Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1881 Nr. 16

Spalte:

371-372

Autor/Hrsg.:

Langen, Jos.

Titel/Untertitel:

De commentariorum in epistolas Paulinas, qui Ambrosii, et wuastionum biblicarum, quae Augustini nomine feruntur, scriptore dissertatio 1881

Rezensent:

Overbeck, Franz

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

37i

Theologifche Literaturzeitung. 1881. Nr. 16.

372

Verf. allen, welche wie der Ref. in feiner ftrengen phi-
lologifchen Schule zu fitzen das Glück gehabt haben,
Mufter und Vorbild ift Auch in der Scheidung der
Quellen B und C ift Dillmann hier und da Wellhaufen
gegenüber im Rechte. So z. B. wenn er Exod. 34 für C re-
clamirt. Nur begreife ich nicht, wie er bei diefem Befunde
feine Meinung von dem höhern Alter B's aufrecht
zu erhalten vermag. Im Grofsen und Ganzen aber hat
gerade die Leetüre diefes Commentares dazu beigetragen,
den Ref. in feiner Ueberzeugung zu befeftigen, dafs die
Schule Grafs in allem Wefentlichen völlig die richtige
Löfung der pentateuch-kritifchen Frage gefunden hat.

Es ift hier nicht möglich weiter auszuführen, welche
Schwierigkeiten der Löfung auf dem von Dillmann einge-
fchlagenen Wege entgegenftehen. Ich gedenke zudem
an anderem Orte in einer Befprechung der Compofition
von Exod. 19 ff. auf diefenPunkt zurückzukommen. Im
Uebrigen habe ich mich von neuem davon überzeugt,
dafs auf dem Wege einer blofscn Analyfe des Penta-
teuches der Streit nie gefchlichtet werden wird. Die
Anflehten über die kritifche Zufammenfetzung und hifto-
rifche Glaubwürdigkeit des Inhaltes der Bücher Richter,
Samuelis, Könige einerfeits, die theologifche Werthung
desProphetismus andererfeits bedingen die Stellung zur
Pentateuchkritik. Befonders lebhaft trat mir dies vor
die Seele, als ich in Dillmann's Vorrede den Satz las
(S. VIII): ,Dafs auch die Priefterfchaft des Centralheilig-
thums fchon in alter Zeit ihre Thoroth auffchrieb, ift die
natürlichfte Annahme von der Welt'. Gewifs. Aber ,alte
Zeit' ift ein relativer Begriff. Und hier fcheint es mir
doch, giebt der Pentateuch gar keine, die Analyfe der
übrigen hiftorifchen und prophetischen Bücher aber eine
haarfcharfe Auskunft darüber, was für das Central-
heiligthum die allerältefte Zeit ift: das Jahr 621.

Dillmann fpricht fich mit ziemlicher Siegesgewifsheit
über die Meinungen der Gegner feiner Aufftellungen aus.
Es würde vielleicht fehr unrecht fein, anzunehmen, dafs
der Gang der altteftamentlichen Arbeiten den Verf. in
derfelben erfchüttert haben follte — diefer Gang war
freilich, wie dem Ref. fcheint, ein anderer, als der Verf.
p. V der Vorrede vorausfetzt. Sollte es aber nicht vielleicht
der Applaus der Leute vermocht haben, welche
unter alleihand Tiraden auf die Seite feiner Unterfuch-
ungen getreten find, doch wohl nicht um der letzteren
willen?

Giefsen. Bernhard Stade.

Langen, Prof. Dr. Jof, De commentariorum in epistolas
Paulinas, qui Ambrosii, et quaestionum biblicarum, quae
Augustini nomine feruntur, scriptore dissertatio. Bonn
1880, Cohen & Sohn. (44 S. 4.) M. 1. 20.

Der Verf. ftellt die Vermuthung auf, dafs der fog.
Ambrofiafter und der mit ihm identifche Verfaffer der
Pfeudoauguftinifchen Quaestiones ex V. et N. Testamente
der aus den urfinifch - damafifchen Händeln und als
ftrenger Luciferianer bekannte römifche Presbyter Fau-
ftinus ift. Seine Abhandlung beginnt in der üblichen
Weife auf dem Todtcnfelde, auf welchem in fo vielen
Fällen der Art auch das Grab der eben neu auflebenden
Hypothefe fchon gegraben ift. Auch kann Ref. nicht
fagen, dafs dies gerade die Arbeit ift, die fchon lange
befonders für den Ambrofiafter zu wünfehen wäre und
welche zunächft durch eindringende Charakteriftik
und Vergleichung mit anderen verwandten Arbeiten
der alten Kirche zu einer deutlicheren Erkenntnifs des
eigenthümlichen Werthes diefes intereffanten Commen-
tars zu führen hätte. Immerhin hat der Verf. doch
etwas mehr gethan, als zu einer übermäfsig langen Reihe
werthlofer Hypothefen eine neue von keiner wefentlich
verfchiedenen Art hinzuzufügen. Einmal ift befonders
dankenswerth feine ausführliche Vergleichung des Ambrofiafter
und jener pfeudoauguftinifchen Quaeftionen (S.

20 ff.). Ihre Verwandtfchaft ift ja fchon längft beobachtet
worden und hat auch fchon längft auf die Identität des
Verfaffers geführt. Doch ift die Sache noch nirgends
fo genau und ausführlich dargelegt wie hier. Auch der
den Weg zur Vergleichung bahnende Nachweis, dafs
fowohl Ambrofiafter, als auch die Quaeftionen in der
Geftalt, in welcher fie gegenwärtig vorliegen, im Ganzen
einheitlicher Herkunft find (S. 6. 10 ff.), ift nützlich. Freilich
laffen zumal folche Unterfuchungen kritifche Ausgaben
der Texte fchwer vermiffen, und die fehr auffallende
Form, in welcher uns namentlich die Quaeftionen
überliefert find, behält noch manches Räthfel. Langen's
Hypothefe über den Verfaffer aber hat vor der befonders
beliebten Hilariushypothefe den grofsen Vorzug,
dafs fie fich auf fonft erhaltene Schriften des Fauftinus
ftützen läfst (über diefen vgl. Gennad. de vir. ill. 16.
und Smith a. Wace Dict. of Christ. Biogr. II. 466. Art.
,Fauftinus [33]'). Die Vergleichung mit diefen Schriften
ergiebt zwar kaum fchlagende Parallelen, aber doch eine
fo anfehnliche Zahl von Berührungen verfchiedenfter
Art, dafs die Langen'fche Vermuthung jedenfalls An-
fpruch auf ernfte Beachtung hat. Befonders wird die
Rückverweifung hervorzuheben fein, welche Quaest. 125
s. fin. auf eine Schrift des Verfaffers fich findet, wie fie
in Fauftin's de trinitatc vorliegt. Die viclbefprochene
Stelle des Ambrofiafter über Damafus (zu 1 Tim. 3,14)
ift allerdings zu verdächtig, um gegen ihn zu entfehei-
den (f. S. 7. 40). Auguftin's bekanntes Zeugnifs über
den Ambrofiafter will auch Langen, wie fchon Andere,
nicht auf den obfeuren und kirchlich nicht ganz gut berufenen
römifchen Diakonen Hilarius, fondern auf Hilarius
von Poitiers beziehen. Die Bedenken der Beziehung
auf den Diakonen liegen freilich auf der Hand, aber
nicht weniger die der Kritiklofigkeit, welche Auguftin
beizulegen wäre, wenn er mit Rückficht auf den bedeu-
tendften lateinifchen Theologen der nächften Vergangenheit
fich eines fo argen Mifsgriffs fchuldig gemacht hätte.
Diefer Punkt ift nicht leicht zu nehmen, weil nur die
gänzliche Entwerthung des Zeugnifses des Auguftin fich
darüber ganz zu beruhigen geftatten würde, dafs die
Langen'fche Hypothefe jeder Stütze in der Tradition
entbehrt. Wenn übrigens Langen von der Vorausfetzung
als einer zur Zeit allgemein anerkannten ausgeht, dafs
der Commentar des Ambrofiafter mit Ambrofius von
Mailand nichts zu thun hat, fo kann ihm die neuefte
Mailänder Ausgabe des Ambrofius noch nicht bekannt
geworden fein.

Bafel. PTanz Overbeck.

Kawerau, Guft., Johann Agricola von Eisleben. Ein Beitrag
zur Reformationsgefchichte. Berlin 1881, Hertz.
(XII, 358 S. gr. 8.) M. 6. -

Der Verf. hat fchon in einer Reihe von verdienft-
lichen Abhandlungen einzelne Fragen und Partien des
Lebens Agricola's in fruchtbarer Weife behandelt (Stud.
u. Krit. 1879 u. 80. Zeitfchr. des Harzvereins 1879;
Ztfchr. für preufs. Gefch. u. Landesk. 1880, und werthvolles
handschriftliches Material neu ans Licht gezogen
(Zeitfchr. f. KG. 1880). Indem er feine Studien zu einer
Monographie über den bei allen feinen offenkundigen
Schwächen hervorragenden und anziehenden Mann zu-
fammenfafst, kommt er einem fchon lange und lebhaft
empfundenen Bedürfnifse entgegen. Wir dürfen hinzusetzen
, dafs er fich auch hierbei ganz als der befonnene,
forgfältige, auch in kleinen Dingen auf Genauigkeit und
erfchöpfende Benutzung des zugänglichen Materials ausgehende
Forfcher bewährt, bei deffen Arbeit auch ab-
gefehen von dem Hauptgegenftand nebenher noch manche
dankenswerthe Beiträge in betreff von Perfonalien und
fonftigen Einzelheiten abfallen. Vor allem aber erfcheint
hier zum erften Male das Leben des reichbegabten
Mannes, der einen fo bedeutenden kirchlichen Einflufs