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Ausgabe:

1881 Nr. 23

Spalte:

546-548

Autor/Hrsg.:

Ebert, Adf.

Titel/Untertitel:

Allgemeine Geschichte der Literatur des Mittelalters im Abendlande. 2. Band. Geschichte der lateinischen Literatur vom Zeitalter Karls des Großen bis zum Tode Karls des Kahlen 1881

Rezensent:

Möller, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung. 1881. Nr. 23.

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vereinzelte Anklänge an die Salluft'fche Diction finden.
Qm Hegesippus in Sallustio imitando plurimus sit, Ambrosius
est rarissimus (Vogel p. 29). — Auch einzelne
Notizen des Ambrofius über jüdifche Gefchichte und
Geographie find der Art, wie man fie bei einem Bearbeiter
des Jofephus nicht erwarten kann. Was er über
Antipater, den Vater des Herodes fagt, ift nicht aus Jofephus
fondern aus Eufebius gefchöpft. Und über den
Urfprung des Jordan, über welchen Jofephus fich fehr
eingehend verbreitet, ift er fo wenig orientirt, dafs er
ihn aus Aegypten (!) entfpringen läfst (Vogel S. 30—32).
— Am meiften Neues bietet Vogel in dem Abfchnitt
über die testimonia veterum (S. 32—49), wo er bei dem
völligen Mangel an Vorarbeiten ganz auf eigenes Suchen
angewiefen war. Da er bemerkte, dafs namentlich für
geographifche Notizen Hegefippus gerne von Späteren
benützt wurde, hat er befonders die jetzt von Tobler
und Mo linier gefammelten Pilgerfchriften {Itinera Hie-
rosolymitana, edd. Tobler et Molinier, Genevae 1879) unter
diefem Gefichtspunkte durchforfcht; und es ift ihm gelungen
, theils hier theils anderwärts folgende Entlehnungen
und Citate aus Hegefipp zu conftatiren: I) Schon
der um 440 fchreibendc Eucherius hat ficher den Hegefipp
benutzt. Denn der von ihm aus Jofephus citirte
Abfchnitt ift nicht, wie noch Tobler und Molinier vorausfetzen
, direct aus Jofephus, fondern aus der Bearbeitung
des Heg. entnommen. Bemerkenswerth ift aber,
dafs er ihn einfach als Jofephus citirt, ohne von einer
Autorfchaft des Ambrofius etwas zu wiffen. Ueber das
Alter und die Echtheit des Eucherius f. Tobler, Palae-
stinae descriptiones (1869) p. 109 f. Molinier, Itinera praef.
p. XVII not. 3, p. L1V. 2) Sehr oft macht Ifidorus
Hifpalenfis von Hegefipp Gebrauch, ohne aber je den
Namen des Verfaffers zu nennen, ja ohne ihn überhaupt
zu citiren. Nur einmal citirter ihn als Historia. 3) Mit
Sicherheit läfst fich die Benützung des Hegefippus
auch bei Arculfus oder vielmehr in der von Adam-
nanus befchriebenen Pilgerfahrt des Arculfus conftatiren
. Er wird hier (p. 180 ed. Tobler et Molinier) citirt
mit der Formel: Haec . . . de tertio Judaicae capti-
vitatis libro . . . excerpta retulimus. Adamnanus kannte
alfo das Werk nur unter demfelben Titel, unter welchem
auch das echte Werk des Jofephus von Kirchenvätern
öfters citirt wird (rregr uXücseiog, woraus man aber
nicht mit Vogel den Schlufs ziehen darf, dafs diefer
dem gewöhnlichen De hello Judaico vorzuziehen fei, vgl.
vielmehr Jos. Vita c. 74 fin.). — 4) Auch Beda hat den
Hegefipp benützt, ohne ihn aber je zu citiren. 5) Von
befonderem Intereffe ift dagegen, dafs noch Widukind,
der Gefchichtfchreiber der Sachfen (saec.X), das Werk
des Hegefipp einfach als Jofephus citirt. Auch er
fcheint alfo noch nichts von einer Autorfchaft des Ambrofius
gewufst zu haben. — Die hier von Vogel gefammelten
testimonia liefsen fich vermuthlich bei um-
faffenderer Durchforfchung der latcinifch-chriftlichen Literatur
noch vermehren. Immerhin genügen fchon fie,
um das Urtheil zu begründen, dafs der fog. Hegefipp
eine urfprünglich anonyme Bearbeitung des Jofephus
ift, und dafs der Name des Ambrofius erft fpäter auf
Grund einer müffigen Conjectur damit in Verbindung
gebracht worden ift.

Am Schlufs feiner Abhandlung fucht Vogel noch
einige pofitive Refultate über den Verfaffer zu gewinnen.
Gelungen fcheint mir hier der Nachweis, dafs der Verf.
ein Mann von vorwiegend griechifcher Bildung war, dem
das Lateinifche nicht ganz geläufig war und der namentlich
mit der lateinifchen Terminologie im Militärwefen
nicht vertraut war. Damit würde auch übereinftimmen,
dafs er, wie Vogel vermuthet, Alexandria und Antiochia
aus eigener Anfchauung kennt. Für nicht bewiefen halte
ich dagegen die Annahme Vogel's, dafs er von jüdi-
fcher Herkunft war. Dies kann nicht daraus gefchloffen
werden, dafs er die Ausdrücke patria lex, paterna solem-

nitas, majorum instituta in Bezug auf die altteftament-
lich-jüdifchen Inftitutionen gebraucht. Denn dies kann
im Gegenfatz zum Heidenthum fehr wohl auch von
einem chriftlichen Verfaffer gefchehen, namentlich wenn
man den rhetorifchen Charakter der Hegefipp'fchen Diction
mit in Rechnung zieht. Die Kirchenväter betrachten
die chriftlichen Inftitutionen ja ftets als die directe
Fortfetzung der altteftamentlichen. Da der Verf. fich
aber durchweg als Chriften zu erkennen giebt und nirgends
feine jüdifche Herkunft andeutet, fo können die
fraglichen Ausdrücke gar nicht anders als in dem angegebenen
Sinne verftanden werden.

Schliefslich noch eine Einzelheit. Vogel macht S.
29 f. darauf aufmerkfam, dafs bei Hegefipp und Ambrofius
gemeinfam fich die Legende von der Kreuzesflucht
Petri und feiner Zurechtweifung durch Chriftum
finde: Chriftus begegnet dem fliehenden Petrus, und auf
die Frage des letzteren Domine quo vadis antwortet
Chriftus Venio Herum crueifigi. Mit Recht hat Vogel
durch diefes Zufammentreffen des Hegefipp und Ambrofius
fich nicht in feiner Annahme von der Verfchic-
denheit beider irre machen laffen. Es ift ihm aber entgangen
, dafs die Legende aus den apokryphifchen Paulus
- und Petrus-Acten ftammt, die fchon Origenes
kannte, und von denen uns wenigftens fpätere Ueber-
arbeitungen noch erhalten find. Vgl. befonders Origenes
in Joann. tom. XX. c. 12: ei zip de cpilov naoaöiSaolrcu
xb ev xalg llavlov Ilgä^eaiv avayeyqaitfjtivov, vjg vno xov
amxijQog elQrmtvnv ^dvioiiev uelXio Oxavpovo&ai'.
S. übern. Fabricius, Cod. apoer. Nov. Test. I, 438
not. 792 not. Tifchendorf, Acta apost. p. 36. Hilgenfeld
, Novum Test, extra canonem rec. IV, 72. Lip-
fius, Die Quellen der römifchen Petrusfage S. 112 ff.
134 ff.

Giefsen. E. Schürer.

Ebert, Adf., Allgemeine Geschichte der Literatur des Mittelalters
im Abendlande. 2. Band. Gefchichte der lateinifchen
Literatur vom Zeitalter Karls des Grofsen
bis zum Tode Karls des Kahlen. Leipzig 1880, F.
C. W. Vogel. (VIII, 404 S. gr. 8.) M. 9. —

Nachdem Ebert im 1. Bande die Gefchichte der
chriftlich lateinifchen Literatur des Abendlands von ihren
Anfängen bis zum Zeitalter Karls des Grofsen geführt
hatte, behandelt er im 2. Bande die lateinifche Literatur
vom Zeitalter Karls des Grofsen bis zum Tode Karls
des Kahlen, alfo jene erfte Blüthezeit chriftlich-abend-
ländifcher literarifcher Cultur, foweit es fich um lateinifche
Schriftftellerei handelt. Der Stoff zerfällt naturgemäfs
in die beiden Bücher: IV. Karls des Grofsen Zeit, V. die
Zeit von deffen Tode bis zu dem bezeichneten Zeitpunkte
. Der folgende Band foll dann im 6. Buche ,die
Gefchichte der Nationalliteraturen des Abendlands, d. h.
hier allein der germanifchen, von ihren Anfängen bis
zu demfelben Zeitpunkt' erzählen, im 7. Buche aber ,die
karolingifche Literatur auf beiden Gebieten, dem 'der
lateinifchen wie dem der Nationalliteraturen, unter welchen
dann auch die romanifchen vertreten erfcheinen,
zufammen bis zu Ende behandeln'. Hierher wird denn
auch die zufammenhängende Behandlung der Hymnendichtung
des 9. und der Anfänge des 10. Jahrhunderts
verwiefen. — Dafs der Plan des grofs angelegten Werks
in der Verbindung der lateinifchen mit den Nationalliteraturen
der Ausführung eigenthümliche Schwierigkeiten
bereiten wird, liegt auf der Hand, ebenfo aber
auch, dafs eine folche Darftellung nach beiden Seiten
hin aufklärend und fördernd wirken kann. Eine andere
Schwierigkeit legt fich bei Betrachtung des vorliegenden
Buches gerade dem Theologen nahe, nämlich die der
richtigen Bcftimmung und Abgrenzung deffen in der
theologifchen Literatur, was nach Gegenftand oder Be-

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