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Ausgabe:

1881 Nr. 3

Spalte:

62-64

Autor/Hrsg.:

Benrath, Karl

Titel/Untertitel:

Die Summa der Heiligen Schrift. Ein Zeugniß aus dem Zeitalter der Reformation für die Rechtfertigung aus dem Glauben 1881

Rezensent:

Möller, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung. 1881. Nr. 3.

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häufig den Wortlaut der Documente annähernd fedhält,
anderwärts in auszügliche Mittheilungen übergeht, entficht
ein unglückliches Zwitterding zwifchen Gefchichts-
darftellung und Urkundenfammlung von fehr unnöthiger
Breite auf der einen und fchmerzlich empfundener Un-
genauigkeit auf der andern Seite. Wie der Verf. mit
feinen Actenftückeo verfährt, davon einige wenig Zutrauen
einflöfsende Bcifpiele. I, 153 ff. findet fich die
fchon bei Hammer-Purgdall (Khlefl's Leben I, Urk. S. 34
ff), auf welchen der Verf. auch verweift, abgedruckte
Inftruction für die Klofterreformation. Eine Vergleichung
mit dem dort auch nicht fehlerfrei, aber doch viel genauer
wiedergegebenen Texte deckt nicht nur das ganz prineip-
lofe Verfahren mit dem fprachlichen Ausdrucke, fondern
auch die zahlreichen offenbaren Fehler auf: der 17. Fragepunkt
bei H.-P. ift ausgelaffen, im 35. (34.) fleht finnlos
Communjon ft. Communicanten, der 39. (38.) ,Ob der
Prelat vnd Conuent ain oder zwayerlei Kuchl vnd Keller
haben' ift durch Auslaffung der Worte ,Prälat und' finnlos
geworden u. dgl. m. — Wo der Verf. den Bericht
der Kloftercommiffion von 1567 mittheilt, beginnt er:
,Fürs Erfte ftimmen die Commiffäre der kaiferl. Refolution
infofern bei, als der Kaifer' u. f. w. Der Fortgang des
Schriftftücks zeigt aber ganz deutlich, dafs von Bei
ftimmung hier noch gar nicht die Rede ift, fondern dafs
die ganze Anfangsdelle von reichlich einer Seite nichts
weiter ift als die herkömmliche Rccapitulation der kaifer-
lichen Vorlage, bevor in deren Beantwortung eingegangen
wird. In Betreff der Tridentiner Befchlüffe findet fich
I, 241 die ganz verbindungslofe Notiz: ,Am 20. Sept.
1563 befahl Ferdinand I von Prefsburg aus der N. 0.
Regierung, über die Reformartikel des Concils, befonders
über Artikel 36 zu berathen und zu begutachten, «ob fie
nicht dem Haufe Oefterreich nachtheilig fein möchten»'.
Zur Erklärung thut der Verf. nichts und der Art. 36
bleibt räthfelhaft, bis man fich die Antwort der N. 0.
Regierung vom 23. Oct. 1563 bei Buchholtz, Urkundenb.
S. 705 ff. anfleht, auf welche der Verf. gar nicht verweift.
Der Verf. giebt I, 537 f. einen Ueberblick über den Inhalt
der Capitulation des Matthias vom 19. März 1609,
aber fo ungenau, dafs man den Text (bei Raupach) erfl
zu Hülfe nehmen mufs, um die Beziehungen darauf in
dem gegen die beabfichtigte Publication derfelben gerichteten
Gutachten des Bifchofs Erzh. Leopold (I. 529 ff.)
zu verftehen. Ebenfo wird die ganze unordentliche Art
der Berichterftattung offenbar, wenn man die Notizen
über die Perfonal- und Gehalts-Verhältnifse des Klofter-
raths II, 170 mit II, 533 f. vergleicht. Sehr zahlreich
find auch die Stellen, an welchen man zweifelhaft bleibt,
wo beim Verf. die fchlechte Lefung aufhört und wo die
fchlechte Druckcorrectur anfängt; man fche das zweimalige
, ,fonach' für ,fo noch' (I 189, 12 und 192, 4) das
,fomit' für ,fo mit' (I, 113, 4), das finnlofe .offen' (I, 123,
26 für oft), das ,qui' für quod (I, 9 51, 9 von u.), ferner
,der befte' (I, HO, 8 v. u. wahrfcheinlich: derfelbe), das
.davon' für ,da man' (I, 529, 15), das .Einem' für Amen
(II 358) u. dergl. mehr. Ein wahres Nefl von Fehlern
findet fich in den beiden Briefen an Hofius (I, 301—4
Anm.). Als ein Exempel — eines unter vielen — von
confufer Wiedergabe des Inhalts feiner Quellen hebe ich
hervor I, 226, wo der Verf. von der Recufationsfchrift
der Stände (von 1546) gegen das Concil redet. Hier
heifst es: ,Die beftimmte Stadt Trient fei keine freie
Wahlftadt, denn fie gehöre dem Trientifchen Bifchofe,
trotzdem dafs die italienifche Sprache in diefer Stadt die
recht angebornc, gemeine und übliche Sprache fei und
fehr Wenige befunden werden, fo die deutfehe Sprache
reden und verftehen, fie eine Stadt deutfeher Nation ift,
fo fei fie doch ungelegen, den Ständen der Augsburgifchen
Confeffion gar und ganz entlegen'. Nach diefer Probe
kann es denn auch nicht Wundernehmen, dafs der fprach-
liche Ausdruck, auch abgefehen von einigen Provincia-
lismen, welche man dem Verf. gern nachfeilen würde,

fehr viel zu wünfehen übrig läfst; man vgl. I, 78 ,die
bisher als Original gegoltene' Ausgabe, I, 6 ,in einem
folch gearteten Lande', 1,459: ,Dafs die prot. Theologen
und proteft. Landesherrn die gleiche Folgfamkeit wenn
nicht Unfehlbarkeit ihrer Anfchauungen und Verordnungen
von dem Gewiffen ihrer Bekenner forderten wie
Papft, Concilien u. f. w.', II, 115: Jetzt wurde Pfaufer
Stillfchweigen auferlegt, dann vom Hofe entfernt'. Auch
auf die theologifche Ausrüftung des Verf.'s für feine Aufgabe
fallen recht bedenkliche Lichter, fo gleich I, 2, wo
er Johann's von Wefel gedenkt und dazu Schunk s Beiträge
zur Mainzer Gefell. 1788 und Muurling's Differtation
de Wcsscli Gansfortii vita etc. citirt! Ueber den Standpunkt
der Beurthcilung wollen wir mit dem Verf. nicht
weiter rechten, nur bemerken, dafs die anfangs von
ihm beobachtete grofse Mäfsigung und Zurückhaltung
ihn doch im weiteren Verlauf nicht abhält, feiner feindlichen
Stellung zu den proteftant. Bewegungen hier und
da recht befangenen Ausdruck zu geben. Indeffen das
würde man ja gern mit in den Kauf nehmen, wenn der
Verf. fich fonft feiner Aufgabe gewachfen zeigte. So
wenig letzteres nun aber der Fall ift, fo mufs Ref. doch
bitten, dafs man fich durch alle die hervorgehobenen
Mängel, welche nach feinem Gefchmack das Buch fehr
ungeniefsbar machen, nicht abhalten laffe, die darin dargebotene
Bereicherung der Gefchichte fich zu Nutze zu
machen.

Kiel. W. Möller.

Benrath, Prof. Karl, Die Summa der Heiligen Schrift. Ein

Zeugnifs aus dem Zeitalter der Reformation für die
Rechtfertigung aus dem Glauben. Leipzig 1880, Fernau.
(XL, 175 S. m. 4fefm. Titeln. 8.) M. 2.80; geb. M.4.40.

In Nr. 25 des Jahrganges 1877 diefer Literaturzeitung
hatte Referent Mittheilungen gemacht von dem durch
Comba veröffentlichten Sommario de la S. Scrittura,
auch bereits auf Grund von Comba's und Benrath's Angaben
über einen franzöfifchen Text derfelben Schrift
von 1523 darauf hingewiefen, dafs letzterer einen aufser-
italienifchcn Urfprung der Schrift wahrfcheinlich mache,
der auch durch eine Stelle der Schrift felbft nahe gelegt
werde. Ebenfo waren dort bereits die greifbaren
Spuren eines directen Einfluffes von Luther's Schriften
aus den erden zwanziger Jahren aufgewiefen, wobei freilich
das in diefer Beziehung Wichtigde aufser Acht geladen
war, nämlich die völlige directe Abhängigkeit des
26. Capitels unterer Schrift von Luther's Abhandlung ,von
weltlicher Obrigkeit' (1523 E. A. Bd. 22), auf welche jetzt
Benrath aufmerkfam macht. Dies war auch Düderdieck
entgangen, welcher fich in feiner Befprechung in den
Gött. Gel. Anz. 1878 Stück 23 an meine Andeutungen fehr
eng, wenn auch unter Modifikationen, angefchloffen hat.
Derfelbe hat damit einerfeits einige einleuchtende In-
dicien für die Priorität des franzöfifchen Textes vor dem
italienifchen, andererfeits aber auch die unglückliche
Conjectur verbunden, dafs der Verf. wegen feines Eingehens
in die religiös-moralifchcn fpeciellen Betrachtungen
des zweiten Theils nicht wohl im Drange der erden refor-
mat. Bewegungen gelebt und gefchrieben haben könne,
mithin wohl in einer Gegend wie dem Grenzgebiete von
Frankreich, Schweiz und Italien zu fuchen fei, in welchem
feit lange das Evangelium bei den Waldenfergemeinden
eine Stätte gefunden habe etc. Das id verkehrt, vielmehr
weifen die von Düderdieck ins Auge gefafsten Eigen-
thümlichkeiten nur auf einen Standpunkt hin, auf welchem
ein lebendiges Ergreifen der reformatorifchen
Ideen dattfinden konnte, ohne dafs fofort der Gedanke
an Bruch mit der bedehenden Kirche fich nahe legte.

Benrath, dem wir in Deutfchland die erden Notizen
über das anziehende Buch verdankten, macht nun in der
oben genannten Ausgabe nicht nur einen weiteren Kreis