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Ausgabe:

1881

Spalte:

417-421

Autor/Hrsg.:

Holsten, C.

Titel/Untertitel:

Das Evangelium des Paulus dargestellt. Teil I 1881

Rezensent:

Weiffenbach, Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack und D. E. Schürer, Proff. zu Giefsen.

Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J- C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

N°- 18.

27. Auguft 1881.

6. Jahrgang.

Molden, Das Evangelium des Paulus (Schlufs)

(Weiflenbach).
Feiice, Etüde sur l'Octavius de Minucius Felix

(K. J. Neumann).
Grofs, Die Beweistheorie im kanonifchen Procefs

(Köhler).

Glaubrecht, Bibel und Naturwiffenfchaft
(Thönes).

Pfleiderer, Eudämonismus und Egoismus (Härtung
).

Lemme, Die Nächftenliebe (Wendt).
Rudolph, Die Stellung der Schule zu dem

Kampfezwifchen Glauben u.Wiffen (K. Strack).
Beck, Die innere Miffion In Bayern (Lehmann).
Verhandlungen des XXI. Congreffes für innere

Miffion (Lehmann).

Leyrer, Die chriftliche Kleinkinderpflege (Lehmann
).

Wichern, Das Rauhe Haus (Lehmann).
Wichern, Der Dienft der Frauen in der Kirche
(Lehmann).

Faftenrath, Luther im Spiegel fpanifcher Poefie
(O. Harnack).

Holsten, (_., Das Evangelium des Paulus dargestellt. Teil
I. Die äufsere cntwicklungsgcfchichte des paulinifchen
evangeliums. Abteilung I. Der brief an die gemeinden
Galatiens und der erfte brief an die gemeinde
in Korinth. Berlin 1880, G. Reimer. (XX, 498 S. gr. 8.)
M. 8. —

(Schlufs.)

Den erften Korinthcr-Brief behandelt Holften
von p. 183—498 ebenfalls in Einleitung (183—254), Auslegung
(255—451) und Anmerkungen (452—498). Auch
hier werden die ifagogifchen Fragen mit gewohnter Tüchtigkeit
und meift richtig erörtert. Der Verf. zeigt, wie
die auf der 2. Miffionsreife (a. 53, 54) gegründete und
anfangs rein (?) heidnifche, fpäter aus heidnifchen und
jüdifchen Gläubigen gemifchte (p. 191) korinthifche Gemeinde
bald von ihrer ,erften Liebe' abfiel und .ungefär
vier jare nach ihrer gründung' fich darftellte als ,zer-
fpalten in den formen ihres bewufstfeins, unrein in
den geftaltungen ihres lebens' (p. I91). Diefe fchlimtnen
Verhältnifse der Korinthergemeinde und die dadurch be-
ftimmten eigenthümlichcn Beziehungen des P. zu jener
fowie endlich ein dem P. von 3 Gemeindedelegirten
(1 Kor. 16, 17, cf. I Kor. 5, 9) nach Ephefus übcrbrach-
ter Brief der korinth. Gemeinde wurden die Veranlaff-
ung zu ,unferem erften erhaltenen briefe', der (ca.
üftern 58 aus Ephefus gefchriebenen, cf. p. 254) Antwort
auf jenes Gemeindefchreiben. Zwifchen der Gemeinde-
ftiftung einer- und dem Gemeindefchreiben nebft baldiger
apoftolifcher Antwort darauf (= I Kor.-ßr.) andererseits
liegen nun aber nach Ho. eine zweite perfön-
liche Anwefenheit des P. in Korinth und ein verlorengegangener
früherer Brief des Apoftels an die Gemeinde
[cf. 1 Kor. 5, 9). So ficher das letztere, fo be-
ftritten oder in dubio gelaffen bis heute ift das erftere
Datum. Was fich indeffen für dasfelbe fagen läfst, hat
der Verf. (p. 187—190) in fcharffinniger Beweisführung
und z. Th. mit fchlagenden Gründen gegenüber Holtz-

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trauervolle ,zweite Anwefenheit' durch die gewonnene
uvän cxvoig x. nv.s nicht aber — völliges Still-
fchweigen über den 2. Befuch die logifche und pfy-
chologifche Confequenz jener geiftigen Metamor-
phofe. Die Löfung des Räthsels liegt u. E. darin, dafs
der zweite Befuch zii Kor. (trotz II Kor. 1, 23: ovxixt)
mit Ewald zwifchen den ihm ungünftigen I und den ihn
geradezu poflulirenden II Brief verlegt wird. — Recht gut
ift im Weiteren die Charakteriftik der religiöfen Spaltungen
zu Kor. (p. 192 — 235); befonders auf die ,chri-
ftushörigen' (01 xnv Xgtoxov), die auf Grund einer eindringenden
Unterfuchung von II Kor. 10—12 u. a. St.
des I und II Briefes richtig als aus der Fremde gekommene
fanatifch-judaiftifche Eindringlinge und
Beftreiter des Apoftelrechtes wie der Chriftuszugehörig-
keit Pauli erwiefen werden, fällt das hellfte Licht. Nur
in zwei Punkten vermag Ref. hier nicht mit Ho. zu
gehen, einmal in der Qualification diefer .chriftushörigen'
als ,Apoftel Chrifti' (sensu latiori) d. i. als Solcher, die
— als einfüge Autopten und Schüler Jefu — zwar
,aufserhalb der Scödnta und doch innerhalb eines juden-
chriftlich anerkannten apoftelkreifes ftanden' (p. 226), und
fodann in der Befchreibung des Verhältnifses diefer Ju-
daiften zu den Säulen-Apofteln (befonders Jakobus) als
zu ihren legitimirenden Infpiratoren. Letztere Anficht
mufsten wir fchon früher als unbegründet zurückweifen,
die Apoftel fch aft der .Chriftushörigen' aber müffen
wir nicht minder als eine exegetifche Fata niorgana ablehnen
. Denn nirgends nennt P. die Chriftiner .Apoftel
Chrifti', fondern er fagt (II Kor. 11, 13) nur, dafs
dergleichen Leute (xotovxoi), eben die Chriftiner, fich
umformten (ueraoxißinri'CöuEvoi) zu Chriftus-Apofteln,
die Maske folcher annähmen, in der That aber ,ü'tv8-
a;inacolm d. i. nach jeder unbefangenen Exegefe:
falfche, unechte, keine wahren Apoftel (nicht aber
blos: ,des apoftelrechtes unwürdige', fo Ho. p. 204.222
u. ö.) feien. In II Kor. H, 5 und 12, II aber ift es gerade
umgekehrt (gg. Holft. p. 221 f. 204. 216. 315) nicht

m a n n

HiTgcnfcld u. A. geltend gemacht. Aber die 1 biosein »machtfpruch der Willkür' fondern auch (fprach-

lieh wie logifch betrachtet) unüberlegt, die ßfttplL..
ihrnaxoloi' mit den als .Diener des Satan' qualin
cirten falfchen Apofteln (II, 15) oder mit den die trü-
gerifche Maske von Chriftusapofteln Tragenden
(11, 13) identificiren zu wollen. Mit .Satansdienern'
hätte P. einen Wettlauf eingehen und ausrufen können:
Ich rechne, in Nichts (!!) hinter den übergrofsen Apofteln
= Falfchapofteln = Satansdienern zurückgeblieben
zu fein (uoiegnitivm!!), alfo: in Allem mit
ihnen gleichen Schritt gehalten zu haben! Ebenfo
verkehrt ift es aber, auf II Kor. 10, 7 die Thefe zu bahren
, es handle fich bei dem von den Judaiften präten-

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Achillcsferfc diefer Anficht oder den Umftand, dafs ein
Befuch, der (laut 2 Kor. 2, Ij 12, 20 f.I ,in Trauer' fich
vollzogen und jedenfalls ,zu ernften Verwicklungen
geführt' hatte (Holtzm., Zeitfchr. f. wiff. Theol. 1879,
P- 477), in dem und nur in dem 1 Kor.-Br. mit verblüffendem
Stillfchweigen übergangen wird, hat doch
auch die Holften'fche Berufung auf die ,bisher über-
fehene entfeheidende' Stelle 1 Kor. 16, 18 (nicht: 8)
nicht befeitigen können. Denn wenn durch Ankunft der
Gemeinde-Gefandten eine .Beruhigung' (üväuavaig toi:
nveufiavog) im Gcmüthe des P. eingetreten, fo war die
Motivirung des Nichtmehrnähereingehens auf jene