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Ausgabe:

1881 Nr. 23

Spalte:

543-544

Autor/Hrsg.:

Klostermann, Aug.

Titel/Untertitel:

Die Gemüthsstimmung des Christen in Röm. 5, 1 - 11 1881

Rezensent:

Schürer, Emil

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Theologifche Literaturzeitung. 1881. Nr. 23.

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jecturen entgangen zu fein fcheinen; fonft würde man
eine der beften, welche in neuerer Zeit bekannt geworden
find, in ihren Sammlungen nicht vermiffen, nämlich
C. Taylor's Vorfchlag, Col. 2, 18 degct %£V£(.ißccTevcov
ft. asagaxsv sfißctTSVCOv zu lefen (Vol. VII, 1877 p. 130 ss.;
ähnlich übrigens fchon Lightfoot z. d. St., nach dem
Vorgange von More und Courcelles).

Göttingen. O. v. Gebhardt.

Klostermann, Prof. Dr. Aug., Die Gemüthsstimmung des
Christen in Rom. 5, 1—11. Kiel 1881, Univerfitäts-

Von diefem Fehler ift leider Kloftermann nicht frei zu
fprechen. Man hat beim Lefen feiner Abhandlung zuweilen
faft den Eindruck, als ob die Exegefe in der
Kunft beftünde, auch das an fich Einfache verwirrt zu
machen.

Giefsen. E. Schür er.

Vogel, Dr. Friedr., De Hegesippo qui dicitur Josephi inter-
prete. Erlangen 1881, Deichert. (62 S. gr. 8.) M. 1. 50.

Unter dem Namen des Hegefippus oder Ege-
fippus exiftirt bekanntlich eine freie lateinifche Bear-
Ducnn. (41 b. 4.) M. 1. 20. beitung der Bücher des jofephus über den jüdifchen

Krieg, als deren Verf. in neuerer Zeit wieder mehr und
mehr der Bifchof Ambrofius von Mailand betrachtet
wird, dem fie in manchen Handfchriften zugefchrieben
wird. Namentlich Reifferfcheid hat fich mit grofser
Entfchiedenheit für ihn als Verfaffer ausgefprochen.
Und fo hat auch noch Referent vor Kurzem (Herzog-
Plitt, Real-Encyklopädie VII, 116) diefe Anficht als die
wahrfcheinliche bezeichnet. In der obigen vortrefflichen,
auf gründlichfter Detailunterfuchung beruhenden und
ihren Gegenftand nach allen Seiten hin erfchöpfenden
Unterfuchung Vogel's wird nun aber der Beweis erbracht
, dafs Ambro fius jedenfalls nicht der Verfaffer
ift, wenn auch die Abfaffung des Werkes faft genau in
die Zeit des Ambrofius zu fetzen ift.

Der Verf. handelt zuerft (S. 4—8) von dem Zeug-
nifs der Handfchriften, und zeigt, dafs gerade die älte-
ften Handfchriften (die Caffeler und Mailänder) einfach
Jofephus als Verf. bezeichnen, alfo über den Bearbeiter
nichts ausfagen. Denn in der Mailänder Handfchrift
rührt die Unterfchrift des 1. Buches, welche Ambrofius
als Verfaffer nennt, nicht von erfter Pland her. Den
Namen Egefippus betrachtet auch Vogel, wie Aeltere,
als Corruption aus Jofephus oder vielmehr als entftanden
aus der Formel E Josippi (= Josephi) historia. — Bei
Beftimmung der Abfaffungszeit (S. 8 ff.) konnte fich
Vogel an die älteren Arbeiten von Gronovius und
Mazochius anlehnen, welche alle Hauptpunkte bereits
richtig ermittelt haben. Das Werk ift jedenfalls in der
zweiten Plälfte des 4. Jahrhunderts entftanden, nämlich
nach dem Siege des Theodofius über die Sachfen und
Scoten (367), welcher V, 15, 24 vorausgefetzt wird, aber
höchft wahrfcheinlich noch vor dem Einbruch der Hunnen
in Europa (375 n. Chr.). Denn der Verf., der häufig
auf Zeitereignifse anfpielt, verräth nirgends eine Kunde
von diefem Ereignifs. Während nun diefes chronolo-
gifche Refultat der Autorfchaft des Ambrofius fcheinbar
günftig ift, fetzt Vogel gerade hier mit feiner Kritik ein.
Er erinnert nämlich daran, dafs Ambrofius erft im De-

Unter dem etwas ungewöhnlichen Titel verbirgt fich
nichts anderes als eine faft vollftändige Auslegung von
Rom. 5, I—11. Ueber den Inhalt derfelben ift fchwer
zu referiren, da wir dem Verf. hiebei Vers für Vers
folgen müfsten. Es fei daher geftattet, nur auf denjenigen
Abfchnitt näher einzugehen, auf welchen der
Verf. nach einer im Eingang gegebenen Andeutung am
meiften Gewicht legt, nämlich die Auslegung von V. 5—6.
In den Worten V. 5 dyäni] %ov S-sov h/.xtyviai iv
%aig xagdiaig fjfiäv öiä nveviicnog dyinv tov dod-tvrog
ijßlv verfteht Kl. mit Recht unter der uydni] %ov sJeov
nicht die Liebe zu Gott, fondern die Liebe Gottes zu
uns (S. 18). Das Verbum ixxiyvxai aber verfteht er von
einem reichlichen Ergufs, einer reichlichen Mittheilung
der Liebe Gottes, welche nicht mehr an fich hielt, fondern
fich reichlich bethätigte, und zwar in unferem Innern
oder an unferen Herzen. Diefe reichliche Bethätigung
der Liebe Gottes an unferen Herzen beftand aber in
der Mittheilung des heiligen Geiftes. ,In dem Empfang
des heiligen Geiftes haben wir in unferen Herzen einen
rückhaltlofen Ausbruch der Liebe Gottes erlebt' (S. 31
oben, S. 16 — 22). — In V. 6 lieft Kl. nicht txi yug, fondern
etc ti ydg Xgiarbg bvxtov fjiuüv do&evcöv eri xar«
yiatgbv vneg daeßcjv dntPravsv. Dabei legt er Gewicht
darauf, dafs datrevi'g hier nicht = fchwach, fondern =
krank fei, nämlich foviel wie = dem Tode verfallen.
Der Ausdruck lehne fich an Jef. 53, 4—6 an: rag doirs-
vsictg »iiwv elaßev etc. Mit dem bvxoiv fjiiwv do&sveav
werde aber der veranlaffende Beweggrund für die That
der Aufopferung Chrifti angegeben (S. 27). Durch unfer
Krankfein hat Chriftus fich beftimmen laffen, freiwillig
über fich zu nehmen, was fchlimmer als Krankheit, was
ihre Vollendung ift, nämlich der Tod (S. 30). Der ganze
Satz fei zu überfetzen : ,Denn wozu hat Chriftus auf unfer
Krankfein hin fich in den Tod gegeben, fo dafs fein
Tod, wenn man die Zeitbefchaffenheit erwägt, noch ein
Tod für dasßelg war?' (S. 31). — Da diefer Satz fich als
Erläuterungsfatz an V. 5 anfchliefst, fo ergiebt fich der

Gedanke, dafs Chriftus eben dazu fich in den Tod ge- j cember 374 unmittelbar vor feiner Weihe zum Bifchof

geben hat, damit Gott ,an uns als nun Verföhnten feiner
Liebe durch Einpflanzung neuen Lebens in unfere Herzen
ein vorläufiges Genüge thun könnte' (S. 31). Diefe,
nun gefchehene, Einpflanzung neuen Lebens in unfere
LIerzen ift das Ziel, auf welches es mit dem Tode
Chrifti abgefehen war.

Ich hoffe, mit Obigem ein getreues Referat über die
Ausführungen Kloftermann's gegeben zu haben. Dafs
fie viel Beifall finden werden, glaube ich nicht; fchon
deshalb nicht, weil die LA. slg tL ydg doch auf allzu-
fchwachen Füfsen fteht. Als Grundgedanken der ganzen
Stelle (vgl. bef. V. 8) kann ich nach wie vor mit der
Mehrzahl der Ausleger nur den Gedanken finden, dafs
Gott durch die Hingabe feines Sohnes in den Tod uns
den ftärkften Beweis feiner Liebe gegeben hat, der uns
zugleich auch die Verleihung der künftigen acoxrjglu verbürgt
. Der Abfchnitt enthält aber im Einzelnen allerdings
manche Schwierigkeiten, deren befriedigende Löf-
ung fehr verdienftlich wäre. Diefe kann jedoch nur
dann gelingen, wenn man vor allem darauf verzichtet,
Schwierigkeiten da zu fuchen, wo fie gar nicht find.

die chriflliche Taufe empfing. In den Jahren 367—374,
in welchen nach dem Obigen der fog. Hegefippus ge-
fchrieben haben mufs, war alfo Ambrofius ein in chrift-
lichen Dingen noch fehr unerfahrener Mann; Hegefippus
dagegen verräth eine gute chriftlich - theologifche Bildung
, ja er hatte nach dem Vorwort feines Werkes bereits
vor demfelben eine lateinifche Bearbeitung der 4
Bücher der Könige gefchrieben. Die Chronologie ift
alfo der Autorfchaft des Ambrofius gerade fehr ungün-
ftig. — In einem weiteren Abfchnitte (S. 20 ff.) vergleicht
Vogel den Stil des Hegefippus mit dem des
Ambrofius. Hierbei kann er freilich nicht umhin, zu
conftatiren., dafs fich bei Hegefipp und Ambrofius einzelne
Worte gemeinfam finden, welche fonft bis jetzt
nicht nachgewiefen worden find. Aber was will das be-
fagen? Auch Gronovius hatte geglaubt, ein Vcrzeich-
nifs folcher Worte geben zu können; und doch find die
meiften der von ihm aufgezählten inzwifchen auch anderwärts
nachgewiefen worden. Viel entfcheidender ift
die Thatfache, dafs Hegefipp feine Sprache ganz nach
Salluft gebildet hat, während bei Ambrofius fich nur