Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1881 Nr. 16

Spalte:

377-378

Autor/Hrsg.:

Nebe, Gustav

Titel/Untertitel:

Die Kirchenvisitation des Bisthums Halberstadt in den Jahren 1564 und 1589 1881

Rezensent:

Köhler, Karl

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

377

Theologifche Literaturzeitung. 1881. Nr. 16.

378

druckte Briefe, ein Verzeichnifs der gedruckten Schriften
Agricola's, und ein die Brauchbarkeit der tüchtigen Arbeit
erhöhendes Regifter find beigegeben.
Kiel. W. Möller.

Seifert, Lehr. Friedr., Die Durchführung der Reformation
in Leipzig 1539—1545. Inaug.-Diff. Leipzig 1881,
Druck von Breitkopf & Härtel. (40 S. 8.)

In vorliegender Schrift, einer Differtation von we-
fentlich local-gefchichtlichem Intereffe, fchildert der Verf.
hauptfächlich unter Benutzung älterer Darftellungen und
bekannten Quellenmaterials, für einige freilich nicht belangreiche
Punkte auch auf archivalifchen Nachrichten
fufsend, auf 38 Seiten die Einführung und Durchführung
der Reformation in Leipzig von 1539 bis zur Einweihung
der Paulinerkirche als Univerfitätskirche durch Luther am
12. Auguft 1545. Als Einleitung dient der fonft fleifsigen
Arbeit eine kurze Besprechung der Einführung der Reformatio
^ in Dresden. Eine Darlegung der evangelifchen
Bewegungen in Leipzig unter Herzog Georg, die man
hätte erwarten follen und wofür Seidemann mancherlei
Material zufammengetragen hat, hat er leider nicht für
nöthig befunden. Was Luther's Anwefenheit Pfingften
1539 betrifft, fo mufs ich dem Verf. auf Grund eines von
mir aufgefundenen Briefes von Juftus Jonas an Georg
von Anhalt über die Leipziger Vorgänge, der demnächft
in meinen Analecta Lutlicrana abgedruckt werden foll,
in einigen Punkten widerfprechen. Kurfürft Johann Friedrich
kam nicht am 23. Juni, fondern zugleich mit feinen
Theologen am Pfingftfonnabend an. Luther und Jonas
wohnten bei Dr. Auerbach. Die alte Leipziger Tradition
, wonach Luther in der Nicolaikirche, wo man
auch noch eine alte fteinerne Kanzel als Lutherkanzel
zeigt, gepredigt haben foll, wofür der Verf. nach Möglichkeit
eintritt, ift leider unrichtig. Das Zeugnifs des
Sebaftian Fröfchel, das der Verf. verwirft, wird durch i fpricht, ,dafs die Bauleute auch in den folgenden Blät-
Jonas ausdrücklich betätigt Die Frühpredigt am Pfingft- , tern einen brauchbaren Stein erkennen' möchten wird fich
tage hielt Jonas in der 1 homaskirche, hierauf pre- in vollem Mafse erfüllen. Das Ganze erweht fich als

Aergernifs der Proteftanten nach allen Formen der römi-
fchen Kirche geweihte Heinrich Julius von Braunfchweig
die Pfarrer förmlich zur Predigt nach der Augsb. Conf.
verpflichtete und zugleich auf das Corpus doctrinac feines
Vaters Herz. Julius verwies, ohne jedoch in den Cere-
monien allgemeine Gleichförmigkeit zu fordern. Das
vornehmfte Mittel zur Begründung der neuen Ordnung
waren im Stift Halberftadt wie anderwärts die allgemeinen
Kirchenvifitationen. Solche fanden zweimal ftatt,
1564 unter Sigismund v. Brandenburg und 1589 unter
Heinrich Julius. Der Herausgeber giebt die Vifitations-
Inftruction für 1589 in ausführlichem Auszug (die von
1564 ift bereits mehrfach gedruckt) und reproducirt hierauf
die feither nicht bekannten Protocolle beider Vifita-
tionen. ,Dafs die umfangreichen Actenftücke' —■ fagt er
im Vorwort — ,nicht wörtlich abgedruckt werden konnten
, liegt auf der Hand; es verbot dies nicht nur der
Umftand, dafs eine diplomatifch genaue Wiedergabe den
Umfang der Arbeit ganz unnöthig vervielfacht haben
würde, fondern auch der, dafs das Protocoll der Vifita-
tion vom J. 1589 häufig faft wörtlich mit dem des J. 1564
übercinftimmte oder auf dasfelbe verwies. Ich habe aber
bei allen formellen Kürzungen nichts Stoffliches ver-
fchwiegen oder verdunkelt, habe die Ausdrücke der
Protocolle beibehalten, alle wichtigeren Partien wörtlich
mitgetheilt und dunklere Wörter oder ungewöhnliche
Wendungen unverändert aufgenommen'. Das gewählte
Verfahren war wohl berechtigt und zweckmäfsig. Das
mitgetheilte Material bietet eine Menge werthvolle Einblicke
in die inneren Kirchen- und Volkszuftände der
Zeit. Mehr als Quellenmatcrial hat der Herausg. nicht
liefern wollen, die gefchichtliche Verarbeitung des Stoffes
lag nicht in feinem Zweck, daher auch die Einleitung
fich möglichft knapp hält und nur das Verftändnifs der
folgenden Mittheilungen erleichtern will. Der Wunfeh
aber, den der Herausg. am Schlufs des Vorwortes aus-

digte während des Vormittags ebendafelbft Paul Lindenau
, in der Nicolaikirche dagegen Friedrich Myko-

nius und Nachmittags ,d. Doctor Martinas Lutlierus--

coratn maxima multitudine populi praedieavit apud S.
TAomam'. Auch manche andere intereffante Einzelheiten
wird der Verf. aus dem betreffenden Berichte des
Jonas entnehmen können.

Erlangen. Th. Kolde.

Nebe, Superint. Oberdompred. Guft., Die Kirchenvisitationen
des Bisthums Halberstadt in den Jahren 1564 und
ic8o Nebft einer Einleitung enthaltend die Ge-

j j- jj 11 j j^^j o _>n cueu wen, wie ci im Vorworte

fchichte der Einführung der Reformation im rialDer- fagtj dne zusammenhängende Ueberficht über den hifto-

eine nicht allein für den Kirchenhifforiker, fondern auch
für den Forfcher auf dem Gebiete der Schulgefchichte
und der Culturgefchichte höchfl dankenswerthe Gabe von
keineswegs blofs örtlichem Intereffe.

Friedberg. K. Koehler.

Maurenbrecher, Wilh., Die preussische Kirchenpolitik und
der Kölner Kirchenstreit. Stuttgart 1881, Cotta. (IV,
140 S. gr. 8.) M. 2. 50.

Die vorliegende Schrift ift aus Vorträgen entftan-
den, welche in einem Bonner Bürgerverein gehalten
wurden. Des Verf.'s Streben war, wie er im Vorworte

ftüdtifchen. Nach den Quellen bearbeitet. Hrsg. von I rifchen Verlauf der kirchenpolitifchen Entwickelun^'des
der Hiftorifchen Commiffion der Provinz Sachfen. preufsifchen Staates zu bieten, um fo ,zum Verftändnifs
Mit 1 flith.1 Karte. [Gefchichtsquellen der Provinz der unfere Gegenwart bewegenden Kämpfe ein Weniges
Sad.fea K.B41 Halle ,88o, Hendel. (VI, « jBS^SÄ^-Sfc'SSS^iTÄSftS
gr. 8.) M. 8. — dem Bemühen verbinden zu können, die Ablichten des

Diefe Arbeit Nebe's fchliefst fich in verdienfthcher Gegners nach feinem Sinne zu verliehen und ihnen die
Weife an die verwandte Arbeit Burkhardt's über die fach- relative Würdigung des Hiftorikers entgegenzubringen',
fifchen Vifitationen (Th. Lit.-Ztg. 1880, Nr. 10) fowie an Was er bietet, entfpricht durchaus dem angekündigten
das, was der Verf. felbft vor Jahren in den Programmen Vorhaben. In anziehender Darftellungsform wird die
des Herborner Seminars zur Reformationsgefchichte der Kirchcnpohtik der Hohenzollern von ihren Anfängen,
Naffauifchen Gebiete geliefert hat, an. Die Einleitung d. h. vom 15. Jahrhundert, dann von der Annahme der
giebt Nachricht darüber, wie im Bisthum Halberftadt die Reformation und dem Uebergang des Regentenhaufes
Reformation trotz fchwerer Kämpfe fchon unter dem : zur reformirten Confeffi on an gefchildert und wird ge-
Cardinal-Erzbifchof Albrecht v. Brandenburg, der auch j zeigt, wie in diefem Staatswefen zu allererft das moderne
Bifchof von Halberftadt war, Eingang und endlich^ feiten | Staatspnncip in kirchlichen Dingen, d. h. das der Achtung

' ' 1 i « 1 1 ' ' I VUll liUiwvi --- , - . . .

Boden fand — die Geldnüthe des Cardinais nothigten
ihn zu gewiffen Zugeftändnifsen, - wie fie fodann unter
Sigismund von Brandenburg fich weiter befeftigte, bis
der fchon als Kind zum Bifchof erwählte und zum grofsen

der individuellen Gewiffensfreiheit und der Selbltftändig-
keit der Confeffionen nach innen bei gleichzeitiger Wahrung
der ftaatlichen Oberaufficht, thatfächlich zur Geltung
gekommen ift. Bei Friedrich d. Gr. und im Allgemeinen