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Ausgabe:

1881 Nr. 22

Spalte:

524-528

Autor/Hrsg.:

Frank, Fr. H. R.

Titel/Untertitel:

System der christlichen Wahrheit. 2 Hälften 1881

Rezensent:

Herrmann, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung. 1881. Nr. 22.

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Es gab damals kein Organ für die wiffenfchaftliche Bearbeitung
des evangelifchen Kirchenrechts, und es gab
keines für das kathol. Kirchenrecht, das nicht auf ftreng
ultramontanem Boden ftand. Die Aufgabe, welche fich
die Zeitfchrift ftellte, war vom Anbeginn eine rein wiffenfchaftliche
und eine weit umfaffende. Ungebunden
durch ein beftimmtes kirchenpolitifches Parteiprogramm
will die Zeitfchrift, gleich der Gefellfchaft, der üe zum
Organ dient, einen Sammelpunkt bilden ,für wiffenfchaftliche
Beftrebungen im Gebiete des Kirchenrechts, des
canonifchen Rechts, des Kirchenftaatsrechts, des Eherechts
und ihrer Gefchichte und des wiffenfchaftlichen
Austaufchs mit den verwandten Disciplinen, insbefondere
der Theologie, Gefchichte und Jurisprudenz pflegen'.
Den Inhalt der Zeitfchrift bilden fonach: 1. gröfsere Abhandlungen
aus dem Gebiete der genannten Disciplinen,
2. kleinere wiffenfchaftliche Mittheilungen, insbefondere
auch von kirchenrechtlich und rechtsgefchichtlich inter-
effanten Urkunden, namentlich ungedruckten, aus älterer
und neuerer Zeit, 3. Rechtsquellen, Staats- und Kirchen-
gefetze, bei wichtigeren Gefetzen auch die Materialien,
Gefetzentwürfe und Motive, Commiffionsberichte, 4.
officielle Actenftücke und fonftige wichtige Urkunden in
Beziehung auf die neuere Entwicklung des Verhältnifses
von Staat und Kirche und des kirchlichen Verfaffungs-
und Rechtslebens, 5. die einfchlagende Rechtfprechung
der ordentlichen und befonderen Gerichte fowie insbefondere
auch der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts,
6. die Nachrichten von der Gefellfchaft für Kirchen-
rechtswiffenfchaft, 7. Literatur des Kirchenrechts. — Die
rein wiffenfchaftliche Haltung der Zeitfchrift ermöglicht,
dafs Gelehrte von verfchiedenartiger kirchlicher und kir-
chenpolitifcher Stellung fleh auf ihrem Boden zu ge-
meinfamer Arbeit zufammenfinden; ultramontane Katholiken
freilich find ihr fern geblieben. Jeder Mitarbeiter
übernimmt perfönlich die Verantwortung für feine Beiträge
. Der wiffenfchaftliche Ruf der Zeitfchrift ift längft
ein feft begründeter. Die abgefchloflen vorliegenden
15 Bände bilden für das kirchenrechtliche Studium dermalen
ein unentbehrliches Hilfsmittel. Das Verzeichnifs
der Mitarbeiter weift eine Reihe der bedeutendften Namen
auf, der Mehrzahl nach Rechtsgelehrte, doch fehlen
auch nicht einzelne dem Theologen wohl bekannte, wie
Hundeshagen, Heppe, A. Ritfchl. Bereits hat in den
20 Jahren der Tod manche fchmerzliche Lücke geriffen;
doch find neue Kräfte an die Stelle der abgerufenen getreten
, zum Theil durch die Göttinger Gefellfchaft herangezogen
. Die ,Neue Folge' fchliefst fleh an die älteren
Bände würdig an. Wir verzeichnen kurz den Inhalt der
bis jetzt erfchienenen Hefte des erften Bandes. Heft I:
1. v. Scheurl, zur Lehre von dem Ehehindernifs der Ver-
wandtfehaft. 2. O. Mejer, zur Gefchichte des älteften
proteftant. Eherechts. 3. v. Schulte, Johannes Teutoni-
cus (Semeca, Zemeke). 4. Nachrichten von der Gefellfchaft
für K. R. Wiffenfchaft. 5. Miscellen: E. Bernheim
, ein bisher unbekannter Bericht vom Concil zu Pifa
im J. 1135. Actenftücke betr. das badifche Gefetz vom
5. März 1880 über die allgemeine wiffenfchaftliche Vorbildung
der Candidaten des geiftlichen Standes. Rechtsgültigkeit
des unter Beifügung einer confeffionellen Formel
geleifteten Eides. Zu dem preufs. Gefetz vom 21.
Dec. 1880 betr. Abänderungen der kirchenpolitifchen
Gefetze. Kirchengefetzgebung der evang. Landeskirche
der älteren Provinzen der preufs. Monarchie. Verordnung
des k. öfterreichifchen Minifters für Cultus und Unterricht
vom 18. Oct. 1877, womit die Anerkennung der alt-
kathol. Religionsgefellfchaft ausgefprochen wird. — Heft
II und III: Fr. Thaner, venetianifche Fürfprecher. Ein
Beitrag zur Gefchichte des Eherechts. 2. W. Martens,
Liberatore's kirchenpolitifches Syftem. 3. G. Buchka,
das Ehefcheidungsrecht kraft landesherrlicher Machtvollkommenheit
. 4. R. Pauli, über die kirchenpolitifche
Wirkfamkeit des Johannes Saresberienfis. 5. E. R. Bier-

ling, kleine Beiträge zur Lehre über Ehefchliefsung und
Trauung. 6. Miscellen: E. Winkelmann, ein ungedrucktes
Breve Innocenz' IV. v. 20. Sept. 1248. Rechtfprechung
. (Verpflichtung zur Tragung der Deichlaften von
Pfarrländcreien. Berufung an den Staat. Suspensio ex
informata conscientia. Agitatorifches Verhalten von Geiftlichen
gegen kirchenregimentliche Mafsnahmen als Dis-
ciplinarvergehen. Zuläffigkeit der Cumulation von Verweis
und Geldftrafe bei Handhabung der Disciplin über
die Geiftlichen. Subftitution der unfreiwilligen Emeritir-
ung an Stelle der Strafverfetzung. Einfpruch wider die
Anftellung im geiftlichen Amt im Sinn der §^ 15 und 16
des Gef. v. 11. Mai 1873. Zuständigkeit des^ königlichen
Commiffarius für die bifchöfliche Vermögensverwaltung
in einer erledigten Diöcefe.) Materialien der kirchl. Ge-
fetzgebung Preufsens aus den Jahren 1873 ff. Mittheilungen
aus der Gefellfchaft für K. R. Wiffenfchaft.

Die vorliegende Befprechung möchte namentlich die
Aufmerkfamkeit theologifcher Kreife auf die Zeitfchr. f.
Kirchenrecht hinlenken. Sie fcheint hier bis jetzt wenig
Beachtung gefunden zu haben j felbft evangelifche Kirchenbehörden
haben, wenn wir recht berichtet find, von
(liefern zur Zeit in der evang. Kirche einzig vorhandenen
Organ für Kirchenrecht bisher keine Notiz genommen.
Leider liegt ja das Studium des Kirchenrechts bei uns
fehr danieder. Dafs hier ein bedenklicher Mangel unterer
theologifchen Bildung liegt, braucht kaum noch
getagt zu werden. Es ift Allen fühlbar, dafs unfer
Theologenftand fleh nach diefer Seite hin gegenüber
dem kathol. Clerus entfehieden im Nachtheil befindet.
Wie foll in der That ein geordnetes und erfolgreiches
kirchenamtliches Handeln gelingen ohne Einfleht in die
rechtlichen und kirchenpolitifchen Bedingungen, unter
denen es gefchieht? nicht davon zu reden, dafs die ganze
Frage der Zeit fich, wenn man will, in eine kirchen-
rechtliche Frage zufpitzt, nämlich die nach dem Ver-
hältnifs von Kirche und Staat. Es fei darum der neuen
Folge der Zeitfchrift ein fleifsiger Kreis von Leiern auch
unter den Theologen gewünfeht, und es fei überhaupt
der Wunfeh ausgefprochen, dafs unfere Fachgenoffen
fich die heilfame Geifteszucht, welche in dem Umgang
mit den klar und fcharf begrenzten Begriffen des Rechts,
für uns alfo des Kirchenrechts, liegt, nicht möchten entgehen
laffen. Auch fei dabei noch befonders auf die
Unmittelbar praktifche Bedeutung der Zeitfchr. f. KR.
aufmerkfam gemacht; fie veröffentlicht dermalen aus-
fchliefslich die Rechtfprechung der Gerichtshöfe in kirchlichen
Angelegenheiten und widmet überhaupt der kirchlichen
Praxis eingehende Berückfichtigung.

Friedberg. K. Koehler.

Frank, Prof. Dr. Fr. H. R., System der christlichen Wahrheit
. 2 Hälften. Erlangen 1878 u. 80, Deichert.
(VII, 495 u. VI, 474 S. gr. 8.) ä M. 8. —

Diefe Dogmatik verdankt ihren eigenthümlichen Titel
dem Umftand, dafs der Verf. die Erkenntnifse, welche
zum chriftlichen Glauben gehören, bereits in dem ,Sy-
ftem der chriftlichen Gewifsheit' unter einem anderen
Gefichtspunkt dargeftellt hat. Dort handelte es fich
darum, wie der Chrift der Realitäten des Glaubens ge-
wifs wird, alfo um die Entftehung des chriftlichen Be-
wufstfeins. Hier, in der eigentlichen Dogmatik, will der
Verf. das objective Wefen und die objective Ordnung
jener Realitäten darfteilen. Der Verf. geht dabei von dem
erkenntnifstheoretifchen Grundfatz aus, dafs es etwas Anderes
fei, ,einerRealitätgemäfs dem,wiefie in ihrenWirkun-
gen fich giebt, verfichert zu fein, und nun auf Grund deffen
fie in ihrem Wefen zum Verftändnifs zu bringen'. Die theologifche
Arbeit in dem früheren Werke hatte einen apo-
logetifchen Charakter; es wurden die Widerfprüche be-
feitigt, welche fich deshalb an die Vorftcllung der Glau-
bensobjecte heften, weil das natürliche Denken denfel-