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Ausgabe:

1881

Spalte:

492-496

Autor/Hrsg.:

Lucius, P. E.

Titel/Untertitel:

Der Essenismus in seinem Verhältniss zum Judenthum. Eine kritische Untersuchung 1881

Rezensent:

Schürer, Emil

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eine jedenfalls bcachtenswerthe Conjectur. Dagegen
möchte ich Cp. 14, 16 die befriedigende Lesart der LXX
im zweiten Gliede keineswegs aufgeben, um mit St., der
fich auf die fyrifche Ueberfetzung beruft, die Negation
im erften Gliede zu ergänzen. Zu feiner Ueberfetzung
von Cp. 30, 24:

,Zwar dem, der fich vergriff, hilft feine Bitte wenig,
verachtet wird fein Flehn, wenn er im Unglück ift'

hat St., ohne eine Textänderung anzudeuten, bemerkt,
er glaube diefe Uebertragung exegetifch rechtfertigen
zu können. Vielleicht gefällt es dem ehrwürdigen Ver-
faffer, fich in einer wiffenfehaftlichen Zeitfchrift über eine
Reihe von Stellen, an welchen er von der üblichen Auslegung
abweicht, noch näher auszufprechen. Da es der
Raum nicht geftattet, hier weiter auf einzelne Stellen
einzugehen, lo fei mir noch die Bemerkung vergönnt,
dafs die Ueberfetzung trotz der übrigens mit grofsem
Gefchick gehandhabten rhythmifchen Form im Ganzen
recht lesbar und treu (vgl. z. B. Cp. 17, 12) ift. Pro-
faifcher und holperiger Ausdruck kommt verhältnifsmäfsig
feiten vor (vgl. Cp. 8, 17''; 10, 20; 30, 17); öfter mufs j
ich die Richtigkeit des Sinnes in Abrede ftellen. Ungewöhnliches
Deutfch, z. B. ,innert' (S. 10) und die
Mehrzahlsform „Häffer" (S. 16), finde ich nur in ver- I
einzelten Fällen, wo zum Theil Druckfehler, deren Zahl
kleiner hätte fein können (S, 3 lies: bewährte ft. berührte
, S. 15 retteteft ft. redeteft; vgl. S. 195. 196. 197 etc.
etc.), vorliegen mögen. Dahin gehört wahrfcheinlich auch
Cp. 19,25: ,nach mir wird ob den Staub er ftehn'; j
übrigens hat der Verf. diefe berühmtefte Stelle des B. !
Hiob (zu Vss. 26. 27 vergleicht er Byron's Pilgerf. III,
Str. LXXIV) wohl gründlich mifsverfianden (vgl. S. 81, j
197 ff.), was bei feiner Verwerfung des Epilogs nicht zu I
verwundern ift.

Das führt mich fchliefslich auf den fchwachen Punkt
des Buches, in welchem der Verf. freilich feine Stärke |
erblickt. Wiederholt (S. V und 19) verweift uns St. auf 1
feine 1875 u. 1877 in den Jahrbb. für proteft. Theol.
veröffentlichten kritifchen Anflehten über Entftehung und
Compofition des B. Hiob und glaubt diefelben jetzt, indem
er ,eine von allen bisherigen Ueberfctzungen abweichende
Anordnung des Stoffs der Dichtung' giebt,
thatfächlich zu begründen und zu rechtfertigen. Natürlich
bringt St. in feinen Ausführungen über die einzelnen
Reden (vgl. z. B. S. 48 f.) manches Gute; aber ich glaube
nicht, dafs es ihm gelungen ift, fein weites Hinausgehen 1
über die befcheidenen Grenzen, innerhalb welcher noch ,
neuere Forfcher die Notwendigkeit einer Unterfcheidung j
zwifchen älteren und jüngeren Beftandtheilen behaupten, I
mit genügenden Gründen zu ftützen. Erinnern mich fchon
die textkritifchen Umftellungen unferes Verf.'s zuweilen
an das Verfahren des Ritters Michaelis in Spr. 26, 3 (vgl.
A. J. Arnoldi, Zur Exegetik und Kritik des A. T. Frankfurt
u. Leipzig 1781, S. 165 ff.), fo flöfsen mir feine '
Operationen auf dem Gebiet der höheren Kritik, die Umftellungen
grofser Abfchnitte und ihre Vertheilung an
eine Reihe verfchiedener Verfaffer noch viel mehr das
Bedenken ein, dafs hier in Folge irriger Exegefe I
eine ftarke Selbfttäufchung und ein in wiffenfchaftlicher
Hinficht fehr beklagenswerther Rückfehritt vorliegt. Zur
Erläuterung feiner Anordnung des Stoffs fagt St. (S. V),
das Buch Hiob zerfalle ihm ,in zwei grofse Hälften, in |
deren erfter das Problem des Widerfpruchs zwifchen
der Lehre einer gerechten Weltregierung und der in
Hiobs Schickfal und Leiden veranfehaulichten Erfahrung
des wirklichen Lebens theils aufgehellt, theils die traditionelle
Löfung desfelbcn zurückgewiefen und widerlegt !
wird, und eine zweite, in welcher die anderweitigen
Löfungsverfuche von einem Redactor mit der erfteren ;
zu einer grofsartigen Theodicee verbunden werden. Der
Prolog, der das Ganze einleitet und in die Form einer J
gefchichtlichen Erzählung gebracht hat, nimmt jetzt
nebft dem Epilog, als von der Hand des Redactors her- |

rührend, die letzte Stelle ein'. Dazu füge ich noch
folgenden zufammenfaffenden Ausfpruch (S. 188f.): ,Der
Plan, der dem Buche in feiner gegenwärtigen Geftalt zu
Grunde liegt, ift das Werfe eines Redactors, welcher die
Hauptfchrift der Reden Hiob's zu erbaulichen Zwecken
mit jenen älteren und jüngeren Verfuchen einer Löfung
des dort aufgehellten Problems verbunden und dadurch
ihrer urfprünglichen polemifchen Behimmung entfremdet
hat'. Dem Widerhreben der Fachgenoffen gegenüber
wendet fich der Verf. an die gebildeten Laien. Wenn
ich nun meine Anficht dahin ausfpreche, dafs St. eben-
fowenig mit feiner Zerftücklungshypothefe durchdringen
wird, als dies früher Ed. Ifid. Magnus (Comm. zu Hiob.
1. Buch. Halle 1851) gelungen ih, fo fetze ich freilich
nur Ueberzeugung gegen Üeberzeugung, da ich auf die
Ausführung einer Widerlegung verzichten mufs, welche
leicht denfelben Raum erfordern würde, den die oft
genug nur andeutenden Auseinanderfetzungen St.'s einnehmen
. Zu meiner Rechtfertigung will ich aber doch
wenighens Ein Beifpiel der genannten irrigen Exegefe
mittheilcn, den Elihu betreffend, deffen Reden ja bekanntlich
von vielen angefehenen Forfchern, welche die
Bezeichnung des Elihu mit dem Namen eines felbft-
gefälligen Schwätzers als völlig veraltet anfehen, dem
Dichter des urfprünglichen Buches abgefprochen werden.
Wir lefen S. 146 wörtlich: ,Hiob möge fich alfo auf
neue Argumente gefafst machen, die er gegen ihn in's
Feld führen wird — als handle es fich in diefen tiefern-
ften, die hciligften Intereffen der Menfchheit, und zwar
der leidenden Menfchheit, in Frage Hellenden Reden
Hiob's nur um einen gewöhnlichen Schulftreit und red-
nerifchen Wettkampf, wo dem gewandteften Dialektiker
und mundfertigften- Redner der Sieg über feine Opponenten
zu Theil wird'.

' Bonn. Adolf Kamphaufen.

Lucius, Privatdoc. P. E., Der Essenismus in seinem Ver-
hältniss zum Judenthum. Eine kritifche Unterfuchung.
Strafsburg 1881, Schmidt. (132 S. gr. 8.) M. 3. —

Die treffliche Monographie von Lucius über die
Therapeuten ift von uns in diefen Blättern Jahrg. 1880
Nr. 5 befprochen worden. Ihr ftellt fich nun eine ähnliche
über die Effener an die Seite, welche mit jener
die Vorzüge vollftändiger Stoffbeherrfchung, felbftän-
diger Auffaffung, methodifcher Forfchung und gewandter
Darfteilung gemein hat. In der Sache felbft fcheint uns
der Verf. jedoch diesmal nicht ebenfo glücklich gewefen
zu fein, wie das vorigemal. Seine Auffaffung vom Ur-
fprung und Wefen des Effenismus ift in der Hauptfache
folgende. Er theilt mit einer Anzahl neuerer Forfcher
die Anficht, dafs der Effenismus als eine reinjüdifche
Erfcheinung zu betrachten fei, zu deren Erklärung es
nicht der Annahme fremder, etwa neupythagoreifcher
pJinflüffe bedürfe. Die Effener feien von Haufe aus
nichts anderes als die ftreng gefetzlich Gefinnten, die
,Frommen', wie denn auch ihr Name (von chasc=chasid)
nichts anderes befage (S. 89 f.). Speciell feien fie für
identifch zu halten mit den im 1. Makkabäerbuche (2,
42. 7, 13) erwähnten Afidäern. Diefe Afidäer feien
nämlich, wie der Verf. im Anfchlufs namentlich an Wellhaufen
mit Recht ausführt, nicht identifch mit der makka-
bäifchen Partei, fondern von ihr zu unterfcheiden als
ein engerer Kreis folcher, die fpeeififeh religiöfe Intereffen
verfolgten und nur zeitweilig der makkabäifchen
Partei fich angefchloffen hatten (S. 91 f.). Eben dadurch
nun, dafs diefe von dem nach ihrer Anficht
illegitim gewordenen Tempelcultus fich los-
fagten, fei der Effenismus entftanden. Und zwar
auf folgende Weife:

1) Die Veranlaffung zur Losfagung liege in den
I Makk. 7 erzählten Ereignifsen. Nachdem nämlich im
Anfang der makkabäifchen Erhebung die Afidäer mit