfchmid
und dem Ref. in die Zeit des erften chriftlichen Königs,
eine Annahme, die Zahn freilich ,ganz unannehmbar'
nennt. Als charakteriftifch für die ,orientalifche' Legendenform
bezeichnet er, dafs man zu dem älteren
Briefwechfel noch neue Briefe hinzu erfindet. Es gilt
dies nicht blofs von den Briefen, welche dem Mofes von
Khorene eigenthümlich find, fondern namentlich auch von
dem in D. A. enthaltenen Briefwechfel Abgar's mit Ti-
berius, was Ref. nicht für überfiüffig hält, noch ausdrücklich
zu conftatiren. Die entgegengefetzte Annahme, dafs
diefe zweite Correfpondenz von demfelben Verfaffer herrühre
, wie der Briefwechfel Abgar's mit Chrifto, ift jedenfalls
äufserft unwahrfcheinlich. Dankbar ift Ref. dem
Verf. auch noch für den Nachweis einer von mir bei
Johannes Damascenus vergeblich gefuchten Stelle, die
freilich nicht, wie Grimm angab, in dem erften Buche de
imaginibus, fondern in den angehängten iiageug/ai na-
KauZv xal doxifuov ayicov nmtQiov zrepr eixovav fich findet
. Beiläufig fei noch bemerkt, dafs das utj vor löövreg
(m. Abgarfage S. 17 Z. 11 der Anm.) kein Druckfehler
ift, fondern fich wirklich in cod. Vind. 315 vorfindet.
Ebenfowenig ift das %qiotov für %qvoov (m. Abgarfage
S. 5 Z. 11 der Anm.) ein Druckfehler, fondern ein
Schreibfehler im Wiener Codex der acta Tliaddaei.
Jena. Lipfius.

Kawerau. Pfr. G., Caspar Güttel. Ein Lebensbild aus
Luthers Freundeskreife. [Aus: ,Zeitfchr. d. Harzvereins
für Gefchichte u. Alterthumskunde'. 14. Bd.]
Halle 1882, Hendel. (VII, 100 S. gr. 8.) M. 2. —
Der Verfaffer der im Jahre 1881 erfchienenen gediegenen
Monographie über Job.. Agricola von Eisleben
hat in vorftehend verzeichnetem Büchelchen ein Lebensbild
des Eislebener Collegen Agricola's, Cafp. Güt-
tel's, geliefert, welches als eine Ergänzung jener gröfse-
ren Arbeit angefehen werden kann. Zwar ift Güttel weder
als Reformator noch als Theologe ein Mann von fo
weitgreifender Wirkfamkeit gewefen, dafs er anderen
Koryphäen jener Zeit zur Seite geftellt werden könnte:
als Theologe ift er in feinen Schriften nur von geringer
Originalität, gänzlich abhängig von Luther, welche Abhängigkeit
mitunter fo weit geht, dafs wir ihn nach un-
ferer modernen Anfchauungsweife mehr als einmal des
Plagiats bezichtigen müfsten; als Reformator war fein
Wirkungskreis, abgefehen von einem vorübergehenden
Aufenthalt in Arnftadt und Zwickau, auf die kleine Graf-
fchaft Mansfeld befchränkt geblieben, infonderheit auf
Eisleben, wo er von 1523 bis zu feinem 1542 am 24. Mai
erfolgten Tode ,Ecclefiaftes' war, wie er fich felbft mit
Vorliebe nennt. Dennoch ift ,diefes fchlichte Lebensbild
eines treuen und ehrenhaften Zeugen der evangelifchen
Wahrheit', wie es Kaw. (S. 76J mit Recht nennt, für die
Kenntnifs der Reformationszeit nicht ohne allgemeineres
Intereffe, indem Güttel nicht, wie fo manche für die Kirchenerneuerung
bedeutende Männer, aus den Humani-
ftenkreifen herftammte und dort fich bereits eine gewiffe
Empfänglichkeit für die reformatorifchen Ideen hätte erwerben
können; auch kam er nicht auf die Weife zu

| evangelifcher Ueberzeugung, dafs er, etwa als Jüngling
I in Wittenberg gebildet, die dort verkündete Wahrheit
mit jugendlicher Begeiflerung fich aneignete: 1471 geboren
, war er ja 12 Jahre älter als Luther. Vielmehr ift
auch er, wie Luther felbft, eifrig im Klofter gewefen, hat
in dem Wahn vom Verdienft des Mönchthums und der
guten Werke, hauptfächlich der Wallfahrten gefleckt,
hat aber auch, wie diefer, vergeblich gefucht im Mönchthum
fromm zu werden; um fo gewaltiger wurde er,
eine ,der aufrichtigen Seelen, denen es der Herr nach
feiner Verheifsung auch gelingen läfst' (S. 11), von der
aus Wittenberg ausgehenden neuen Erkenntnifs ergriffen
und einer der erften Theologen, welcher fich entfchieden
zu Luther's Lehre bekannte. — Seine Hauptbegabung,
die fchon während feiner papiftifchen Zeit ihm einen
nicht gewöhnlichen Ruf verfchaffte, lag auf dem Gebiete
der Predigt, und ift er in diefer Beziehung fchon von
G. L. Schmidt in der Ztfchr. f. prakt. Theol. 1880, H. 2
gewürdigt worden. In feiner Predigtweife zeichnet er
fich befonders dadurch aus, dafs er klare und überficht-
liche Dispofitionen zu Grunde legt, ,während im Allgemeinen
die Predigten der Reformationszeit auf Strenge
und Gefchloffenheit der Form aufserordentlich wenig
Gewicht legen' (vgl. S. 57. 62), und in diefer Hinficht ift
Güttel für die Gefchichte der Predigt nicht ohne Wichtigkeit
. — Bei den mannigfachen Kämpfen jener Zeit
finden wir ihn nur in diejenigen verwickelt, welche fpe-
ciell Eisleben betrafen: in den Streit mit dem papiftifchen
Prediger Eislebens, dem bekannten Wicel, in welchem
er Agricola zur Seite ftand, und in den anti-
nomiftifchen Streit, in welchem er gegen Agricola auf
Luther's Seite ftand. In feiner Polemik fcheint er, nach
Kaw., fich nicht ganz von Uebertreibungen fern gehalten
zu haben, was jedoch mehr der Fehler des ganzen Zeitalters
, als eines Einzelnen war. —- Fügen wir noch hinzu
, dafs er fich feiner Gemeinde in fchweren Zeiten, befonders
während der 1529 und 1539 ausgebrochenen
Epidemien, als treuer Seelforger erwies, fo glauben wir
die hauptfächlichften Züge des von dem Verfaffer klar
gezeichneten Lebensbildes hervorgehoben zu haben.

Die frühere Literatur über Güttel ift von dem Verf.,
foweit wir fchen, vollftändig benutzt, auch einiges hand-
fchriftliche Material ftand ihm zu Gebote. Mancherlei
falfche Angaben, die Einer dem Andern nachfchrieb,
finden fich berichtigt, fo gleich hinfichtlich des Geburtsortes
Güttel's: nicht München, fondern das Städtchen
Reetz (Rötz) in der Oberpfalz u. f. w. Dankenswerthe
Zugaben find die zwei Anhänge: I. Bibliographifches
Verzeichnifs der Schriften, und IL Aus Güttel's Briefwechfel
, 32 Nummern, theils in extenso, theils als Regelten
. Auch der Excurs S. 16 über den Annencultus
am Ausgange des Mittelalters ift ein intereffanter Beitrag
zur kirchlichen Cultus-, wir können auch fagen: zur
kirchlichen Culturgefchichte.

Oberrad. L. Enders.

Rothe's, Dr. Rieh., Geschichte der Predigt von den Anfängen
bis auf Schleiermacher, aus Rothe's handschriftlichem
Nachlafs hrsg. mit Anmerkungen und
Anhang von Superint. Aug. Trümpelmann. Bremen
1881, Heinfius. (VIII, 507 S. gr. 8.) M. 9. —

Vorliegende Schrift ift eine der werthvollften Gaben
aus dem reichen Nachlafs des vielleicht nach Schleiermacher
produetivften und vielfeitigften evangel. Theologen
diefes Jahrhunderts. Das Defiderium einer zusammenhängenden
, höheren wiffenfehaftlichen Anforderungen
entsprechenden, principiell bearbeiteten, und den
ganzen Zeitraum von ihren erften Anfängen bis zur Gegenwart
, fowie den ganzen Umfang der Kirche nach den
verfchiedenen Ländern und Confeffionen umfpannenden
Gefchichte der Predigt ift bis zu einem gewiffen Grade