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Ausgabe:

1881 Nr. 14

Spalte:

337-339

Autor/Hrsg.:

Luthardt, R.

Titel/Untertitel:

Die Feste des Kirchenjahres in liturgischen Vespern 1881

Rezensent:

Schlosser, Georg

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Theologifche Literaturzeitung. 1881. Nr. 14.

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Luthardt, Diac. R., Die Feste des Kirchenjahres in litur- zu erreichen fei n wird. Ob es dem melodiöferen und
gischen Vespern. Mit einem Vorwort von Abt Hof- u. in moderne Harmonien übertragenen anglikanifchen
Dompred. D. H. Thiele. Leipzig 1881, J. Naumann. Pfalmgefang wie fchon vorgefchlagen wurde leichter
^ „, r J?, ™ . r- r. gelingen wird, lieh in die Herzen und den Mund unferes

(VI, 92 S. gr. 8.) M. 1. 50; 22 Blatt Texte für l.tur- einzufchmeicheln; ift gleichfalls fraglich. ThaU

gifche Vefpergottesdienfte, pro je 100 Blatt M. 1. — fächlich war ja in der evang. Kirche die Pfalmodie in
Die vorliegende Arbeit ift eine fehr willkommene und den weitaus meiften Fällen Sache des Schülerchors. Und
zeitgemäfse Gabe. Die Erkenntnifs von der Nothwen- fo wird fie ficherlich, wenn es gelingt, fie in unferen
digkeit einer reicheren liturgifchen Ausgeftaltung unferer Nebengottesdienften allgemeiner wieder einzuführen, ftets
Gottesdienfte dringt in immer weitere Kreife. Aber wäh- Sache des Singchors bleiben. Aber auch in diefer Gerend
zur Befriedigung diefes Bedürfnifses für den Haupt- fta.lt klingt fie unferem Volke noch fo fremdartig, dafs
gottesdienft fchon viel gefchehen ift, haben die Neben- die gröfste Vorficht bei der Einführung zu rathen ift,
gottesdienfte, deren finnvolle und mufikalifch reiche foll nicht dadurch von vornherein das Werk der litur-
liturgifche Gliederung dem gottesdienftlichen Leben der gifchen Erneuerung in Frage geftellt werden. Man hat
vergangenen Jahrhundertc unferer Kirche ein fo charak- wohl die Auskunft getroffen, dafs der Liturg den Pfalm
teriftifches Gepräge gab und nicht zum wenigften dazu felbft betet und die Gemeinde fich nur mit dem kleinen
beitrug, den Gang des Kirchenjahres in Fleifch und Bluf Gloria dazu bekennt. Man kann das ja wohl thun; die
unferes Volkes übergehen zu laffen, viel weniger Berück- Hauptwirkung der Pfalmodie geht aber dabei doch ver-
fichtigung gefunden. Und doch wären gerade in den loren, und der Verf. hat unferes Erachtens recht gethan,
Nebengottesdienften liturgifche Neuerungen viel leichter dafs er davon zunächft ganz abgefehen hat. Das umfo-
einzuführen und würden weniger ftörend empfunden wer- ! mehr, als die Pfalmen in den Lectionen eine reiche Verden
, als in den Hauptgottesdienften. Wenn in diefen Wendung finden.

der Predigt die beherrfchendc Stellung, welche dem Be- j Es ift nämlich, gleichfalls nach den Vorfchlägen der
dürfnifs unferes evangelifchen Volkes nach religiöfer Er- j Reformatoren, dem alten Teftament in den Lectionen
kenntnifs entfpricht, erhalten bleibt, fo wird es andrer- j ein breiterer Raum zugewiefen. Die gefchickte Auswahl
feits dankbar angenommen werden, wenn in den Neben- und die feinfinnige Anordnung diefer Lectionen ge-
gottesdienften das einfeitig didaktifche Element hinter i reichen diefem Werke zum ganz befonderen Vorzug. Der
dem Elemente der Anbetung zurücktritt. [ Verf. hat dabei fämmtlichen Vefpern ein Schema zu

Aus dem Gefühl heraus, ,dafs des Predigens bei Grunde gelegt, dafs immer die erfte Lection aus der alt-
unferen Gottesdienften faft zu viel ift, fo dafs die Ge- 1 teft. Gefchichte den Typus, die zweite die Weiffag-
meindendadurch zu wenigzur felbftthätigen Antheilnahme ung vorführt, fo dafs dadurch die Feftgefchichte felbft,
am Gottesdienft herangezogen werden', hat der Verfaffer welche die dritte Lection bietet, in dem gottgewollten
feine liturgifchen Vefpern entworfen. Es find 22 Vefpern Zufammenhang des Heilsplans Gottes als Erfüllung feiner
für die Feftzeitcn unferer Kirche, genau nach dem Gang Heilsveranftaltungen erfcheint.

des Kirchenjahres geordnet. Die Paffionszeit ift dabei, ] Gleich den Lectionen find auch die Eingangsfprüche,
wie fich's gebührt, befonders reich bedacht, nämlich mit die Gebete und Lieder fehr fein und forgfältig ausge-
acht Gottesdienften. I wählt, und hat der Verf. darin das Befte aus dem Schatze

Es ift diefen Vefpern nachzurühmen, dafs fie im unferer Kirche geboten,
treuen Anfchlufs an die bahnbrechenden Arbeiten auf : Bei der Auswahl der Lieder müffen wir beanitanden,
liturgifchem Gebiete, befonders von Schöberlein, auf ge- dafs eine gröfsere Anzahl fehr fchwieriger und unbe-
funden liturgifchen Grundfätzen ruhen. Es wird ja wohl kannter Melodieen aufgenommen ift, welche die Ein-
heutzutage allgemein anerkannt, dafs alle liturgifchen führung diefer Vefpern in vielen Gemeinden erheblich
Neuerungen an der hiftorifchen Entwicklung des evange- erfchweren werden. Hat der Verf., wie er fagt, diefe
Iifchen Cultus, wie fie von den Reformatoren ausgegangen Vefpern fämmtlich in feiner Gemeinde durchgeführt, fo
ift, orientirt fein und an das kirchlich bewährte und er- beglückwünfehen wir ihn zu einer Gemeinde, die dazu
probte anknüpfen müffen. Das ift bei diefen Vefpern im Stande ift. Es Werdens ihm vorerft nicht allzuviele
der Fall. Sie halten im allgemeinen den Gang der alten ! nachthun.

Vefpergottesdienftc ein, doch mit der Freiheit, welche ; Erwünfcht wäre es uns erfchienen, wenn die cha-
den veränderten Verhältnifsen und den Bedürfnifsen un- j rakteriftifchen Eingangsworte der alten Vefper, das deus
ferer Gemeinden Rechnung trägt. Es ift gerade das ein m adjutoriiim, wenigftens bei den geringeren Feften in An-
befonderer Vorzug diefer Vefperordnung vor anderen wendung gekommen wären. Dergleichen ftehende Forderartigen
Veröffentlichungen, dafs fie aus der reichen mein neben dem berechtigten Wechfel dienen befonders
Fülle der alten Vefpern eine für die Bedürfnifse auch < dazu, die Gemeinde zur*Mitwirkung heranzuziehen. Nader
einfachften Gemeinde angemeffene Auswahl trifft, mentlich hätte Gründonnerstag, für den neben der Vef-
Von der Mitwirkung eines gefchulten Singchors ift da- per auch eine Mette geboten wird, es fehr nahe gelegt

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rum grundfätzlich darin bis auf zwei Ausnahmen Abgang
genommen worden, was ja nicht ausfchliefst, dafs, wo
die Vcrhältnifse es erlauben, einem folchen Chor im Rahmen
diefer Ordnung die ihm zukommende Thätigkeit
zugewiefen wird, wie denn auch in Landeskirchen, in
welchen die feitherige Liturgie jede Mitwirkung der Gemeinde
in der Form von Rcfponforien ausfchliefst, eine
folche Mitwirkung doch nur unter Fuhrung eines eingeübten
Clrors, wenn er auch nur unifono fingt, zu erreichen
fein wird.

Mit diefem Verzicht auf die Mitwirkung eines Singchors
hängt dann freilich weiter der Wegfall eines wefent-
lichen Beftandtheils der alten Vefper, der Pfalmodie, zu-
fammen. Wir können das lebhaft bedauern, können
aber dem Verfaffer darin nur beipflichten. Dem Pfal-
mengefang feitens der Gemeinde flehen fo erhebliche
technifche Schwierigkeiten entgegen, dafs er nur in ganz

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diefe beiden Gottesdienfte durch Ausgeftaltung ihrer
eigenthümlichen Beftandtheile fchärfer von einander abzugrenzen
.

Die Schlufscollecte erfcheint, nachdem das Dankgebet
der Vefper zur ,Anbetung', die Dank und Bitte
enthält, erweitert ift, ohne genügenden eigenthümlichen
Inhalt, und hätten wir es für beffer gehalten, wenn an
ihre Stelle einfach das Vaterunfer, das hier, in Wider-
fpruch mit der alten Vefper und feiner hohen Bedeutung
als das eigentliche Gemeindegebet, in der ihm nach
unferer kirchlichen Unfitte zugewiefenen Stellung als
Anhängfei des vorangehenden Gebets geblieben ift, getreten
wäre.

Vermifst haben wir eine Vefper für Charfamstag,
oder doch wenigftens eine Berückfichtigung der Grablegung
in Lection und Lied der letzten Paffionsandacht.
In den für die Gemeinde beftimmten Texten er-

fcltenen Fällen in ganz kleinen auserlefenen Gemeinden leneint die Angabe der Quellen bei den Gebeten ftörend