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Ausgabe:

1881 Nr. 2

Spalte:

499-502

Autor/Hrsg.:

Jaffé, Phpp.

Titel/Untertitel:

Regesta pontificum romanorum ab condita ecclesia ad annunm post Christum natum 1198. Editionem II 1881

Rezensent:

Harnack, Adolf

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499

Theologifche Literaturzeitung. 1881. Nr. 21.

Vorftellung geläufig, dafs die Einfetzung der Obrigkeit
irgendwie auf die Gottheit zurückzuführen fei. Den
Chriften, welche als eine vom Judenthum ausgegangene
Genoffenfchaft fehr bald mit Mifstrauen betrachtet wurden
, mufste es daran liegen, ihre Ungefährlichkeit zu erweitern
Aber noch mehr: jede Gemeinfchaft von En-
thufiaften hat es um ihrer Selbfterhaltung willen nöthig,
zur Ruhe und zum Gehorfam gegen die öffentlichen
Ordnungen ermahnt zu werden. Dafs die ftets befon-
neneren Leiter der Gemeinfchaft in folche Ermahnung den
Gedanken der göttlichen Ordnung der Obrigkeit einführten
, ift gar nicht auffallend, vielmehr bot fich diefe
Vorftellung von felbft, wo allgemein ftets die höchften
Mafsftäbe und Motive in Wirkfamkeit gefetzt wurden.
Und auch zugeftanden, dafs durch das regelmäfsige Gebet
für die Obrigkeit die danielifch-apokalyptifchen Be-
urtheilungen des Staates urfprünglich verdrängt werden
follten, fo ift zu erinnern, dafs diefe auch ohne das Medium
des Judenchriftenthums in der Heidenkirche
Eingang gefunden haben, und dafs andererfeits die ur-
fprüngliche Abficht fehr bald verblafst fein konnte,
während die Sache geblieben ift. Was endlich M. durch
den Nachweis erreichen will, dafs auch die Juden im
Zeitalter Chrifti und der Apoftel für die Kaifer gebetet
und geopfert haben, ift mir nicht klar geworden. Diefe
Beobachtung verhält fich doch mindeftens völlig neutral
zu der Frage nach dem Urfprung der chriftlichen Gebets-
fitte. Ueberhaupt aber fcheint mir die Unterfuchung
über den Urfprung diefer Sitte, wie der Verf. fie ange-
ftellt hat, für die Controverfe, zu deren Erledigung fie
dienen foll, nach keiner Seite gewinnbringend, fo aner-
kennenswerth und gewifs auch erfolgreich das Beftreben
des Verf.'s fein wird, den jüdifchen refp. judenchrift-
lichen Factor in der Gefchichte der älteften Kirche wieder
ftärker zu betonen. Der angekündigten Neubearbeitung
der Monographie über die ältefte römifche Gemeinde
fieht Ref. mit Spannung entgegen.

Giefsen. Adolf Harnack.

Jaffe, Phpp., Regesta pontificum romanorum ab condita
ecclesia ad annum post Chriftum natum 1198. Editio-
nem II. correctam et auctam auspiciis Prof. Gul. Wattenbach
curaverunt S. Loewenfeld, F. Kaltenbrunner
, P. Ewald. Fase. I. Leipzig 1881, Veit & Co.
(120 S. gr. 4.) M. 6. —

Die Neubearbeitung des erften Theiles der Jaffe-
fchen Regelten bis z. J. 590 hat Kaltenbrunner übernommen
und in diefer erften Lieferung diefelben bereits
bis z. J. 548 (Vigilius) abfolvirt. Ptwald wird die Zeit
bis z. J. 882, Löwenfeld den reichhaltigften Abfchnitt
(bis 1198)' liefern. In den 30 Jahren, welche feit dem
Erfcheinen der 1. Auflage verfloffen find, ift ein fo grofses
Material für die ältefte Papftgefchichte ans Licht getreten
— vor allem fei an die Entdeckungen de Roffi's und
Ewald's erinnert—, find fo viele Specialunterfuchungen
und zufammenfaffende Arbeiten erfchienen — fo namentlich
die von Lipfius, Hinfchius, Thiel u. f. w. —,
dafs man die gründliche Neubearbeitung des vorzüglichen
Werkes, wie fie hier vorliegt, nur mit Freuden begrüfsen
kann. Der Plan und die Anlage des Werkes find wefent-
lich diefelben geblieben, nur mit der Aenderung, dafs
die unechten Schreiben nicht mehr in einen Appendix
verwiefen, fondern den echten beigegeben find. Diefes
Verfahren empfahl fich in Hinblick auf die Eigenthüm-
lichkeit der weitaus meiften untergefchobenen Urkunden,
ift aber für die ältefte Zeit nicht ganz zweckmäfsig. Nicht
nur, weil der Lefer beim Ueberblick kein Bild mehr von
dem Umfange, refp. den Lücken der zuverläffigen Ueber-
lieferung erhält, fondern auch weil manche ,Unterfchieb-
ungen' hier der Art find, dafs man überhaupt Bedenken
tragen kann, von ihnen Notiz zu nehmen. Will man fie

erwähnen, fo kann dies nicht ohne eine Bemerkung über
die Art, wie die ,Ueberlieferung' entftanden ift, gefchehen,
und das gehört nicht in ein Regeftenwerk, fondern hoch-
ftens in einen Appendix. Kaltenbrunner hat nun,
wenn ich es fo bezeichnen darf, ein eklektifches Verfahren
eingefchlagen , deffen Berechtigung freilich fehr
zweifelhaft ift. Zu Soter z. B. ift vermerkt, dafs derfelbe
gegen die Montaniften ein Buch verfafst habe (nach
Praedest. 26). In derfelben Quelle aber ift zu lefen, dafs
Linus gegen die Menandrianer (c. 2), Clemens gegen die
Marcianer (c. 14), Alexander gegen die Herakleoniten
(c. 16), Sixtus II. gegen die Catharer (c. 38) gefchrieben
habe. Dies erwähnt der Verf. überhaupt nicht, während
er doch fogar die Echtheit der Schrift des Soter, die
lediglich durch den Prädeftinatus bezeugt ift, nicht be-
anftandet. Es ift aber doch mindeftens ebenfo wahr-
fcheinlich, dafs Sixtus gegen die Catharer, als dafs Soter
gegen die Montaniften gefchrieben hat. In Wahrheit
gehören aber diefe Ueberlieferungen einem einzigen
Schriftfteller an, der — ein paar Ausnahmen abgerechnet
— abfolut willkürlich nach einem durchfichtigen
Syftem jeder Härefie einen katholifchen Gegner zugeordnet
hat. Sie mufsten daher entweder ganz fortfallen
oder es mufste bei jeder einzelnen gefagt werden, was
von ihr zu halten ift; denn z. B. eine Schrift des Clemens
gegen die Marcianer hat es niemals gegeben, und
vielleicht hat auch nie Jemand an das Vorhandenfein
einer folchen geglaubt. Dies ift aber nur ein Beifpiel
neben fehr vielen. Der Verf. führt bei ,Clemens I.' fehr
vieles Unechte auf, fo z. B. den 2. Brief an die Corin-
ther, die fyrifch erhaltenen Briefe de virginitate u. f. w.
Warum aber fehlen dann die Canones und Conftitutio-
nen, warum die Homilien und Recognitionen? Sollte überhaupt
zufammengeftcllt werden, was die Legende dem
Clemens jemals beigelegt hat, wie ganz dürftig nimmt
fich dann demgegenüber das aus, was der Verf. beigebracht
hat! Und wollte er nur Briefe anführen — doch
kann dies nicht feine Abficht gewefen fein, wie aus vielen
Stellen hervorgeht — warum fehlen die Briefe, von
welchen die Byzantiner gewufst haben? Aehnlich fteht
es bei Petrus, bei Linus und Anderen. Für Petrus wird
nur die apokryphe Decretale J'rofer imaginent' aufgeführt.
Warum fehlen die beiden kanonifchen Briefe, der Brief
des Petrus an Jacobus (Clem. Homil. init), um von allem,
was fonft dem Petrus beigelegt worden ift, zu fchweigen?
Bei Linus wäre ein Hinweis auf das ihm beigelegte Martyrium
des Paulus und Petrus am Platze gewefen. Im
Folgenden gebe ich einige Berichtigungen und Nachträge
für die 3 erften Jahrhunderte, wie ich fie eben zur Hand
habe. Vorher noch zwei allgemeine Bemerkungen. Der
Verf. folgt in der Chronologie der älteften Bifchöfe
Lipfius und hat nach deffen Unterfuchungen die Jaffe-
fchen Zahlen geändert. Das ift gewifs zu billigen, wenn
auch eine Nachprüfung für ein fo monumentales Werk
vielleicht gefordert werden durfte. Nun giebt Lipfius bis
Eleutherus zwei Zahlen. Kaltenbrunner hat ftets eine
gewählt, aber mit einem Fragezeichen verfehen (fo bis
z. J. 174). Diefes Verfahren giebt zu Mifsverftändnifsen
Anlafs. Der Lefer mufs glauben, dafs von Petrus bis
Eleutherus fämmtliche Zahlen gleich unfichcr find. Dies
ift aber bekanntlich nicht der Fall. Für die Bifchöfe
Pius, Anicet, Soter läfst fich das Spatium angeben, in
welches ihr Antrittsjahr nothwendig fallen mufs; aber
auch fchon für Telesphorus und Hyginus fteht die Sache
günftiger als für ihre Vorgänger. Dies hätte irgendwie
fchon in der Ueberfchrift angedeutet werden müffen.
Was die Verweifungen auf KW betrifft, fo citirt K. in
der Regel Migne, hie und da auch andere Ausgaben,
aber feiten die zuverläffigften. Hier wäre gröfsere Sorgfalt
am Platze gewefen. Einzelne Citate find unverftänd-
| lieh. So fleht bei Clemens I. sub 9 (1) einfach Tifchen-
I dorf p. 1. Welches Werk hiemit gemeint ift, wird fchwer-
I lieh Jemand errathen können.