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Ausgabe:

1881 Nr. 17

Spalte:

404-407

Autor/Hrsg.:

Keller, Ludwig

Titel/Untertitel:

Geschichte der Wiedertäufer und ihres Reiches zu Münster 1881

Rezensent:

Krafft, C.

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Theologifche Literaturzeitung. 1881. Nr. 17.

404

zum Tigris; den Uebergang über diefen Flufs und die
Eroberung des jenfeitigen Landes bis zur Einnahme von
Ktefiphon und Seleucia. Hier tritt der Wendepunkt
ein. Sapor rückt mit einem grofsen Heere heran; die
Schlachtreihen ftehen fich bei Ktefiphon gegenüber bereit
loszufchlagen. Da plötzlich erfchallt eine himmlifche
Stimme: ,Der Pfeil des Heils für das Heer der Römer.
Der Frevler wird fortgerafft werden und Friede wird
zwifchen den Reichen herrfchen'. Julian läftert auch
jetzt noch gegen den Nazarener und fordert ein offenbares
Zeichen, wenn er in Wahrheit Gott fei. ,Und zugleich
mit diefem Worte erreichte den Gottlofen gerechtes
Gericht, denn ein Pfeil flog durch die Luft von
dort her, von wo die Stimme gehört war, traf den
Frevler unter feiner Bruftwarze und überlieferte ihn dem
Tode. Da heulte der Elende und fchrie auf; mit feinen
Händen aber nahm er vom Blut feiner Wunde, fpritzte
dasfelbe gen Himmel und läfterte indem er fprach:
,,Sättige dich, Jefus, fättige dich nunmehr und fei zufrieden
; nun ift dir mit der Gottheit ja auch die Herrfchaft
gegeben".

Schon bis hierher hatte Julian in der Erzählung
nicht fowohl die Hauptrolle gefpielt, als vielmehr die
dunkle Folie für die Lichtgeftalt Jovian's abgegeben.
Der Verfaffer felbft betont dies ausdrücklich, wenn er
z. B. S. 100 fagt, er habe die Abficht gehabt, die Ge-
fchichte Julian's fchon mit feiner Thronbefteigung in
Conftantinopel und der damit verknüpften Erzählung
von einem chriftlichen Märtyrer abzubrechen, nachdem
er von dem abfcheulichen Dornftrauch [im Original ein
Wortfpiel] liebliche Blumen gepflückt habe, die zu einem

250), welcher ebenfalls der Anfang und ein Stück aus
der Mitte fehlt, weift nach, wie Julian durch die Einwirkung
der Dämonen vom Chriftenthum abfiel. Sie ift
durchaus mythifch gehalten, flammt von einem anderen
Verfaffer als das erfte Stück und ift in vorislamifcher
Zeit entftanden. Eine Ueberfetzung diel es zweiten
Stückes durch Nöldeke findet man ZDMG Bd. 28. S.
66b ff.

Der Text beider Schriften ift recht gut erhalten.
Den in der Vorrede mitgetheilten Verbefferungen, welche
theilweife von Hoffmann, theilweife von Nöldeke her-
ftammen, ftimmt man felbftverftändlich bei; nur die An-
weifung 82,5 «am durch ,und Blut' zu überfetzen,
möchte ich nicht befolgen vgl. 164, 21. Einige weitere
Verbefferungen find wohl noch nothwendig. In der folgenden
Lifte ift keine Vollftändigkeit beabfichtigt. 77,22
lies bp: ftatt «ps vgl. 78,14. — 106,7 irns'am. — 115,11
yomrama. — 128,24 -jmsam. — 146,28 yinb ftatt inb,
nicht ib. — 170,9 prrODD. - 175,28 no-n. — 176,17 «-nzh
ftatt tnpi. — 202,4 ynhxfj ftatt yin[:«]. — 202,7 [«man].
— 202,22 yilnarD Luc. 23, 34. — 203,9 [«]n«n für ..tmen
vergl. Zeile 4. — 206,27 pm — 221,27 lläniJM für
yisnwtn. — 224,15 irrüiwn vgl. 41,25. — 232,6 rr«
(Druckfehler). — 240,4 «-Ode für KIlnB. — In die Lifte
der griechifchen Wörter wäre abgefehen von dem häufigen
«:iit3 xvqavvog auch noch «Dv>;n yrioyjig 69,23.
70,4 aufzunehmen. —

Wenn Orientalinnen dem Herrn Herausgeber in erfter
Linie dafür dankbar fein werden, dafs er ihnen Texte
in reinem Syrifch dargeboten hat, fo finden Kirchen-
und Culturhiftoriker in dem Werk eine Quelle, welche

Kranze für die Kirche geeignet feien (nämlich die Glau- ! freilich die Geftalt Julian's im Gewände der Sage wiedcr-
bensthaten der Märtyrer). Allein er dürfe die weitere | fpiegelt, aber einen Einblick in die Denkweife und die

Gefchichte des trefflichen Jovian nicht übergehen ; dicfc
aber fei fo eng mit der Julian's verknüpft, dafs es nicht
möglich fei, fie gefondert zu Ende zu führen. Alfo von
Julian wird nur um Jovian's willen berichtet. Dies ift
für die Beftimmung des Titels der Erzählung von Wichtigkeit
. Vom Tode Julian's an dreht fich Alles nur um
Jovian's Perfon. Sein Friedensfchlufs mit den Perfern
und die Rettung des römifchen Heeres wird gefeiert;
nur ungern verfteht er fich dazu, die Krone anzunehmen,

Sitten der nationalfyrifchen Kirche ein Jahrhundert vor
dem Auftreten des Islam gewährt. Allerdings ift das
Bild kein fehr erfreuliches, allein yo»» PttHPi "paa
rmtan.

Ich darf vielleicht für diejenigen, welche des Syri-
fchen nicht kundig find, bemerken, dafs ich mit Erlaub-
nifs des Herrn Herausgebers eine deutfehe Ueberfetzung
der erften Erzählung angefertigt habe, welche ich noch
im Laufe des Jahres hoffe erfcheinen laffen zu können.

als er aber Kaifer geworden ift, da widmet er feine j Kiel Friedrich Bacthgen

ganze Sorge der Kirche. Endlich gewährt ihm Gott I _.__.---___L_

nach achtmonatlicher Regierung den erbetenen Tod. Keller, Archivar Dr. Ludw., Geschichte der Wiedertäufer
Ploffmann hat feinen Texten den Titel Julianos der unt| ihres Reiches zu Münster. Nebft ungedruckten Ur-
Abtrünnige' gegeben trotzdem fchon die Handfchrift | kunden- Munfter 1880, Coppenrath. (VIII, 330 S.
des lechften oder fiebenten Jahrhunderts die erfte Er

Zählung mehrfach mit Jovinianos (f. o.) bezeichnet. Ich

gr. 8.) M. 3. -

glaube nicht, dafs diefe Aenderung berechtigt ift. Wie j Die Gefchichte der furchtbaren Tragödie des Wie-
fich aus den mitgetheilten Unterfchriften und aus man- j dertäuferreiches zu Münfter und der Bewegungen, welche
eben Stellen des Textes ergiebt (vgl. die oben mitge- j diefe Kataftrophe hervorriefen, ift feit einigen Jahrzehntheilte
Stelle von S. 100) ift Jovian als Widerpart des
Böfen während des gröfsten Theiles der Erzählung that-
fächlich die Hauptperfon; weiter ift ja fowohl in der
Unterfchrift des erften Theiles als auch in dem recapi-
tulirenden Schlufs des Ganzen (f. o.) Julian gar nicht
genannt, fondern die Söhne Conftantin's einerfeits, Jovian

ten Gegenftand eifrigfter Pforfchung. Das bahnbrechende
Werk von Prof. Cornelius: Gefchichte des Münfterifchen
Aufruhrs in 3 Büchern (erftes Buch: die Reformation,
Leipzig 1855, zweites Buch: die Wiedertaufe, Leipzig
i86oy blieb bisher unvollendet, gab aber die mannigfachste
Anregung zur weiteren Erlorfchung, nicht blofs

andrerfeits; endlich bemerkt Nöldeke a. a. O. S. 292 | bei deutfehen, fondern auch bei niederländifchen Ge
gewifs mit Recht, es fei nicht unwahrfcheinlich, dafs j lehrten; auch behielt Cornelius, obgleich inzwifchen aus
,die Erzählung von den Königen Conftantin und Jovian', Wcftdeutfchland nach Bayern verfetzt, den Gegenftand
welche Ebedjefu (Affemäni III. I. 41) dem trefflichen I ftets im Auge. (Vergl. insbefondere deffen Abhandl. in
Socrates beilegt, unfere Gefchichte ift. Der von Ebed- j der k. bayrifchen Akademie der Wiffenfchaften: die Nie-
jefu erhaltene Titel, worin aber OX-ütcoipT für rrm ! derländ. Wiedertäufer während der Belagerung Münlters
CX-txiEöip fleht, wird alfo der urfprüngliche fein, und | 1534 und 1535. München 1869. 4.) Durch Cornelius an-
die Bezeichnung der einzelnen Kurrafe (Quinionen) durch j geregt ging der im Jahre 1868 vcrftorbeife Gymnafial

Jovinianos' ift wohl eine Abkürzung des Schreibers.

Auf eine Kritik des hiftorifchen Gehaltes unferer
Erzählung laffe ich mich hier umfoweniger ein, als man
das Nöthige bei Nöldeke a. a. O. findet. Ebendcrfelbe
hat es wahrfcheinlich gemacht, dafs das Buch zwifchen
den Jahren 502 und 532 in Edeffa verfafst wurde.

Die zweite bei weitem kürzere Erzählung (S. 242 —

director Dr. Bouterwek der Literatur und manchen
bisher verborgenen Entwicklungen des Anabaptismus in
Weftdeutfchland nach (vgl. deffen Arbeit: Zur Wiedertäuferliteratur
im erften Bande der Zeitfchrift des Berg-
ifchen GefchichtsVereins, 1863); es fchloffen fich nieder-
ländifche, füddeutfehe und fchweizerifche Gefchichtsfor-
fcher an, fo dafs das Bild des Anabaptismus zur Refor-