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Ausgabe:

1881 Nr. 21

Spalte:

498-499

Autor/Hrsg.:

Mangold, G.

Titel/Untertitel:

De ecclesia primaeva pro Caesaribus ac Magistratibus Romanis preces fundente dissertatio 1881

Rezensent:

Harnack, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1881. Nr. 21.

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,man' angedeutet, dafs es auch noch Leute giebt, welche
die Sache etwas anders auffaffen. Alfo für einen Studenten
, der fich in der neuteftamentlichen Einleitung
orientiren will, ift das Buch abfolut unbrauchbar. Aber
werden nun etwa dem fchon Orientirten irgendwie
neue Gefichtspunkte, irgendwie neue und haltbare
Beobachtungen und Refultate geboten? Das könnte
man doch nur bei grofser Naivetät oder bei einem
folchen Mafs von Verehrung für den Verftorbenen,
welche das objective Urtheil völlig aufhebt, behaupten
. Der Standpunkt des Verf.'s ift einfach der des
alten Hirg. Wenigftens in der Evangelienfrage ift genau
deffen Auffaffung feltgehalten. Matthäus ift der alterte
Evangelift; auf deffen Schultern ruht Marcus; auf diefem
wieder Lucas. Johannes endlich fetzt alle drei voraus.
Jeder folgende hat es fich angelegen fein laffen, mit den
ihm zu Gebote flehenden Mitteln und unter eigenen Ge-
fichtspunkten das Werk feines Vorgängers umzuarbeiten
(vgl. bef. S. 290 f. 3I9—327- 337 ff.). Das ift für Hofmann
die Quint-Effenz aller Evangelienkritik. Was alfo
feit zwei Menfchenaltern auf diefem Gebiete gearbeitet
worden ift, hat auf ihn fo wenig Eindruck gemacht, dafs
er es in feinen Vorlefungen nicht einmal einer Erwähnung
gefchweige denn Berückfichtigung für werth gehalten
hat' Und nicht viel beffer als bei den Evangelien fleht
es bei der Behandlung der Apoftelgefchichte und der
Apokalypfe. Natürlich bleiben infolge deffen auch die
eigenen Ausführungen H.'s faft aufser allem Contact mit
den neueren Arbeiten; und es ift für den Forfcher eben-
fowenig aus dem Buche etwas zu holen wie für den Anfänger
. Nur in ein er Beziehung ift leider das Buch fchr
lehrreich: es wird nun-vor aller Welt offenbar, wie mangelhaft
orientirt die Studirenden aus diefen Vorlefungen
Hofmann's hervorgingen.

Zur Begründung unferes Urtheils nur noch ein paar
Einzelheiten. Bei der Apoftelgefchichte wird deren
Glaubwürdigkeit in Baufcli und Bogen bewiefen, indem
befonders die Genauigkeit gewiffer Detailangaben hervorgehoben
wird (S. 264;. Dafs aber durch folche Genauigkeit
in Wahrheit nur die ,Wirftücke' fich auszeichnen
, dafs überhaupt der Erzählungscharakter diefer
Stücke total verfchieden ift von dem der übrigen Par-
tieen, bleibt ganz aufser Betracht. Zu einer halbwegs
ernfthaften kritifchen Unterfuchung der Apoftelgefchichte
wird nirgends auch nur ein Anlauf genommen. Die Arbeiten
Schnecken b urger's, Baur's, Zeller's, Overbecks
u. A. werden nirgends berückfichtigt; wie denn
die Namen diefer Forfcher und ihre Werke nicht einmal
erwähnt werden. Bei den fynoptifchen Evangelien
erfährt man kaum etwas davon, dafs über das
Verwandtfchaftsverhältnifs derfelben doch auch noch
eine andere Auffaffung als die des Verf.'s möglich ift,
und dafs um die Ermittelung und IA-ftftellung desfelben
fchon recht viele Gelehrte feit Eichhorn's Zeiten fich
recht eingehend und nicht ganz ohne Frucht bemüht
haben. Die Exiftenz von Büchern wie Holtzmann's
Synoptifchen Evangelien und vielen ähnlichen wird formell
und materiell abfolut ignorirt. In ähnlicher Weife
wird beim Johannesevangelium verfahren. Selbft-
verftändlich wird auch die zeitgefchichtliche Erklärung
der Offenbarung Johannis kurzer Hand abgewiefen.
Sie foll weiter nichts fein als eine ,unerwiefene Voraus-
fetzung' (S. 383). Von den guten, ja unwiderlegbaren
Gründen, auf welche fie fich ftützt, erfährt der Lefer,
refp. Hörer einfach gar nichts. Ueberall alfo flehen
diefe Vorlefungen auf einem Ifolirfchemel, mitteilt deffen
der Verf. fich und feine Zuhörer faft von allen Verbindungen
mit der übrigen Welt abgefchloffen hatte.

Was das Verfahren des Herausgebers anlangt, fo
ift er bei Feftftellung des Textes mit Recht in ähnlich
freier Weife zu Werke gegangen, wie bei Bearbeitung
der Hermeneutik. Dabei fcheint aber S. 285—287 ein
Partus an unrechter Stelle eingefchaltet zu fein. Denn

die betreffende Stelle handelt von dem Verhältnifs des
! Marcus zu Matthäus, während man nach dem Zufammen-
1 hang nur eine Vergleichung von Marcus und Lucas er-
i warten mufs. Auf erfteres kommt die Vorlefung erft

S. 319 ff. zu fprechen. — S. 264 Z. 9 fleht aus Ver-

fehen Curatoren ftatt Procuratoren.

Giefsen. E. Schür er.

Mangold, G, De ecclesia primaeva pro Caesaribus ac Ma-
gistratibus Romanis preces fundente dissertatio. [Uni-
verf.-Programm.] Bonnae 1881. (17 S. 4.)

Der Verf. theilt in der Hauptfache die Betrachtung
der Entftehung der altkatholifchen Kirche, welche

1 Ritfehl angebahnt hat. Aber er findet, dafs in einer
Reihe neuerer Unterfuchungen das judenchriftliche Element
unterfchätzt ift; fo auch in der Abhandlung
Weizfäcker's über die ältefte römifche Chriftenge-
meinde (Jahrbb. f. deutfehe Theologie 1876 S. 248 f.).
Auf diefe Arbeit einzugehen, lag dem Verf. befonders
nahe, da er in feiner Monographie über die ältefte römifche
Gemeinde (1866) zu wefentlich anderen Ergeb-
nifsen gelangt war als Weizfäcker. In vorftehender
Differtation foll nur ein Controverspunkt genau erörtert
werden. Mangold fucht zu zeigen, dafs der Schlufs,
den W. auf Up. Gem. ad Cor. I, 61 für die Deutung von

| Rom. 13, 1—7 (nach W. ift an diefer Stelle nicht an
judenchriftliche Staatsfeindfchaft zu denken) gegründet
hat, hinfällig fei, indem 1) Rom. 13, 1 f. fich unzweifelhaft
gegen Römerfeindliche Judenchriften richte,
2) diefe Erklärung zu Recht beftehe, auch wenn im Clemensbrief
von judenchriftlicher Unbotmäfsigkeit unmittelbar
nichts mehr zu fpüren wäre, 3) gerade die Juden
fchon feit den Zeiten des Jeremias ermahnt worden
feien, für die heidnifche Obrigkeit, unter deren Herrfchaft
fie gerathen, zu beten. So foll fich ergeben, dafs
diejenigen im Irrthume find, welche behaupten, der Ur-
fprung der chriftlichen Sitte des Gebetes für die Obrigkeit
fei ohne Rückficht auf judenchriftliche Beftrebungen
zu erklären.

Die Ausführungen des Verf.'s haben den Ref. nicht
zu überzeugen vermocht. Allerdings ift es wahrfchein-
lich, dafs Paulus Rom. 13, 1 f. einer Beurtheilung der
römifchen Obrigkeit vorbeugen will, zu welcher namentlich
jüdifche oder jüdifch beeinflufste Chriften geneigt
waren. Aber über die Zufammenfetzung der älteften
römifchen Gemeinde läfst fich daraus m. E. nichts
fchliefsen. Denn auch zugeftanden, dafs ro. ih, 4, 5 erft
recht verftändlich werden, wenn man fie gegen Judenchriften
gerichtet fein läfst, fo willen wir doch nicht, in
welcher Zahl diefe vorhanden waren und ob nicht chri-
| ftianifirte jüdifche Profelyten diefelbe Mahnung nöthig
hatten. Noch weniger aber erfcheint mir gefiebert, was
M. durch Vergleichung des Gebetes für die Obrigkeit
im Clemensbrief und fonft in der nachapoftolifchen Literatur
mit Rom. 13, 1 f. einerfeits, mit den Vota der
Arvalbrüder andererfeits erreicht zu haben meint.
Hier foll fich ergeben, dafs gerade das Eigenthümlichfte-
des Gebetes im Clemensbrief nur auf die Mahnung Rom
13 zurückgehen könne, und dafs fomit das liturgifche
Gemcindegcbet zu Rom zur Zeit Domitian's im Gegen-
fatz zu judenchriftlicher Staatsfeindfchaft gefchaffen fei
{Jtaque Judaeo-Christianorum sueta contra rempublicam
Romanam contumacia has preces creavit). Zum Bewerte
hierfür wird unter anderem auch auf den nach Rom z. Z.
Domitian's gerichteten Hebräerbrief verwiefen, der da
zeige, dafs damals noch ein gröfserer Beftandtheil der
römifchen Gemeinde judenchriftlich gewefen fei. Allein
abgefehen davon, dafs die judenchriftliche Adreffe des
Hebräerbriefes keineswegs für ficher gelten darf, fo hat
der Verf. nicht bewiefen, dafs der Gedanke, die Obrigkeit
ift von Gott, flets antithetifch und fomit antijüdifch
erklärt werden müffe. Griechen wie Römern war die