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Ausgabe:

1882 Nr. 9

Spalte:

199-201

Autor/Hrsg.:

Matthes, K. C. A.

Titel/Untertitel:

Die edessenische Abgarsage, auf ihre Fortbildung untersucht 1882

Rezensent:

Lipsius, Richard Adelbert

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Theologifche Literaturzeitung. 1882. Nr. 9.

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supplementa quoque quae fortasse ab eadem manu instau-
rante profecta sunt, tum modo aetati Bessarionis cardinalis
quidam tribuunt, sed ex codice eiusdem exscripta dicunt.
Warum auf einmal dies fortasse? und hätte diefe Notiz
über Beffarion nicht auch in Band VI gehört? Die Tafeln
der Londoner paläographifchen Gefellfchaft find mir
leider unzugänglich, aber das kann ich (meines Wiffens
gefchieht es von mir zuerft) hier anmerken, dafs die Ge-
nefis jedenfalls aus cod. Holm. 19= 67«/./?. VI, 38 (Ksaec?)
copirt wurde, alfo aus der Hdf., welche Lagarde feiner
neuen Septuagintaausgabe mit zu Grunde legt. S. 23
wird auch meiner Collationen von B und S gedacht und
bemerkt, üe feien bequem für den Nachweis, dafs B
und S nicht eiusdem originis, aetatis et patriae fein können,
nachdem im App. im Sinaiticus event. die fessa nutans-
que manus des einftweilen älter gewordenen Schreibers
erkannt worden war; wären fie lieber benutzt worden,
um zu fehen, an welchen Stellen nochmalige Collation
der Hdf. nöthig ift. Neu ift der Auffchlufs, dafs der
Setzer non ex apographo, sed ex ipsis membranis disiectis
et crystallo inclusis formas typorum componebat. Zum
Schlufs wird das Schreiben des Papftes Bio vom 25. Juli
68 (aus dem erften Band) und eines von Leo unterm
17. Sept. 81 an die Herausgeber, eines von Jacobini an
Melandri, den Director der Propagandadruckerei, vom
30. Okt. 81, und S. 25 ein Catullianifch.es Phaleucion von
Vercellone — X Kai. Maii 1866 — abgedruckt, auch
mitgetheilt, wer durch Verleihung der grofsen goldenen
oder filbernen päpftlichen Medaille ausgezeichnet wurde.

Münfingen, 22. Febr. E. Neftle.

Matthes, Dr. K. C. A., Die edessenische Abgarsage, auf
ihre Fortbildung untersucht. Leipzig 1882, Hinrichs.
(77 S. gr. 8.) M. 1. 50.
Nach der eifrigen Beftreitung, welche die Schrift des
Unterzeichneten über die edeffenifche Abgarfage durch
Zahn erfahren hat, wird man von einem neuen Bearbeiter
desfelben Gegenftandes erwarten, dafs er vor
allem die gegen die gefundenen Refultate erhobenen
Einwendungen prüfe. Wie es fcheint, hat der Verfaffer
jedoch von der Zahn'fchen Schrift gar keine Kunde erhalten
. Ift dies nach der einen Seite hin ein Mangel
feiner Unterfuchung, fo hat es ihm nach der andern
Seite hin den Vortheil gebracht, unvoreingenommen
durch blendende Scheinargumente eine völlig felbftän-
dige Revifion meiner Unterfuchungen unternehmen zu
können. Das Ergebnifs feiner Forichung ift diefes ge-
wefen, dafs der Verf. die von mir ftatuirte Priorität der
von Eufebios überlieferten Sagengeftalt vor der Doctrina
Addaei nicht nur vollkommen beftätigt findet, fondern
auch durch neue Argumente weiter begründet. Eufebios
[H. E. I, 13) erwähnt bekanntlich nichts von dem Bilde
Chrifti, welches Ananias gemalt und dem König Abgar
überbracht haben foll, obwohl er den Briefwechfel Ab-
gar's mit Chrifto fammt der demfelben angehängten Erzählung
xaxet U£iv nach dem fyrifchen Original wiedergegeben
zu haben verfichert. Während nun Zahn behauptet
, Eufebios habe aus unferer Doctrina Addaei nur
Einzelnes excerpirt, fpeciell aber die Notiz über das
Chriftusbild tendenziös geftrichen, hatte ich darauf hin-
gewiefen, dafs letztere in der Erzählung der D. A. ebenfo
wie bei Mofes von Khorene ganz abgeriffen daftehe, und
wahrfcheinlich erft nachträglich mit der Abgarfage com-
binirt worden fei. Hiermit ftimmt nun Matthes vollftän-
dig überein. Er zeigt fehr treffend, dafs die Legende
von dem Briefwechfel urfprünglich gar nichts mit dem
Bilde zu thun habe. Während der Brief Abgar's durch
die Krankheit des Königs motivirt fei, werde die Ueber-
fendung des Bildes vielmehr durch die Sehnfucht Abgar
's nach Chriftus motivirt. Hiermit ftimme die bemer-
kenswerthe Thatfache überein, dafs die gefammte fpätere
fyrifche Literatur bis auf Barhebräus, welcher die Sagengeftalt
der D. A. wiederhole, nichts von dem Abgar-
bilde wiffe; vielmehr fei es lediglich die griechifche Sagengeftalt
, welche von Euagrius und den acta Thaddaei
bei Tifchendorf an das Bild in den Mittelpunkt ftelle.
Auf Grund diefes feines Ergebnifses beftreitet er fogar
das Recht, die jüngere Legende von der etxwv ffedreux-
Tog oder cr/eiporioiiyog als jüngere edeffenifche Sagengeftalt
zu bezeichnen. Es wird von dem Ergebnifse
weiterer Durchforfchung der fyrifchen Literatur abhängen,
ob fich das ausgefprochene Urtheil beftätigt, dafs wirklich
kein fyrifcher Schriftfteller aufser der D. A. und
, Barhebräus des ,Abgarbildes' gedenkt. Bemerkenswerth
bleibt es jedenfalls, dafs in keiner der zahlreichen Stellen
bei Ephrem, Jofua Stylites, Mar Jakob, Dionyfius
von Telmahar u. Ä., in denen der Abgarfage gedacht
wird, des Abgarbildes Erwähnung gefchieht. Anderer-
feits fleht es durch die Angaben in der Geographie des
Mofes von Khorene (Memoires historiques et geographiques
sur FArmenie par M. J. Saint Martin, Dans 1818, T. IL
p. 369), ferner bei Euagrius und vielen Späteren feft, dafs
das bis 944 in Edeffa aufbewahrte Chriftusbild jedenfalls
vom 5. Jahrhundert ab, wo nicht fchon früher, als ein
heiliges, nicht von Menfchenhänden gemachtes Bild bei
denEdeffenern in hoher Verehrung ftand. Selbft wenn alfo
die fpätere Weiterbildung der Legende von dem Abgar-
bilde lediglich auf griechifchem Boden zu fuchen wäre,
fo würde darum doch die Nothwendigkeit beftehen bleiben
, den Glauben an den wunderbaren Urfprung des
Bildes auf die jüngere edeffenifche Localtradition zurückzuführen
. Und auch darüber wird, zumal nach dem Vorgange
der D. A., fchwerlich ein Zweifel beftehen können,
dafs die fpätere edeffenifche Legende jenes wunderbare
Bild wirklich mit Abgar in Verbindung gefetzt hat (vgl.
i dafür aufser den fpäteren byzantinifchen Schriftftel-
j lern auch die Jahrbb. f. prot. Theol. 1882, S. 191 mit-
getheilte Stelle aus Elmakim's historia Saracenica). Ich
habe nun aber fchon früher gezeigt, dafs die fyrifche
Sage vom Bilde Chrifti keineswegs ausfchliefslich an
der Perfon Abgar's des Schwarzen haftet. Beweis dafür ilt
einerfeits die Gefchichte von dem Tuche der Hypatia
(Land, aneedota syriaca III, 324), andererfeits die doch
wohl auf eine fyrifche Quelle zurückweifende Notiz des
Makarius Magnes (1,6/. 1, ed. Blondel), das blutflüffige
Weib von Paneas fei die Fürftin Berenike von Edeffa
gewefen. Leider hat Matthes unterlaffen, auf die Ur-
fprünge der Veronikafage näher einzugehen. Doch bin
ich ihm zu Dank verpflichtet für die Notiz aus der
,Geographie du vartabied Vartan1 (bei Saint Martin a. a.O.
T. II, p. 131): ,Edesse est Ourrha on l'on apporte Fimage
de J.-C. qui n'a pas ete fait par une main humaine et qui
est la Sainte Veronique'. Allerdings ift diefe Geographie
erft gegen Ende des 13. Jahrh. verfafst, kann alfo für
die ältere Sagengeftalt nichts beweifen. Man kann vorläufig
die Möglichkeit nicht abweifen, dafs der Name
Berenike dem Weibe von Paneas fchon beigelegt war,
bevor man fie zu einer Fürftin von Edeffa gemacht hat.
Es bleibt aber auch umgekehrt möglich, dafs die fyrifche
Legende von einer Purftin Berenike von Edeffa
als Empfängerin des Chriftusbildes wufste, und dafs die-
felbe erft fpäter mit dem blutflüffigen Weibe von Paneas
identificirt worden ift. In diefem Falle wäre die Veronikafage
nicht nur wirklich edeffenifchen Urfprungs, fondern
auch mindeftens ebenfo alt wie die Combination
des edeffenifchen Bildes mit der Abgarfage. Das neue von
Gildemeifter mitgetheilte Datum (B/icodosius de situ terrae
sanetae p. 16) für die Sage von Paneas bringt leider
keine neuen Auffchlüffe. Hinter dem der Frau hier beigelegten
Namen Marosa {Mariosa, Alariossä) liegt wahrfcheinlich
das griechifche Wort rnuoppoorn« verborgen.

Während Ref. fein Hauptaugenmerk auf die Er-
forfchung der Urfprünge der edeffenifchen Abgarfage
richtete, hat der Verf. umgekehrt namentlich die fpätere
Fortbildung derfelben bei den griechifchen und orien-