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Ausgabe:

1881 Nr. 2

Spalte:

28-31

Autor/Hrsg.:

Delisle, Léopold

Titel/Untertitel:

Mélanges de Paléographie et de Bibliographie 1881

Rezensent:

Gebhardt, Oscar

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Theologifche Literaturzeitung. 1881. Nr. 2.

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zu erkennen. Wie Jahwe überhaupt feine einzelnen Handlungen
vollziehen läfst durch feine himmlifchen Diener,
fo hat er unter denfelben einen, welcher die fpecielle
Aufgabe hat, den Menfchen Gottes Strafen zu vermitteln
. Weil die Strafe überall die Sünde zur Voraus-
fetzung hat, fo ift es deshalb diefer Diener (als der die
Menfchen fchädigende ,der Feind' genannt), welcher auf
die Sünden der Menfchen vor Gott aufmerkfam macht.
So thut er es Hio. c. 1 und 2 und Sach. c. 3. Es ift hier
aber nicht beiderblofsen Verfelbftändigung einer göttlichen
Wirkfamkeit geblieben, fondern der Satan geht, indem
er diefe Wirkfamkeit einfeitig vertritt, feine eigenen Wege.
,Er überfchreitet die ihm von Gott gefetzte Schranke
und ift auf dem Wege, dem göttlichen Willen zu wider-
ftreben und demgemäfs von diefem . . . getadelt und
zurückgewiefen zu werden' (S. 73). Weshalb der Verf.
nicht zugeben will, dafs der Satan Sach. c. 3 als Ankläger
des Hohenpriefters, des Vertreters Israels, erfcheint
(S. 80 f.), fehe ich nicht ein, da feine Ausfage, der Satan
trete hier auf, ,um darauf hinzuweifen, dafs es (Israel)
doch eigentlich Strafe und keinen Segen verdient', doch
ungefähr auf dasfelbe hinauskommt. Infofern fcheint mir
allerdings die Satansvorftellung bei Sacharja um etwas
entwickelter als im B. Hiob. Mit Recht findet De Viffer
dagegen einen Fortfehritt I Chr. 21, 1: ,Trachtete er
(der Satan) früher darnach, durch äufsere Mittel ihn (den
Menfchen) der Segnungen Gottes zu berauben und feiner
Liebe zu entfremden, fo thut er dies jetzt auch auf innerliche
Weife, indem er fein Herz in eine verkehrte Richtung
bringt' (S. 82). So kommt es fchjiefslich dahin, dafs
der anfängliche Diener Gottes ,fich losmacht von dem
Gehorfam, felbftändig in feiner Einfeitigkeit auftritt und
fo durch die Macht, welche er einmal befitzt, für Gott
fowohl als für die Menfchen ein grofses Hemmnifs wird'
'S. 87). Dafs der Verf. eine eranifche fowohl als eine
ägyptifche Grundlage der Satansvorftellung abweift (S.
73 ff.), ift zu loben. — In einem dritten Theile werden
,die unreinen Geifter' befprochen (S. 88—103), nämlich
Se'irim, Azazel, Lilith, Aluqa und Schedim. Es find darin
Vorftellungen alten Volksglaubens zu erkennen, an
welchen auchprophetifche Männer feilhielten, keinen Wider-
ftreit mit der Jahwereligion darin erkennend, fo lange
nur Jahwe's Allmacht und fein ausfchliefsliches Recht auf
Verehrung dadurch nicht angetaftet wurde. Später werden
aus diefen Wefen Diener des Satans. Auf des Verf.'s Erklärung
des Azazel einzugehen (S. 90 ff.), welche die von
Dieftel und dem Ref. vorgetragene Deutung bekämpft,
würde zu weit führen. Ich bin mir felbft bewufst, auf
wie fchwachen Füfsen meine Deutung als urfprünglicher
Gottesname fteht, mufs dies aber ebenfo von allen anderen
Erklärungen finden. — Speciell gegen den Ref. ift gerichtet
der Inhalt von Abfchnitt IV: ,Die Schlange in
Genefis 3' (S. 104—164). Die vorausgefchickte Exegefc
von Gen. c. 3 ift überhaupt ziemlich überflüffig, und in
der an diefem Orte gänzlich unftatthaften Einfügung von
Dingen, welche zwar Gen. c. 3 vorkommen, aber mit
der Dämonologie gar nichts zu thun haben, verräth fich
mehr als fonft in der im Allgemeinen durchaus metho-
difchen Anlage diefer Schrift der Anfänger, z. B. S. 117:
,r:rD hemdartiges Kleid mit Aermeln, bis an die Kniee
reichend und auf blofsem Leibe getragen (Hölemann)'.
Die Bemerkung an fich war überflüffig, noch mehr das
Citat. Hiervon abgefehen, ift des Verf.'s Befürwortung
einer alten Anfchauung gefchickt und beachtenswert!!.
Er meint, dafs es dem Ref. nicht gelungen fei, die Anfchauung
von der Schlange Gen. c. 3 dem Zufammen-
hang femitifcher Vorftellungen einzugliedern, dafs hier
vielmehr eine Entlehnung aus dem Parfismus vorliege.
Hinfichtlich des Referates meiner Darftellung mufs ich
nur dagegen Verwahrung einlegen, dafs aus dem Zu-
fammenhang S. 124 hervorzugehen fcheint, als hätte ich
den Schlangennamen a5rj; abgeleitet von ein: ,zaubern'.
Natürlich kann nur das umgekehrte Verhältnifs in Be-

I tracht kommen, ob er: verb. denominat. von dr: fei
(Studien I, 281. 287). Die Annahme, dafs in der Schlange
der Paradiefesgefchichte ein fremdes Element zu erkennen
fei, empfiehlt fich dem Verf., abgefehen von dem Mangel
1 einer Analogie im Semitismus, namentlich dadurch, dafs
j der Schlange kein Platz angewiefen wird in der alttefta-
mentl. Dämonologie, dafs fie auch im A. T. ganz vereinzelt
dafteht. ,Dafs der Erzähler zur Darftellung . . . der
Verführung des Menfchen zu folchen Dingen, von welchen
feine Hand fern bleiben follte und zu welchen er als
ein reines Gefchöpf aus fich felbft nicht verführt werden
konnte, ein fremdes Element zu Hilfe rufen mufste,
I erklärt fich einfach daraus, dafs er jenen Gedanken in
j dem religiöfen Vorftellungskreife des eigenen Volkes
nirgends ausgedrückt fand. Gott felbft kann nicht derjenige
fein, welcher den Menfchen zur Uebertretung ver-
anlafste; die Satanlehre war noch nicht entwickelt —
und doch war hier vor allem der Ort, wo man der Annahme
eines böfen Einfluffes zu bedürfen fchien; weshalb
konnte dazu nicht . . . der perfifche Dahaka ver-
werthet werden?' (S. 158). Mit der theologifchen Beur-
theilung von Gen. c. 3 durch den Verf. durchaus ein-
verftanden, mufs ich mich hinfichtlich der ,mythologifchen'
Einkleidung und ihrer Entftehung hier mit der Verweifung
darauf begnügen, dafs auch ich eine wirklich entfprechende
Darftellung auf femitifchem Gebiete nicht habe entdecken
können, vielleicht aber doch Anknüpfungspunkte.

Dafs die Differtation, die ich mit vielem Intereffc
gelefen habe, im Druck hebräifcher und deutfeher Wörter
nicht immer correct ift, fei nur erwähnt.

Strafsburg i. E. Wolf Baudiffin.

Delisle, Dir. Leopold, Melanges de Paleographie et de

Bibliographie. Paris 1880, Champion. (Text IX, 505 S.,
1 Bl. 8.; Atlas 2 Bl, 7 Taf. fol.) M. 12. —

Je ungeeigneter der vorftehende Titel erfcheint, die
Aufmerkfamkeit der Theologen auf fich zu lenken, defto
weniger darf diefe neuefte Publication des um die Bücher-
und Handfchriftcnkunde hochverdienten Directors der
Nationalbibliothek zu Paris in einer theologifchen Literaturzeitung
mit Stillfchweigen übergangen werden. Denn
fo augenfeheinlich es ift, dafs dem Verf. bei feinen
Unterfuchungen und Mittheilungen überall das paläo-
graphifche und bibliographifche Intereffc ohne Rückficht
auf das fpeciell theologifche leitend und mafsgebend
war, fo kommt doch der Ertrag in der That zum weitaus
gröfsten Theil mehr oder weniger direct der theologifchen
, vornehmlich der biblifchen Wiffenfchaft zu
gute. Der Inhalt der 15 hier zu einem ffattlichen Bande
vereinigten Stücke ift aber ein fo mannigfaltiger, dafs
das Referat auf erfchöpfende Vollftändigkeit von vornherein
verzichten mufs. Es wird fich in den meiften
Fällen darauf befchränken, den Gegenftand, um den es
fich handelt, kurz anzudeuten, um nur hier und da auf
Einzelnes befonders aufmerkfam zu machen. Von einer
Kritik kann ohnehin nicht die Rede fein; die Virtuofität
des Verfaffers in der Behandlung derartiger Stoffe ift
aus feinen zahlreichen früheren Publicationen hinlänglich
bekannt und anerkannt.

L Le Pentateuque de Lyon en lettres oncialcs (S. I—10).
Ein kurzer Bericht, welchen der Verfaffer am 23. üctober
1878 der Academie des Inscriptions erftattete. Er erfchien
zuerft, und zwar in etwas erweiterter Geftalt, in der
Bibliotldque de Lecole des cliartes 1878 S. 421—431. Nachdem
fchon Fleck (Wiffenfchaftliche Reife Band IL Abth.3.
Leipzig 1837 S. 205 f.) eine Textprobe des Lyoner Pen-
tateuchs veröffentlicht hatte, war es Delisle vorbehalten,
den unfehätzbaren Werth diefes dem fechften Jahrhundert
angehörigen Itala-Codex in feinem ganzen Umfange zu
erkennen und die Aufmerkfamkeit aufs neue darauf zu
lenken. Er wies nach, dafs die durch Libri in den Be-