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1881 Nr. 20

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479

Titel/Untertitel:

Die Hauptwiderstände gegen den Grundtext der heil. Schrift in den 2 protestantischen Bekenntnisschriften Augsburgische Confession und Apologie, nachgewiesen von einem Theologen 1881

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

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479

Theologifche Literaturzeitung. 1881. Nr. 20.

480

finden, um das falfche Citat aus der Stiftungsurkunde
der Akademie, S. 290, das vorläufig räthfelhaft bleibt, zu
erklären.

Tübingen. C. Weizfäcker.

Die Hauptwidersprüche gegen den Grundtext der heil. Schrift
in den 2 protestantischen Bekenntnisschriften Augsburgische
Confession und Apologie, nachgewiefen von einem Theologen
. Hannover 1881, Helwing's Verl. (40 S. 12.)
M. —. 50.

Ein fachlich werthlofes Schriftchen. Intereffe erweckt
nur etwa die Frage, von welcher Confeffion wohl
der ,Theolog', der es verfafst haben will, fein möchte.
Scheint es zunächft nach Inhalt und Form indicirt auf
einen Katholiken zu rathen, fo überwiegen doch fchliefs-
lich die Merkmale eines Proteftanten. Ift Verf. wirklich
ein Protefbant, fo dürfte er feine Bildung noch in der
Zeit des Rationalismus empfangen haben. niaxig recht
verftanden = Treue.

Giefsen. F. Kattenbufch.

Jellinghaus, Paft. Thdr., Das völlige gegenwärtige Heil
durch Christum. 2 Bde. Berlin 1880 u. 81, Prochnow
jun. (XII, 264 u. VI, 295 S. gr. 8.) ä M. 3. —

Wir haben in diefem zweibändigen Werk eine dog-
matifche und exegetifche Begründung der Pearfall-
Smith'fchen Heiligungsbewegung vor uns. Der Verf.,
früher Miffionar, jetzt Paftor, war f. Z. durch Pearfall
Smith auf das tieffte angeregt worden und nun hat er
mit grofsem Fleifs und warmer Begeifterung, unter Benutzung
eines reichen Materials die Früchte mehrjährigen
Nachdenkens darüber dargelegt. Allerdings macht das
Beftreben, das gelehrte Material zu popularifiren, die Leetüre
für theologifch Gebildete oft ermüdend, während es doch
kaum gelungen ift, z. B. Nichtkennern des Griechifchen
die aus griechifchen Wort- und Sprachformen hergenommenen
Argumente verftändlich zu machen, fo breit
auch darüber geredet wird.

In einer zu Brighton gehaltenen Rede des jüngeren
Monod las Ref. einmal, der ganze Inhalt der P. S.'fchen
Predigt laffe fich zufammenfaffen in a song, very shorl
indeed: thou now. Das erfte Wort thou könnte man
über den erften Band der Jellinghaus'fchen Schrift fetzen:
,Rechtfertiguug allein durch Chriftum', das zweite now
über den zweiten Band: Heiligung allein durch Chriftum.
Der erfte Band betont mit Entfchiedenheit den refor-
matorifchen Grund der Rechtfertigung, deffen man fich
nur mit gröfserer Freudigkeit und lebendigerer perfön-
licher Beziehung zum Heiland bewufst werden müffe.
•Ueber manches in diefem Bande könnte man mit dem
Verf. rechten, wie über feine Anfchauung von der Kin- I
dertaufe, der Bekehrung, der Wiedergeburt, allein der
Schwerpunkt ift unverkennbar in den zweiten Band gelegt
. ' In drei Punkten fpricht fich, fo will es fcheinen,
das Specififche der Heiligungslehre aus. a) Ziel des
Werkes Chrifti ift nicht nur die Erlöfung, fondern die
Heiligung durch fein Blut. — Man wird zugeben, dafs |
nach dem Entwickelungsgang Luther's und dem Gegen-
fatz gegen die römifche Kirche die Sündenvergebung i
vielfach auf Kotten der Heiligung betont wird, allein
dafs das andere nicht fehlt, ift fchon aus der Erklärung :
des zweiten Artikels im Katechismus erfichtlich. Auch 1
das ift richtig, dafs wenn man die Heiligung nur als
Werk der Dankbarkeit für das empfangene Heil anfleht,
diefelbe nur als ein Appendix des Heils erfcheint, ob- |
fchon man neuerdings felbft von philofophifcher Seite
die ganze Ethik auf die Dankbarkeit hat gründen wollen. I
Allein warum immer Heiligung durch fein Blut? Nach
manchen Schriftftellern müfste man denken, dafs das I
N. T. auf jeder Seite von dem rede, was das Blut

Chrifti gethan. Allein wenn felbft die concrete Sprache
der Schrift nur hier und da für die durch den Tod
Chrifti vermittelte Heiligung diefe Metonymie anwendet,
fo ift es gewifs nicht fchriftgemäfs, zumal in der ab-
ftracteren Sprache theologifcher Erörterungen, diefen
Ausdruck fo einfeitig vor andern zu bevorzugen. Aehn-
lich ift es mit Gleichnifsen, wie dem von Bräutigam und
Braut, welches überdies von dem Verhältnifs Chrifto zu
feiner Gemeinde ohne weiteres auf fein Verhältnifs zur
einzelnen Seele übertragen wird. Unter dem Bilde der
Verlobung nämlich wird b) die Aneignung diefer Heiligung
im Glauben dargeftellt, durch einen Act der
Dahingabe an den Herrn, verfchieden von der erften,
welche nur die Rechtfertigung, die Verfetzung in den
Gnadenftand zur Folge hatte. In treffender Weife wird
die heiligende Kraft des Glaubens gefchildert, nur dafs
dies kein anderer Glaube ift, als der rechtfertigende,
nur eine andere Seite feiner Wirkung. Vollends einen
einmaligen Act der Dahingabe, ein buchftäbliches now
zu verlangen und das Beifpiel Terfteegen's, der eine Urkunde
über feine Dahingabe an den Herrn aufgefetzt
hat, als allgemein muftergültig hinzuftellen, ift doch eine
fehr bedenkliche Veräufscrlichung und Methodifirung des
Glaubenslebens. Subjectiv führt diefelbe zu einem
Raufch momentaner Erhebung, dem nur zu leicht die
Wachfamkeit abhanden kommt, objectiv weift fle, will
es uns dünken, da doch auch diefer Act nach einem
befonderen Gnadenzeichen ftrebt, als Complemcnt auf
das irvingianifche Sacrament der Verriegelung hin. Die
durch den Glauben an Chrifti Blut fich vollziehende
Heiligung nun ift c) eine völlige, fo dafs der Chrift von
bewufster Sünde, und diefe ift allein eigentliche Sünde,
frei werden kann und thatfächlich frei wird. Auf das
fchärffte werden Ausdrücke, wie ,täglich reichlich und
viel fündigen' im Katechismus und ähnliche in Kirchenliedern
vcrurtheilt. Darum bediene fich die Schrift bei
Mahnungen zur Bufse und Lebenserneuerung nicht des
Imper. Praes., welches ein fortdauerndes bezeichnen
würde, fondern des Imper. Aor., wodurch die geforderte
Handlung als einmalige und dann abgefchloffene bezeichnet
werde (vgl. z. B. s^sltrazs, «r/iopi'oftr/re 2 Cor.
6, 17, ebenfo in andern Modis ano&eofrai Eph. 4, 22,
weiter änoHtfievoi, auch ioravQwoav Gal. 5» 24). Allein
abgefehen davon, dafs die Stellen, den Laien zu gefallen
, allemal als Perfecta überfetzt werden, und das
deutfehe Perfectum irreführend an das griechifche erinnert
, ift es nicht pfychologifch erklärlich, dafs bei
energifchen Geboten auf die einmalige, fofort zu leiftende
Handlung gedrungen wird, ohne Rückficht darauf, ob
diefe eine andauernde, fich wiederholende ift. Oder will
XTjQvgare Marc. 16, 15 eine einmalige Predigt, will das
<pvlä§are I Joh. 5, 21 ein einmaliges Sichhüten? Allerdings
darf das Bewufstfein unferer Schwachheit die
Energie chriftlicher Entfcheidung nicht beugen, aber das
ift eben die Antinomie, unter der auch das Chriften-
thum in diefem Lande der Unvollkommenheit und des
Werdens leidet, dafs innerer und äufserer Menfch, das
Princip und deffen Ausprägung fich nicht decken. Auch
Rom. 7 ift ein Ausdruck davon, denn mit nichts ift angedeutet
, dafs das dort Erzählte nur einen vorübergehenden
Zuftand während der Gal. 1 erwähnten drei Jahre
bezeichne, wie Verf. meint. Unleugbar ift z. B. in manchem
Liede das Sündenbewufstfein zu einfeitig betont,
aber nicht minder ruft das überfpannte Fleiligungsbe-
wufstfein, wenn es nicht zum bedenklichften Hochmuth
umfchlagen foll, theoretifch und praktifch bei feinen
Vertretern felbft eine Reaction hervor, theoretifch in
Conceffionen der Schwäche und Unvollkommenheit, wie
fie auch Verf. der fündigen Wirklichkeit macht, praktifch
in Vorgängen, wie die, welche zu der Pearfall Smith'-
fchenKataftrophe führten. Wir glauben gern, dafs eigentliche
Vergehungen desfelben nicht vorgelegen haben.
Aber je geringfügiger die äufsere Veranlaffung war, um