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Ausgabe:

1881 Nr. 5

Spalte:

99-102

Titel/Untertitel:

Der ungefälschte Luther, nach den Urdrucken der kgl. öffentlichen Bibliothek in Stuttgart hergestellt von Karl Haas. 1 - 5. Bdchn 1881

Rezensent:

Lemme, Ludwig

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Theologifche Literaturzeitung. 1881. Nr. 5.

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C. 46—51 urfprünglich geftanden haben. Nach Sch. haben
die LXX uns die richtige Ordnung aufbewahrt. Allein
es ift, wie zuletzt Nägelsbach mit Recht bemerkt hat,
undenkbar, dafs die Weiffagungen gegen die fremden
Völker vor 25, 15 ff. geftanden haben, fie haben nach
C. 25 ihren Platz gehabt. Mit diefer zum Theil fchon
von Movers und Hitzig ausgefprochenen Anficht fich
auseinanderzufetzen, hält der Verfaffer nicht für nöthig,

denken an diefen Gottesmann'. Es handelt fich darum,
,den echten Luther nicht untergehen zu laffen', und
diefes Verdienft erwirbt fich Herr Dr. Karl Haas! Die
polemifche Form des Titels hat nämlich ihren Grund in
der Meinung des Herausgebers, ,dafs Luthers Werke
theils finnlos, theils muthwillig und boshaft gefälfcht
worden find'. Sämmtlichen Lutherausgaben von der
erften Wittenberger (über die ,Luther mit Recht unge-

er weift fie kurz ab; p. XXIV der Einleitung wird auf! halten' gewefen fein foll!) bis zur Erlangen-Frankfurter

die Erklärung verwiefen, aber man fucht dort vergeblich, fchreibt er den gemeinfamen Fehler zu, ,dafs fie Wahres

An Einzelnheiten wäre viel zu bemerken. Ich be- und Falfches nicht unterfcheiden konnten (an manchen

fchränke mich auf einiges. Die Worte 31, 22 naps Stellen wohl auch nicht mochten)'. In den Sammel-

■132. aaion follen eine Umfchreibung und Erklärung von
Jef. 7, 14 fein: ,das bekannte, aber nicht genannte Weib
wird Ihn (den Mehlas) umgeben' (=,fchwanger fein') !!
irrD paa 48, 45 foll nach Gen. 49, 10 (o-hn paa) .Nachkommen
Sihon's' bedeuten! Für pan zu lefen mau geblattet
fich der Verf. nicht, da er ftets die fchwierigere
Lesart für die urfprüngliche hält. Aber für die Ent-
ftehung folcher Varianten mufs man auch den Zufall
mit in Rechnung nehmen. Karkemifch hält Sch. noch
für identifch mit Circesium; vgl. darüber Th. Noel-
deke, Karkemifch, Circefium und andere Euphratüber-
gänge in Nachrichten von der Königl. Gefellfchaft der
Wiffenfchaften zu Göttingen 1876, 1. Auf p. 489 findet

werken fieht Herr Haas alfo den gefälfchten, in den
,Urdrucken', alfo den Originalausgaben der Einzel-
fchriften, aus deren Zufammenftellung eben jene Sammelwerke
hervorgegangen find, den ungefälfehten Luther.
.Bereits im hebten Jahre', fagt er, .befchäftige ich mich
mit diefen Urdrucken, und wie mich der in den Sammelwerken
gefälfehte Luther von ihm ab-, fo mufste der
ungefälfehte mich zu ihm zurückführen'. So grofs alfo
ift der Unterfchied! Nun weifs Herr Haas, dafs aufser
ihm felber ,der kürzlich in Baden verftorbene Pfarrer
Eberle fich viel mit Luther's Schriften befchäftigt' hat,
,aber die Urdrucke fcheint er ignorirt oder nicht gekannt
zu haben'! Diefe Urdrucke aber hat nun Herr

fich: ,Der Name Mizraim leitet fich ab von ,mal , Land, Haas auf der ,kgl. öffentlichen Bibliothek in Stuttgart'
Ort, und >Zor', dem alten Namen von Zoan ,Tanis, (als ob nicht jede gröfsere öffentliche Bibliothek eine
Raamses'. Schon in feiner .Abhandlung' Die Aegypto- Sammlung von Autographa Lutheri befäfse, und als ob

logie und die Bücher Mofis p. 108 ff. not. hat Scholz
fo gelehrt. Die Bildungsfylben mi, ma, nm können
auch den Ort der Handlung bezeichnen, z. B. arab.
maslach Schlachtplatz, aber nie können fie ,Land' bedeuten
. Diefe Erklärung ift alfo falfch. Zu C. 50 und 51
hat Sch. weder Kuenen, Onderzoek II, p. 226 ff., noch
die Abhandlung Budde's (Jahrbb. für deutfehe Theol. 23
(1878), p. 428 ff. p. 529 ff. gekannt. Die Weiffagung
gegen Babel (50, I—51, 58) ift nicht blofs interpolirt,
wie auch ich früher annahm (de notione foederis jerem.

nicht jeder Herausgeber Luther'fcher Schriften auf diefe
zurückginge!). Alfo mufs Herr Haas dem deutfehen
Volke feinen Luther retten! Risum teneatis Trotz aller
Komik diefer Selbfttäufchung hat die Sache doch auch
eine ernfte Seite; denn es fcheint mir nicht gleichgiltig,
dafs eine folche Verdächtigung, welche die Behauptung
in fich fchliefst, dafs wir feit drei Jahrhunderten einen
gefälfchten Luther befeffen hätten, fei fie auch noch fo
bodenlos, in die Oeffentlichkeit hinausgerufen wird.
Man follte meinen, wo eine Befchuldigung ausgefprochen

p. 4), fondern unecht. — Durch diefe Bemerkungen ift [ wird wie die unverftändiger und boshafter Fälfchung

nicht ausgefchloffen, dafs der Verf. in der Einzelexegefe
auch Treffendes beibringt; doch ift diefelbe häufig von
einer unbefriedigenden Kürze (z. B. zu 7, 22 ff.), und
vollends wäre es falfch, von feinem freien Urtheil in
den textkritifchen Fragen auf ein unbefangenes hiftori-
fches Urtheil im allgemeinen zu fchliefsen. Die neue
Eintheilung des Buches in 6 Dekaden (6b Weiffagungen)
ift fchon von E. Neftle (ThLZ. I 1876, C. 106) zurück-
gewiefen worden. Die Druckfehler find zahlreich, doch
meift leicht zu verbeffern. Die Worte p. 304, ,Babel
war nicht verfolgungsfüchtig, wie gewiffe moderne
Staaten', erinnern daran, dafs das Buch in den Zeiten
des ,Culturkampfes' entftanden ift.

Leipzig. H. Guthe.

1. Der ungefälschte Luther, nach den Urdrucken der kgl.
öffentlichen Bibliothek in Stuttgart hergeftellt von
Dr. Karl Haas. 1 —s.Bdchn. Stüttgart 1880, Metzler's
Verl. (IV, 107, 86, 90, 94 u. 94 S. 12.) ä M. —. 40.

2. Hermens, Divif.-Pfr. Dr., Luther's Reformationsschriften
vom Jahre 1520. Vortrag. Halle 1880, Strien. (40 S.
16). M. —. 50.

1. Diefelbe Verlagsbuchhandlung, der vor Kurzem
der bedauerliche Unfall begegnete, ohne ihr Wiffen eine
der fchlimmften jüdifchen Schmähfchriften gegen das
Chriftenthum herauszugeben, bietet hier in ähnlichem
Format wie die unfern Gymnafiaften bekannten Klaffiker-
überfetzungen den .ungefälfehten Luther', indem fie mit
rührender Selbftlofigkeit verfichert: ,Was zu diefem
Unternehmen veranlafst, ift die Ehre Gottes, der Segen,

der auf Luthers Werken ruht, und das dankbare An- ! wiffenfehaftlich dogmatifchen Werke! Ebenfo unbe-

müfste fie fofort begleitet fein von den fehwerwiegendften
und unabweisbarften Gründen! .Statt unzähliger Seweife',
um die dringend gebeten werden mufs, will Herr Haas
leider nur einen einzigen anführen: ,feine Erklärung des
Galaterbriefes, die er lateinifch auf 76 Quartfeiten (?)
nach dem Urdruck verfafst hat. Es ift das Luther's
wichtigfte und herrlichfte Schrift. Und diefe Schrift
von 76 Seiten haben feine Nachtreter oder vielmehr
Nachrichter zu einem ganzen Folianten gedehnt. Den
goldenen Stern mit feinen Strahlen und Spitzen haben
fie zu Goldfchaum breitgefchlagen, diefes Stückchen
Lebensbrod in einem Meere von lauem Waffer aufge-
löft! Formeller und materieller kann man nicht fälfehen!'
— Und das foll ein Beweis fein, ,den niemand leugnen und
jedermann auf den erften Blick erkennen kann'. Und
doch beweift er wohl kaum etwas anderes als die Un-
kenntnifs des Herrn Dr. Haas. Wir befitzen eben von
Luther zwei Commentare zum Galaterbrief. Den erften
hat Luther nach Vorlefungen (feit 1516) im J. 1519
herausgegeben. (Ich habe vor mir einen Druck, der
nach 75 Quartblättern, nicht — Seiten zählt; ich vermuthe
alftf wohl richtig, wenn ich annehme, dafs Haas' ,76
Quartfeiten' durch falfche Hinzuzählung der letzten
Seite entftanden find.) Der zweite ift nach fpäteren
Vorlefungen (feit 1531) aus Nachfchriften im J. 1535
durch Rörer herausgegeben mit einem eigenhändigen
Vorwort Luther's, das die Zuverläffigkeit diefer Ausgabe
völlig gewährleiftet. (,Scntio meas cogitationes esse omnes,
quas in hoc scripto per fratres tanta diligentia signatas
reperio1.) Und den letzteren, nach Haas ein Meer von
lauem Waffer, nennt Köftlin (Martin Luther B. 2. S. 304)
das bedeutendfte fchriftftellerifche Product von Luther's
akademifcher Thätigkeit, ja das bedeutendfte feiner