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Ausgabe:

1881 Nr. 7

Spalte:

162

Autor/Hrsg.:

Körner, Ferdinand

Titel/Untertitel:

Tezel, der Ablassprediger 1881

Rezensent:

Kolde, Theodor

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Theologifche Literaturzeitung i88i. Nr. 7.

162

cats Hadrian's zu nennen, der diefem Manne die ver- !
diente Anerkennung und Würdigung vertagt hätte; man j
vergl. die Zeugenreihe, welche Fr. Nippold im Hiftor.
Tafchenb. V. 5. 1875 S. 187 fg. zufammengcftellt hat,
die fich dazu mit leichter Mühe noch vermehren liefse.

— Uebrigens verdanken wir dem Verfaffer eine inter-
effante Notiz für die Sammlung der Werke Luther's.
Noch Köftlin giebt an (I 628 und Anm. S. 803), dafs
Luther's Edition der päpftlichen Inftruction für den Nürnberger
Legaten Chieregati (mit Randgloffen) unter feinen
Werken nicht erhalten geblieben fei; man wufste von
ihr nur aus den kurzen Notizen, welche Sleidan (lib. IV)
darüber mitgetheilt hat. Höfler hat dagegen ein Exemplar
diefer Schrift im Wiener Staatsarchiv gefunden und
giebt auf S. 271 reichlichere Mittheilungen aus den Glof-
fen Luther's. Leider finden fich jedoch unter feinen Auszügen
gerade die von Sleidan angeführten Ausfprüche
Luther's nicht, er äufsert fich aber auch nicht darüber,
ob fie vorhanden feien oder nicht, fo dafs die Identität
noch näherer Unterfuchung bedarf, wenn fie auch kaum
zu bezweifeln ift. — Alle Partieen der Höflcr'fchen Arbeit
, in welchen feine mäfslofe Abneigung gegen die Reformation
von Einflufs ift, müffen daher mit Vorficht
aufgenommen und richtig abgewogen werden. Wir wollen
nur an einem Beifpiele zeigen, wie ftark der Verf.
durch feine Parteinahme in der Vertheilung von Licht
und Schatten beftimmt wird. Der ehemalige Humanift
Joh. Fabri, der fich 1522 dem neuen Papfte zur Verfügung
Hellte, erfcheint bei ihm als eine wahre Lichtgeftalt.
Er rechnet ihn ,zu den ausgezeichnetften Männern jener
Tage, die der allgemeinen Frivolität den fittlichen Ernft
entgegenfetzten und dadurch die Träger und Ordner
einer befferen Zeit wurden'; er fchilt es als grundlofe
Verdächtigung, dafs man Fabri's Umfatteln aus der Erwartung
äufserer Vortheile herleitet; er rühmt feinen
Hadrian gewidmeten ,Malleusi als ein bedeutendes Werk,
das die wunden Flecke getroffen habe (S. 361—363). Aber
er verfchweigt, dafs Fafori dem Papfte den unmifsverftänd-
lichen Rath giebt: ,/// apertius dicani, si tu literatorum
Mecenatem . . egeris . . , habiturus es Marones, Hiero-
7iymos atque Bernardos, quorum studiis . . fidei negotia . .
pacabis'. Er übergeht es, wie in diefem Schreiben aus
dem Verfechter des päpftlichen Anfehens noch fo deutlich
der ethnifirende Humanift hervorguckt, der z. B.
Leo's mifslungene Bemühungen zur Unterdrückung der
Luther'fchen Härefie herleitet ,causante Athe infemali dea
illa Homerica'. Er hat kein Wort der Entrüftung für die
unwahren Phrafen Fabri's, der z.B. die lüderlichen Car-
dinäle, welche Hadrian gewählt, als einen senatus integri-
tate vitae non minus quam cruditione conspiatus rühmt; kein
Wort für die Blasphemie in Fabri's pathetifcher Anrede
an den Hadrian-Chriftus: Imiedic panes ac tui Apostoh
distribuant et edent paupercs et saturabunt?/r' E,r unter-
läfst es, auf die politifch'en Erwägungen Fabri's auf-
merkfam zu machen, die doch wohl aus dem Satze:
,Carolus tibi adefit . . capropter viriliter agc, confortarc'
nicht unfehwer zu erkennen find. Was aber den Sittlichen
flrnft' betrifft, fo weifen wir nur auf das faubere
Capitel hin, welches die Schutzrede Fabri's für den Cö-
libat der Priefter enthält, in welchem er die kirchliche
Satzung u. Ä. mit dem Witzworte des Bias ,si pul-
chram duecs, habebis conmuinem, sin turpem, habebis poe-
nam' ftützt [Ausgabe Lipsiae 1523 Bl. Q 7b], iiberhaupt
den Cölibat mit der fchnödeften Verunglimpfung des
ehelichen Lebens vertheidigt. — Auffallend ift auch, dafs
Hofier das berühmte Breve Hadrian's an Friedrich d. W.

— der übrigens nach des Verf.'s Meinung Friedrich der
Thor zu heifsen verdient — aufserordentlich kurz erledigt
, und nur einen ganz dürftigen Auszug daraus mittheilt
(S. 277). Ueber die Streitfrage, ob es echt fei oder
nicht, läfst er uns ziemlich im Unklaren. Im Texte
fcheint er es als echt gelten zu laffen, in der Anmerkung
erinnert er daran, dafs Janffen die Echtheit beftreite,

aber ohne nun die Gründe dafür oder dawider abzuwägen
. — Die Schrift Hochftratens an Hadrian (Köln 1522,
vgl. Cremans, de J. Hockstrati vita, Bonn 1869 S. 81) ift
unberückfichtigt geblieben. — Seine Bemerkungen über
Staupitz S. 311 finden durch die Schrift Kolde's über die
deutfehe Auguftiner-Congregation, die er nicht mehr
benutzt hat, mehrfache Berichtigung.

Druckfehler ftofsen nicht ganz feiten auf; das Re-
gifter ift nicht überall zuverläffig.

Klemzig. Kawerau.
Körner, Kirchenr. Superint. Oberpfr. Dr. Ferd., Tezel,
der Ablassprediger. Sein Leben und fein Wirken für
den Ablafs feiner Zeit, mit befonderer Rückficht
auf katholifche Anfchauungen neu unterfucht und
möglichft nach den Quellen, mehrfach nach bisher
noch ungedruckten, dargeftcllt. Frankenberg i. S.
1880, Rofsberg. (VIII, 153 S. gr. 8.) M. 3. 60.

Der Verf. hat es für feine ,Pflicht' gehalten, eine
neue Biographie Tetzel's zu fchreiben, um der durch die
letzte ultramontane Arbeit über Tetzel (Val. Grone,
Tetzel und Luther. Soeft 1853. II, Aufl. 1860) beleidigten
gefchichtlichen Wahrheit Genugthuung zu verfchaf-
fen', wozu fich auch fchon Kayfer (die Gefchichtsquellen
über den Ablafsprcdiger Tetzel kritifch beleuchtet, Annaberg
1877) veranlafst gefühlt hat. Ref. vermag die Noth-
wendigkeit einer Biographie des Ablafskrämers nicht einzuteilen
, zumal einer folchen wie die vorliegende, die
nur Material zufammenftellt, ohne es zu verarbeiten, ar-
chivalifche Documente, Matthefius und Mykonius (deffen
Glaubwürdigkeit einmal einer Unterfuchung werth wäre)
als gleichwerthige Quellen behandelt, Seckendorf und
Sleidan in deutfeher Ueberfetzung benutzt u. f. w. Zu
bedauern ift, dafs der Verf. den wahrhaft rührenden Fleifs,
welchen er, wie er felbft fagt, jahrelang feinem Werke
zugewendet, mit dem er Archive und Bibliotheken durch-
ftöbert, nicht einem würdigeren und fruchtbareren Stoffe
hat zu Thcil werden laffen. Denn das Refultat feiner
Mühe ift ein fchr geringes. Im Ganzen wird mit dem
bekannten Material operirt; die neu mitgetheilten Schrift -
ftücke enthalten nichts, was neues Licht über das Treiben
Tetzel's verbreitete (einen Originalbrief Tetzel's,
worin derfelbe felbft das Ablafscercmoniell befchreibt,
wird Ref. demnächft veröffentlichen) oder die Luther-
forfchung förderte; ob Tetzel in der zweiten Hälfte des
Jahres 1511 oder erft 1512 beinahe ertränkt worden wäre,
eine Frage, auf deren Beantwortung der Verf., ohne zu
einem Refultat zu kommen, mehrere Seiten verwendet,
kann uns füglich gleichgültig fein. Dankenswerth ift dagegen
, dafs der Verf. darauf aufmerkfam macht, dafs
Albrecht von Mainz fich um die päpftliche Licenz zum
Ablafs verkaufe beim päpftlichen Stuhle dringend beworben
, fie alfo nicht blofs, wie Köftlin I, 155 fich
ausdrückt, ,über.nommen' habe. (Ganz falfchMay, Albrecht
II. von Mainz, 1,65.) Indeffen irrt fich der Verf.,
wenn er die von ihm mitgetheilten, dem Magdeburger
Staatsarchiv entnommenen Actenftücke als unbekannt
vorausfetzt. Sie finden fich in Erhard's Ueberlieferungen
zur vaterländifchen Gefchichte Heft III, p. 12 und find
fchon von Ranke benutzt worden, ohne dafs diefer doch
das Sachverhältnifs klar gcftellt hatte.

Marburg.__Th. Kolde.

Müller, Dr. H. F., Gotthold Ephraim Lessing und seine
Stellung zum Christenthum. Ein Gedenkblatt zu feinem
100jährigen Todestage (15. Febr. 1881). [Zeitfragen
des chriftl. Volkslebens, 36. Heft] Heilbronn 1881,
Henninger. (80 S. gr. 8.) M. 1. 40.

Auch die ,Zeitfragen des chriftlichcn Volkslebens'
haben ,ein Gedenkblatt zum hundertjährigen Todestage'
Leffing's ausgehen laffen. Es ift felbftredend, dafs man