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Ausgabe:

1881

Spalte:

155-156

Autor/Hrsg.:

Schnedermann, Geo.

Titel/Untertitel:

De fidei notione ethica Paulina 1881

Rezensent:

Wendt, Hans Hinrich

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Grenze zufammenftellen, fo fällt das ganze Gebäude hin.
Uebrigens beruht wohl die Heilighaltung des jetzt traditionellen
Sinai (Dfchebel Mufa), nicht aber des benachbarten
Serbai erft auf der Mönchstradition, und die alte
Annahme, dafs auf der Sinaihalbinfel der Berg derGefetz-
gebung zu fuchen fei, wird nicht erfchüttert durch die
vorliegende kühne Conftruction, welche zahlreiche Einzelheiten
des Exodos-Berichtes räthfelhaft macht.

Dafs unter vielem Unhaltbarem einzelne richtige Bemerkungen
fich in diefem Buche finden, foll nicht in Abrede
geneilt werden. Den Verf., deffen unverkennbarer
Scharffinn, ohne fichere Orientirung in literär-kritifchen, |
hiftorifchen und fprachlichen Dingen, nach Dilettanten- I
art einem einzigen Einfall nachlaufend und darüber alles
Andere am Wege überfehend, in eine Sackgaffe gerathen
ift und fich dort eigenfinnig mit allen Mitteln gegen
wohlwollende Führer verfchanzt hat, wird man ohne Be-
forgnifs in der ihm offenbar behaglich gewordenen Beengung
fitzen laffen dürfen.

Strafsburg i. E. Wolf Baudiffin.

Schnedermann, Die. Dr. Geo., De fidei notione ethica

Paulina. Lipsiac 1880, Hinrichs. (59 S. 8.) M. 1. 20.

Dem Bedenken, dafs der von ihm vorzunehmende
Gegenftand fchon fo vielfach behandelt fei, begegnet
der Verf. in feinem Vorworte mit der Frage: ,atqne quid
obstat, quominus nota etiam diuque dicta rursus dicantur,
ne forte obliviscantur?' und er fchliefst feine Abhandlung
mit den Worten: ,non enim novas res mihi videor in
medium proiulisse'. In der That kann feine Unterfuchung
wohl nicht wegen der Neuheit der Refultate, zu denen
fie führt, fondern nur wegen der umfichtigen Sorgfalt,
mit welcher die Begründung diefer Refultate erftrebt
ift, Anfpruch auf Werth erheben. Das Intereffe des
Verf.'s richtet fich darauf, dasgenus proximum für die Definition
des Glaubensbegriffes feftzuftellen, da er meint,
dafs man auf evangelifchem Boden häufig unberechtigte
Scheu trage, deutlich hervorzuheben, dafs der Glaube
zu den actiones hominis sßirituales gehöre. Um diefe Scheu
zu befeitigen unterfucht er den paulinifchen Glaubensbegriff
, und zwar fo, dafs er die Verwendung desfelben
nach den verfchiedenen Briefgruppen gefondert befpricht.
Er gelangt fchon bei der Erörterung über die Theffa-
lonicherbriefe zu dem Ergebnifs, dafs Paulus unter dem
Glauben verftehe ,actionem quandam hominis ab uno
temporis momento ineipientem et per totam vitam pergentem,
qua Dei gratiam in Jesu Christo oblatam assurnat et in
Deutn soluni se totum dirigat, non ex suis igsins viribus,
sed Spiritus Sancti' (S. 12). Den gleichen Glaubensbegriff
findet er dann in den übrigen paulinifchen Briefgruppen
wieder, in den" vier Hauptbriefen, den Gefangenfchafts-
briefen und auch in den Paftoralbriefen. Befonders eingehend
find die vier grofsen Briefe behandelt, indem
hier zugleich die Bedeutung der Begriffe: Gefetz, Ge-
fetzeswerk und Gerechtigkeit bei Paulus ausführlich erörtert
wird. Gegen den Hauptgedanken des Verf.'s, dafs
auch Paulus den Glauben als eine actio spiritualis des
Menfchen verftehe, wird fchwerlich etwas eingewendet
werden können; fofern der Glaube von dem Menfchen
gefordert wird, mufs er fich felbftverftändlich auch als
Willensleiftung des Menfchen begreifen laffen. Allen
unrichtigen Vorftellungen aber, die fich an jene Definition
anfchliefsen könnten, beugt der Verf. vor, indem er zeigt,
dafs einerfeits jeder Gedanke an eine Verdienftlichkeit,
welche der Glaube als actio in fich felbft befäfse und
durch welche er zu einem die Abfolutheit der göttlichen
Gnade aufhebenden ,Gefetzeswerke' würde, ausgcfchloffcn
ift, und dafs anderfeits auch der Glaube felbft wiederum
von Paulus als eine Gnadenwirkung Gottes beurtheilt
wird.

Wenig glücklich erfcheint es mir, dafs der Verf.,
ftatt fich mit der Löfung der Aufgabe, wie er fie fich

felbft im Vorworte gefleht hatte, nämlich die Verwendung
des Glaubensbegriffes in den paulinifchen Briefen
zu unterfuchen, zu begnügen, in zwei weiteren Abfchnitten
zuerft auf die paulinifchen Reden in der Apoftelgefchichte
und dann auf den Hebräer- und Jacobusbrief Bezug genommen
hat. Die Berückfichtigung jener Reden motivirt
er blofs mit folgenden Worten: ,orationes a Paulo habitas
ita eum (sc. Luc am) tradidisse verisimile est, ut opus sit
eas inspicere' (S. 51), ohne irgend etwas Weiteres über das
Mafs der wörtlichen Genauigkeit, in der er fich diefe
Reden überliefert denkt, zu bemerken. Er findet, dafs
in diefen Reden derfelbe Begriff des Glaubens vorliege,
wie in den paulinifchen Briefen. Allein abgefehen von
der Stelle Act. 13, 39, welche offenbar paulinifches Gepräge
trägt, ift hier doch der Begriff des Glaubens lediglich
in fo kurzen und allgemein gehaltenen Wendungen
gebraucht, dafs fich eine Uebereinftimmung mit dem Gebrauche
in den paulinifchen Briefen zwar in einigen allgemeinen
, nicht aber in den befonderen Beziehungen,
welche fpeciell für Paulus charakteriftifch find, nachweifen
läfst. Und nur auf diefen letzteren Nachweis, bezw.
auf die beftimmte Hervorhebung der Unmöglichkeit desfelben
, wäre es angekommen. Als ein bezeichnendes Bei-
fpiel für die gar zu findige Art, wie der Verf. hier feinen
Stoff zu verwerthen fucht, möge es gelten, dafs er (S.
52 f.) aus der auf die Frage des philippifchen Kerker-
meifters: eilte dei reo teiv 'Iva oioilio} gegebenen Antwort:
nioeevaov etc. fchliefst: ,niörev6ai esse noieiv quoddam
sive actionem hominis', und dafs er auf diefelbe Stelle
Act. 16, 31 in Verbindung mit 17, 7 verweift, um zu
zeigen ,Pallium Mo tempore de persona Jesu omni vi
praedieavisse, non de inani vel generali aliqua philosophica
fidei notione', wobei er fich dann noch auf S. 6 f., wo er zu
einer gleichen Beobachtung durch die Theffalonicherbriefc
veranlafst war, zurückbezieht, — wohl mit Rückficht auf
folche zweifelnde Gemüther, welche durch die blofs an
Act. 16, 31 und 17, 7 gemachte Beobachtung zu fehr frap-
pirt fein follten !

Was der Verfaffer im letzten Abfchnitte mit dem
Vergleiche des Glaubensbegriffes des Hebräer- und Ja-
cobusbriefes mit demjenigen des Paulus bezweckt hat,
ift mir unklar geblieben. Es ift ja gewifs ebenfo interef-
fant wie inftruetiv, die paulinifche Verwendung diefes
Begriffes mit der Verwendung desfelben in aufserpauli-
nifchen Schriftftücken zu vergleichen. Aber weshalb nun
gerade die genannten beiden Briefe in Vergleich gezogen
find, wird auch durch kein Wörtchen motivirt. Allein
möge das Recht diefer, ja allerdings naheliegenden, Auswahl
und möge ebenfo die Richtigkeit der Gedanken,
welche fich der Verf. über den Glaubensbegriff in jenen
beiden Briefen gebildet hat, ganz dahingeftellt fein: das
durfte fich der Verf. doch fagen, dafs er durch folche
kurze Bemerkungen, wie er fie ohne eingehendere exe-
getifche Begründung auf dem Räume von 3 Seiten giebt,
die Löfung der hier in Betracht kommenden Schwierigkeiten
kaum würde fördern können. Wer nicht fchon im
Voraus die Auffaffung des Verf.'s über Hebr. II u. Jac.
2 theilt, wird durch feine hier gegebenen-Andeutungen
und Behauptungen fich fchwerlich bekehren laffen. Alfo
wozu diefer Anhang?

Göttingen. H. Wcndt.

Zietlow, Gerhard, Untersuchung über den Begriff
aiwviog in den Schriften des Johannes. Gymn.-Programm
. Treptow a. R. 1880, Druck von F. Lehfeldt
(22 S. 4.)

Die vorliegende wiffenfehaftliche Abhandlung ift
fleifsig gearbeitet, fchreitet in der Unterfuchung metho-
difch fort, zeigt eine forgfältige Befchäftigung mit der
bezüglichen Literatur und neben einzelnen auffälligen
Mifsgriffen, wie die Erklärung von 6, 63 (S. 9), 5, 24. 25